- Matt. Horx (Zunkunftsinstitut / Wien) über Mobilcom´s Schmidt´s Gier - kizkalesi, 20.09.2002, 12:14
- irgendwo hat er recht, aber irgendwo hat er auch unrecht - Spirit of JuergenG, 20.09.2002, 13:12
- Re: irgendwo hat er recht, aber irgendwo hat er auch unrecht - Tombstone, 20.09.2002, 13:40
- Re: irgendwo hat er recht, aber irgendwo hat er auch unrecht - Spirit of JuergenG, 20.09.2002, 13:47
- Re: irgendwo hat er recht, aber irgendwo hat er auch unrecht - foreveryoung, 20.09.2002, 14:17
- Re: irgendwo hat er recht, aber irgendwo hat er auch unrecht - Spirit of JuergenG, 20.09.2002, 16:31
- Re: irgendwo hat er recht, aber irgendwo hat er auch unrecht - foreveryoung, 20.09.2002, 14:17
- Re: irgendwo hat er recht, aber irgendwo hat er auch unrecht - Spirit of JuergenG, 20.09.2002, 13:47
- Re: irgendwo hat er recht, aber irgendwo hat er auch unrecht - Tombstone, 20.09.2002, 13:40
- In Wirtschaft wie in der Politik passiert nichts, was nicht passieren soll--- - Der Husky, 20.09.2002, 13:42
- Derjenige?? - foreveryoung, 20.09.2002, 13:53
- nun ja... - silvereagle, 20.09.2002, 16:34
- nochmals: wer ist der 'Derjenige'? - und Huskies sind Mode am Strand... - foreveryoung, 20.09.2002, 17:10
- Re: In Wirtschaft wie in der Politik passiert nichts, was nicht passieren soll--- - apoll, 20.09.2002, 17:58
- Sind wir alle Marionetten im großen Puppenspiel mit festgelegter Regie? - Uwe, 20.09.2002, 19:45
- irgendwo hat er recht, aber irgendwo hat er auch unrecht - Spirit of JuergenG, 20.09.2002, 13:12
Matt. Horx (Zunkunftsinstitut / Wien) über Mobilcom´s Schmidt´s Gier
-->Büdelsdorf ist überall
Ebbers, Kabel, Sommer, Middelhoff, Schmid und wie sie alle heißen:
Die narzisstischen Männer spielen in Wirtschaftsdramen die Hauptrolle.
Wer den Preis dafür zahlt
Von Matthias Horx
Eine Firma geht Pleite. Das kommt in der Welt der Märkte manchmal vor. Weil Strategien grundfalsch waren, Pläne nicht aufgingen, Kunden sich anders entschieden.
Eine Firma geht Pleite. Sofort steht die Politik auf dem Teppich: Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht. Wir sind empört und betroffen, vor allem von der sozialen Kälte, die aus dem Ausland herüberweht!
Eine Firma geht Pleite. Bewohner und Bürgermeister von Büdelsdorf sprechen in die Kameras über ihre Angst und Unsicherheit - die knapp finanzierten Häuschen am Stadtrand! Die mangelnden Kunden in der Bäckerei! Es soll ihnen nicht schlechter gehen als vorher. Um keinen Preis. Aber um welchen Preis!
Eine Firma geht Pleite. Schuld waren die anderen. Das Ausland, die Franzosen! Nun tritt Herr Schmid vor die Mikrofone: Er sei tief, tief enttäuscht über die Kälte der Franzosen, die ihn und den ganzen Büdelsdorfer Landkreis mit Schmutz und Verachtung überzogen hätten"wie eine Bananenrepublik".
Die schlichte Wahrheit spricht niemand aus: Hier ist ein Mann an seiner Gier gescheitert. Er hat die Kreativität und Motivation von 5000 Mobilcom-Mitarbeitern missbraucht. Er wollte nicht groß sein, sondern der Größte. Er wollte nicht fünf Euro pro Aktie, sondern 20, und das notfalls übers Gericht. Er wollte, koste was es wolle, drei Milliarden Euro für jene große Vision von UMTS, von der viele Prognostiker schon vor Jahren warnten, dass sie vielleicht nur Illusion einer rot glühenden ITK-Industrie sein könnte - ein kundenfernes Datenkuckucksheim.
"Visionen" sind die heiligen Kühe des"new economic speech", und das Fatale an ihnen ist, dass sie offenbar gegen das Scheitern immunisieren. Sie werden auf diese Weise zu fixen Ideen, zu Zombies im Reich der Wünsche. Eine neuere Untersuchung über Schachspieler weist nach, dass nicht diejenigen Spieler in die Weltklasse aufsteigen, die ihre Strategie eisern über möglichst viele Züge berechnen können und dann"durchziehen". Die wahren Meister sind diejenigen, die ihre Strategien ständig infrage stellen und an die neue Lage anpassen können.
Ebbers, Kabel, Sommer, Middelhoff, Schmid (und wie sie alle heißen): Das ist das Drama des narzistischen, in seine"Vision" verliebten Mannes, das auf wunderbare Weise mit einer harmoniesüchtigen Ã-ffentlichkeit und einem wirtschaftlichen Grundverständnis korrespondiert, das im Krisenfall nach der großen Subvention ruft: Die Risiken dieser Triade des Nicht-Scheiterns hat gefälligst immer der Staat zu tragen.
Wir alle scheitern in unserem Leben, im Privaten wie beruflich. Wir scheitern an unserer Unreife, an unseren unerlösten Neurosen, schlichtweg an unserer eigenen Blödheit. Das macht uns menschlich, macht uns zu - im Blochschen Sinn - Werdenden. Entscheidend waren nicht unsere Siege, sondern wie wir Niederlagen - im Wortsinn - verkraften. Hinfallen können und wissen, warum es wehtut, heißt, auch wieder aufstehen zu können. Auf echten, das heißt eingestandenen Niederlagen kann Klarheit, Reife und wahrer Erfolg wachsen. Auf Lebenslügen gedeiht nur große Peinlichkeit.
Schöner Scheitern: Das ist der Kern aller wahren Lebenskunst. Scheitern ist das innenweltliche Analogon zum Popperschen"Recht auf Abwahl", das den Kern jeder Demokratie markiert. Eine der ältesten Kunstformen beschreibt diese überzeitliche Weisheit:"Ilias" und"Odyssee" sind nichts anderes als groß angelegte Epen des Scheiterns. Shakespeare greift dieses zutiefst menschliche Thema wieder auf (wie auch alle großen Religionen): Schuld und Sühne, Katharsis und Wandlung. In der Fortsetzung dieses Gedanken hat der deutsche Bildungsroman (von"Wilhelm Meister" bis zum"Steppenwolf") immer wieder jene kostbare evolutionäre Dialektik von Scheitern und innerem Wachstum beschrieben.
Dieser Prozess von Reifung und Differenzierung ist der Zeitpfeil, auf dem Fortschritt, Veränderung erst möglich wird. Im Persönlichen wie in der Gesellschaft. Wer nicht scheitern kann, kann nicht lernen. Eine Gesellschaft ohne Scheitern hat somit keine Zukunft. Nur eine untote, idealisierte Vergangenheit, in der das Ausland schuld ist, die Franzosen, die Politiker, und die da oben sowieso.
Matthias Horx ist Leiter des Zukunftsinstitutes mit Sitz in Wien.

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