- Jurnalist (Lentas) stellte Fragen und hier Antworten: - André, 22.09.2002, 16:08
- Re: ungefragt nochn paar Antworten... - tas, 22.09.2002, 18:54
- Danke André (nochmal ;-) und natürlich herzlichen Dank taf für deine Sicht (owT) - Lentas, 22.09.2002, 19:43
- sorry sollte natürlich tas heissen (owT) - Lentas, 22.09.2002, 19:47
- Danke André (nochmal ;-) und natürlich herzlichen Dank taf für deine Sicht (owT) - Lentas, 22.09.2002, 19:43
- Re: ungefragt nochn paar Antworten... - tas, 22.09.2002, 18:54
Jurnalist (Lentas) stellte Fragen und hier Antworten:
-->Welche Rolle spielte der Glaube der Anleger beim Anstieg der Aktienmärkte in den 90-er Jahren?
Antwort:
Das Wort Glaube ist m.E. nicht der rechte Ausdruck, ist er doch die innere Berührung und Gewissheit für eine Kraft, die man nicht sieht (Paulus).
Aber Sie haben schon recht, es bestand eine wesentliche Annahme und Erwartungshaltung bei allen Anlegern, die in dem Maße wuchs, als an der Börse, insbesondere am Neuen Markt extreme Kursgewinne (Mobilcom, EMTV) erzielt wurden. Warum nicht daran teilnehmen, zumal alles: Geldzuflüsse an den Markt, Werbung (neue TV-Sendungen und Sender wie Bloomberg, n-tv, N24, Sat 1 und in den traditionellen Sendern dieses Thema aufnahmen), wirtschaftlicher Aufschwung, u.s.w. dafür sprachen. Die Erwartungshaltung („Glaube“) schnelle und müheloser Gewinne zu erzielen war deshalb nur zu gerechtfertigt und stieg mit den Kursen steil an: Die Hausse nährt die Hausse.
Wie konnte die riesige Spekulationsblase der letzten Jahre entstehen?
War es die Gier, die Hoffnung der Anleger auf schnellen Reichtum oder stecken geldpolitische Faktoren dahinter?
Antwort:
Diese Frage lässt sich, wie bei allen Prozesse im gesellschaftlichen Leben, leider nicht auf eindimensionale Faktoren zurückführen, sondern ist sehr vielgestaltig.
Sicherlich war der Faktor Gier oder hohe Gewinnerwartung anwesend, dies aber auch - wie oben beschrieben - zurecht. Hinzu kamen vor allem die hohen angesammelten Geldvermögen auf Seiten der privaten und institutionellen Anleger hinzu, die nur noch auf die am meisten „ver-sprechenden“ Marktsegmente gelenkt werden mussten. Der gesellschaftliche Wahn, in ein neues Wirtschaftszeitalter (new economy) eingetreten zu sein, wo Internet, Kommunikationsindustrie und Gentechnologie endlose Gewinne verhießen, wiewohl ein Blick in die Geschichte das Gegenteil offenbarte: Die Erfindung und der Aufbau der Eisenbahnen, der Automobilindustrie, des Radios brachten zwar das Durchsetzen der neuen Technologie, nicht jedoch nachhaltig bleibende oder gar wachsende Gewinne für die Erstinvestoren, sondern es kam zu jeweils eingreifenden Konsolidierungsprozessen, obwohl sich die neuen Techniken letztlich durchsetzten. Das Entstehen einer allgemeinen Spekulationsblase gründet somit stets auf einer allgemeinen, jeweils zeitbedingten gesellschaftlichen Illusion, die sich epidemieartig ausbreitet und immer wieder zu ihren Ursprüngen, d.h. in die Realität zurückgeführt wird.
Viele Menschen hoffen nun, dass sie ihre erlittenen Verluste ausbessern können. Sehen sie diese Hoffnung begründet?
