- Moderner Etatismus - Lösungsansatz für das drohende Debakel? - manolo, 19.09.2002, 12:44
- Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an - Baldur der Ketzer, 19.09.2002, 13:00
- Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an - Saint-Just, 19.09.2002, 13:47
- Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an - Ecki1, 19.09.2002, 16:36
- Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an - Saint-Just, 19.09.2002, 16:56
- Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an-Artikel ist von - manolo, 19.09.2002, 18:12
- Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an - Ecki1, 20.09.2002, 16:10
- Infrastruktur als Staatsaufgabe?! - Saint-Just, 21.09.2002, 15:58
- Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an - Saint-Just, 19.09.2002, 16:56
- Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an - Ecki1, 19.09.2002, 16:36
- Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an - Saint-Just, 19.09.2002, 13:47
- EXAKT! (owT) - Saint-Just, 19.09.2002, 13:02
- Re: Gerade von Stoiber erwarte ich in dieser Hinsicht nichts. - Theo Stuss, 19.09.2002, 13:06
- Re: Moderner Etatismus - Lösungsansatz für das drohende Debakel? - Diogenes, 19.09.2002, 13:12
- Re: hört sich irgendwie nach Franz Schönhuber an - Baldur der Ketzer, 19.09.2002, 13:00
Moderner Etatismus - Lösungsansatz für das drohende Debakel?
-->ich lasse mal mit Fleiss weg, wer diese Gedanken verfasst hat.
Reiche ich nach. Versprochen.
Für einen modernen Etatismus
Das Modell Bayern ist die Alternative zu Globalisierung und Turboliberalismus
Von xxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Nein, ich wünsche mir keine weiß glühende Revolutionierung der Gesellschaft, keinen Ruck, der das Netz des rheinischen Kapitalismus zerreißt und keine Axthiebe gegen Gewaltenverschränkung und Verbändestaat. Für mich war die rheinische Republik die höchste Form deutscher Staatlichkeit, seit Tacitus die Germanen in das helle Licht der Weltgeschichte rückte, und der von den meisten Wirtschaftsführern beklagte konservative Instinkt des Gesamtvolkes bestätigt nur, dass man wirklich aus der Geschichte lernen kann.
Was an den Erneuerern, Modernisierern, Globalisierern und Turboliberalen so nervt, ist die Geste: ach, wie wunderbar, in einer solchen Epoche zu leben. Von einem bayerischen Ministerpräsidenten erwarte ich eine andere, in tausend Jahren bayerischer Geschichte gereifte Haltung - nicht Auflösung des Staates im Wirbel der Globalisierung, sondern das Wetterfestmachen, das die Balkenerneuern, eben das"es muss alles sich ändern, damit alles so bleibt, wie es ist" aus Lampedusas Leoparden. Graf Montgelas hat das unter nicht weniger schwierigen Umständen nach der Französischen Revolution in Bayern vorgeführt, Stein, Hardenberg und Humboldt in Preußen.
Stoiber könnte gelingen, woran Schröder gescheitert ist und was Westerwelle nicht interessiert: einen modernen, festen Etatismus zu schaffen, eine konservative Schutz- und Trutzburg, die funktioniert, weil sie ideologisch nicht überfrachtet und dennoch ausfinanziert ist. Das heißt, dass Prioritäten unabhängig von Parteiprogrammen gesetzt werden müssen: Bildung, innere Sicherheit, nationale Identität, soziale Balance und außenpolitische Handlungsfähigkeit. Bayern hat dieses Programm in den letzten Jahren vorgeführt. Ich erwarte daher von einem bayerischen Ministerpräsidenten, dass er als Bundeskanzler diese Erfahrungen nutzt und dass - wie auch immer föderal balanciert - künftig mehr Geld für Schulen, Hochschulen, Kultur und Polizei auf allen Ebenen zur Verfügung steht, dass wir eine offene Gesellschaft bleiben, in der das Fremde als Fremdes akzeptiert und nicht als multikultureller Teil der eigenen Identität missverstanden wird. Ich erwarte von einem Nachfahren des großen Montgelas, dass die Politik Herrin über die Wirtschaft bleibt und der Staat, die Gesellschaft, nicht aber der Markt über das gesellschaftlich richtige wie sinnvolle soziale Minimum entscheidet.
Reformen des Arbeitsmarktes sind bestimmt notwendig, doch Ausmaß und Zumutbarkeit solcher Reformen müssen sich am gesamtgesellschaftlichen Interesse orientieren, nicht an den Interessen einer kleinen, internationalen Managerklasse. Montgelas zentralisierte Bayern zu Lasten der ständischen Einrichtungen, die globalisierte Wirtschaft ist heute weit mächtiger als Adel und Kirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ein Schuss Merkantilismus wäre so schlecht nicht, wie Bayern und Frankreich, die Erben dieser Tradition, beweisen. Stoiber, so muss man hoffen, hat aus der tausendjährigen Geschichte Bayerns gelernt, dass die polemische Unterscheidung zwischen Struktur- und Wertkonservativen eine Chimäre ist, da Werte nur innerhalb verlässlicher Strukturen gelebt werden können, deren Zerstörung die davon betroffenen Werte nicht unberührt lässt. Es gibt eben sehr wohl einen Zusammenhang zwischen Ladenschlusszeiten und dem Erhalt der Familie, auch wenn"Konservative" wie Berlusconi und Thatcher, die die revolutionäre Dynamik des globalen Kapitalismus von ganzem Herzen bejahen, dies zu leugnen versuchen.
Doch gerade wenn wir den amerikanischen Weg nicht gehen wollen, ist der deutsche keine Alternative. Amerika-kritisches Gemurmel ohne Konsequenzen ist keine Politik, von Stoiber erhoffe ich mir deshalb eine besser finanzierte Bundeswehr, um Amerika auf Augenhöhe zu begegnen, und die Wiederbelebung des deutsch-französischen Kerneuropas als Gegenmacht zum amerikanischen Unilateralismus. Die moderne Tradition bayerischer Staatlichkeit hat in Frankreich ihren Ursprung, beide Länder müssen in einer globalen Welt einen eigenständigen europäischen Weg suchen, der nur ein gemeinsamer sein kann, wenn sie die zukünftige Welt mitbestimmen wollen. Stoiber könnte jene Mischung aus nationalem Stolz und europäischer Verantwortung finden, für die Schröder keinen Sinn und Fischer nicht die persönliche Geschichte hat.
Wenn uns die Flutkatastrophe eines gelehrt hat, dann ist es die Notwendigkeit des starken Staates, der im Not- und Schadensfall den Einzelnen schützt und der Gesellschaft die Mittel zur Verfügung stellt, die individuelle Ohnmacht in gemeinschaftliche Macht zu verwandeln. Der wohlverdiente historische Abgang des Sozialismus hat das Pendel stark in Richtung Individuum, Markt und Selbstverwirklichung ausschlagen und Konservative scharenweise zu Turboliberalen werden lassen, die das wirtschaftlich starke Individuum anbeten. Der Erfolg bayerischer Staatlichkeit in den vergangenen Jahren war der Triumph einer merkantilistischen Unterform des rheinischen Kapitalismus. Von einem bayerischen Bundeskanzler erhoffe ich mir eine Fortsetzung, nicht eine Änderung dieser Politik. Ob die Flut Schröder geholfen hat, wird der Wahltag zeigen. Sie hat aber jetzt schon den Spaßliberalismus des"Bereichert und amüsiert euch!" beerdigt. Stoiber ist frei, auch in Berlin an Montgelas anzuknüpfen.

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