- Bernd Niquet:: Prechters Dow-Jones-unter-1.000-Punkte-These - Peter der Große, 20.09.2002, 17:31
Bernd Niquet:: Prechters Dow-Jones-unter-1.000-Punkte-These
-->Prechters Dow-Jones-unter-1.000-Punkte-These
Der DAX mit nach unten geknackter 3.000er Marke und der Dow mit unterschrittener 8.000er Marke. Was für ein Anlass, sich einmal dem wirklichen Pessimismus zu widmen, wie er uns beispielsweise aus Robert Prechters These von der deflationären Depression mit einem Dow Jones von unter 1.000 (!) Punkten entgegenspringt (Prechter, R., Conquer the Crash, Chichester 2002).
Prechter ist Elliottwellen-Theoretiker und kann daher, was sich uns anderen Menschen jedoch verbietet, die Komplexität der Welt auf zwei sehr einfache (und hier vielleicht etwas flapsig formulierte) Lehrsätze reduzieren:
1. What goes up must (sooner or later) come down.
2. Es geht immer drei Mal hoch und anschließend jeweils drei Mal wieder herunter.
Wir werden also nach Prechter, völlig klar, letztlich wieder da landen, wo wir vor Jahren und Jahrzehnten einmal begonnen haben. Doch schauen wir einmal auf den ökonomischen Sinn, mit dem Prechter seinen formalen Prognoserahmen füllt. Warum soll es dieses Mal so schlimm werden? Warum liegt der größte Teil des Kreuzigungs-Ganges noch vor uns?
Prechters Wirtschaftsbild ist monokausal und simpel. Seine theoretischen Hauptbestandteile lauten:
1."Major stock market declines lead directly (!) to depressions." (S. 18)
2."Inflation is an increase in the volume of money and credit relative to available goods" and"Deflation is a contraction in the volume of money and credit relative to available goods." (S. 87)
Damit ist der Rahmen gezimmert: Die Märkte sind gefallen - und werden auf Basis der Elliottwellen-Prognose noch viel weiter fallen - weshalb die Wirtschaft schrumpft, Kredite notleidend werden und Geld- und Kreditmenge gleichermaßen schrumpfen:"Total credit will contract, so bank deposits will contract, so the supply of money will contract, all with the same degree of laverage with which they were initially expanded." (S. 111)
Doch kann die Zentralbank nichts dagegen tun? Hier findet sich bei Prechter einerseits ökonomisches Kabarett, andererseits jedoch auch berechtigte Sorge: Denn wenn die Zentralbank jetzt die Geldmenge ausdehnt, dann führt das bei Prechter erstens dazu, dass die neuen Dollars (bei gleichbleibender Gütermenge) nur dadurch einen Wert erlangen, dass die bisher kursierenden Dollars an Wert verlieren. (S. 100) Das jedoch ist bestenfalls spaßig und zeigt, dass die Bindung von inflationären und deflationären Impulsen ausschließlich an die Geldmenge ökonomisch viel zu kurz greift. Andererseits kann die Zentralbank jedoch selbst keinen Kredit vergeben und nur bisher vorhandene Aktiva liquide machen. Doch tut sie das zu expansiv, so kann sie das Vertrauen in ihre Währung auch verspielen (S. 130).
Das sollte man durchaus ernst nehmen, doch um hieraus eine epochale Krise ableiten zu können, müsste es schon mit dem (ökonomischen) Teufel zugehen. Apriori auf einen derartigen Effekt zu setzen, hat sicherlich mehr damit zu tun, dass Elliottwellen-Paradigma auf"Teufel komm heraus" ökonomisch zu unterfüttern als das prognostizierte Szenario ökonomisch abzuleiten. Zudem Prechter sowieso stets am Rande des Zirkelschlusses herumturnt, nach welchem der Marktverfall erst aus einem"economic downturn", den er jedoch selbst verursacht hat, letztlich seine eigene Rechtfertigung bezieht.
Insgesamt also nicht viel Neues: Natürlich kann es tatsächlich so schlimm kommen, wie Prechter das jetzt prognostiziert. Doch dazu müssen in der Tat alle Ampeln gleichzeitig auf rot springen. Auch das kann natürlich passieren. Einen derartigen Unfall jedoch als"allgemeine" Theorie zu verkaufen, ist bestenfalls Scharlatanerie. Und nicht einmal eine gut gemachte.
Bernd Niquet, im September 2002
berndniquet@t-online.de

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