Antwort:
Hoffnung ist bekanntlich diejenige Kraft, die den Menschen zuletzt verlässt. Und das ist gut so. Aber nur das Portfolio so zu behalten, wie es nun mal ist, dürfte eine ziemlich unintelligente Verhaltensweise sein. Es ist eine Irrlehre, dass die Märkte langfristig immer stiegen. Der Anstieg ist zwar eine durchaus lange Phase eines noch größeren Zyklus, der jedoch auch den Rückgang umfasst, wie die Jahreszeiten. Der intelligente Anleger kann und muß daher Ausschau halten, welche gesellschaftlichen Bereiche nicht einem Winter entgegengehen. Zu erwarten, dass einem dies der Bankberater oder gar das Fernsehen verrate ist gefehlt, diese wissen es - eingebunden ins tägliche Geschäft - mit Sicherheit erst im Endstadium, wenn es zu spät ist. Der kontraktive Zyklus wird sich - wenn auch keineswegs liniear, sondern mit kräftigen Markterholungen unterbrochen, von denen wir höchstwahrscheinlich noch vor Jahresende eine erwarten dürfen, noch über viele Jahre hinziehen. Als wichtigsten Rat würde ich nennen: Schulden - so irgend möglich - zu meiden, also auch unter keinen Umständen Anlagegeschäfte auf Kredit zu tätigen. Ein hohes Maß an liquiden Mitteln und erstklassigen Forderungen und bis zu 25% in Gold sowie erstklassigen Goldminen zu investieren. Die Kunst in dem seit Anfang 2000 (also keineswegs erst mit dem durch eine unaufrichtige Berichterstattung genannten 11. September 2001) begonnenen Abwärtszyklus wird sein, Vermögen zu erhalten, nicht weiter zu verlieren und gewiß nicht für die Masse der Investoren neue Vermögen zu schaffen. Letzteres geht für die Mehrzahl der institutionellen wie privaten Anleger nur in sekularen Haussezeiten.
Wiederholt sprechen Experten von einer drohenden Deflation. Was bedeutet Deflation und was hat die Psyche der Anleger und auch der Konsumenten damit zu tun?
Antwort:
Die Furcht vor einer Deflation, d.h. einem Sinken der Preise aller Güter, ist durchaus verständlich. (Der Begriff Deflation wird also NICHT an die Geldmenge geknüpft, sondern in der modernen Wirtschaftstheorie an die Preise).
Man sollte hier jedoch genauer hinsehen: Es fallen bereits die Preise derjenigen Güter, die nicht monopolartig bestimmt sind und die stark nachfragebeeinflusst sind. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin so sein. Gleichzeitig steigen jedoch Preise für hoheitlich regulierte Güter (Gebühren und Abgaben aller Art, wie Müllabfuhr, Wasser, etc.) sowie Nahrungsmittel und Energie. Der Saldo der Anstiege und Preisminderung kommt dann im Lebenshaltungskostenindex zum Ausdruck. Bei Größen um 1% und darunter darf mit Sicherheit eine kontraktive, d.h. real schrumpfende Wirtschaft angenommen werden.
Angesichts einer rückläufigen Wirtschaft und damit gefährdeter Arbeitsplätze wird die Lust auf Geldausgaben (Konsum) und Investitionen aller Art gebremst. Die Neigung der Banken und Sparkassen zur Vergabe von neuen, zusätzlichen Krediten, die durch das Basel II - Abkommen bereits reduziert ist, wird weiter gebremst, zumal ungewisser erscheint, ob sie ihr Geld wiedersehen werden.
Deshalb wird die durch die erlittenen Kurs- und Vermögensverluste bereits lädierte Psyche der privaten und institutionellen Anleger weiter belastet werden. Ein nachhaltiger Umschwung ist nicht in Sicht, zumal die öffentlichen Hände (Staat, Länder, Gemeinden) wegen der über Jahrzehnte reichenden verantwortungslosen Ausgaben = Verschwendungspolitik der Herren Politiker (Konservative wie Sozialisten) nicht in die Bresche springen können, selbst wenn sie wollten. Die Grenzen der Verschuldungsmöglichkeiten sind nämlich allenthalben bereits weitestgehend erreicht oder sogar bereits überschritten (France Telecom, Vivendi, Mobilcom etc.).
Wie schätzen sie persönlich die Entwicklung der nächsten Jahre ein?
Der seit Ende 1999 von absehbare Umschwung schreitet allmählich voran. Er geht allerdings in der Realwirtschaft viel langsamer als im Kopf antizipiert. Aber der untere Wendepunkt dieses Zyklus wird noch viele Jahre auf sich warten lassen. Eine einfache Überlegung lässt dies erkennen: Die Summe aller Schulden in einem Land entspricht der Summe aller Guthaben, das ist zwingend. Es gibt kein Netto-Geld seit es keine goldgedeckten Währungen mehr gibt. Wenn nun aufgrund der beschriebenen Faktoren die Verschuldungsmöglichkeit und Verschuldungsbereitschaft der Staaten, der Wirtschaft wie der Privaten gesunken ist und weiter sinken wird, werden zwangsläufig auch die Guthaben stagnieren und schrumpfen müssen. Der Anfang dazu ist weltweit bereits gemacht, wenngleich der Privatinvestor unmittelbar noch wenig davon mitbekommen hat. Zumindest indirekt ist er jedoch bereits betroffen: Immer mehr Anleihen und Kredite wurden und werden weltweit notleidend. Lebensversicherungen und Pensionsfonds können deshalb Leistungszusagen in der Höhe der vorangegangenen Jahre nicht mehr aufrechterhalten. Sogar ganze Staaten werden insolvent (Argentinien). Dieser Prozess der Forderungsvernichtung infolge Schuldnerinsolvenz ist noch weit von seinem Höhepunkt entfernt. Japan kämpft bereits seit über 10 Jahren mit einem deflationären Prozess und hat noch immer nicht den Wendepunkt erreicht. Jetzt kauft die japanische Notenbank in einem Akt der Verzweiflung bereits Aktien aus den Beständen der schwer angeschlagenen Banken auf und riskiert das eigene Good Standing. Auch in den USA und Europa befinden sich die Banken (neben den Versicherungen) in einer schweren Krise, deren Höhepunkt noch längst nicht erreicht ist. So manche Bank ist bereits überschuldet und weiß es noch nicht, bzw. die politische und gesellschaftliche Ã-ffentlichkeit will es nicht wahrnehmen, sic. Berliner Bankgesellschaft.
Und vor allem der amerikanische Konsument ist als Folge des Konsumbooms auf Pump mit einer Verschuldung der Wohnimmobilien bis unter den Schornstein hochgradig verschuldet, wodurch dem bereits angeschlagenen Kreditsystem auch von dieser Seite Gefahr droht.
Die unter Politikern beliebtere Bereinigungs-Alternative durch eine beschleunigte Inflation zur Entwertung der Schulden (und damit der Guthaben) zu gelangen wird sich angesichts des bereits in Gang gekommenen gegenteiligen Prozesses nur sehr schwer durchsetzen lassen und wird bis dato überdies durch zahlreiche institutionalisierte Bremsen (Maastricht-Kriterien, Zentralbankpolitik u.a.) verhindert.
Das alles ist jedoch kein Grund zum Pessimismus. Ent-täuschungen haben stets auch ihre guten Seiten, man wird nämlich der Täuschung und lange gehegter Illusionen ledig. Die Gesellschaft wird zwar in einem teilweise schmerzlichen Prozess zu solideren finanzwirtschaftlichen Grundsätzen zurückfinden, das wird ihr aber zum Vorteil gereichen und mehr Stabilität bringen, sofern dieser Gesundungsprozess vor allem von den noch immer voller Illusionen und in Unkenntnis befangenen Politikern endlich bejaht wird. Die Fortsetzung der falschen Finanz- und Wirtschaftspolitik in Richtung weitere Bevormundung und Regulierung durch den Staat und zu lasten künftiger Generationen und das Hinüberführen der Wirtschaft in eine Staatswirtschaft wird den bereits eingesetzten Prozess allenfalls verzögern, mit Sicherheit jedoch letztlich äußerst tiefgreifend verschärfen, sodass es am Ende zu sehr unerwünschten; d.h. chaotischen Verwerfungen kommen muss.
Aktien-Anlagen zum Hinlegen wird es erst dann wieder geben, wenn das Kurs/Gewinnverhältnis für das laufende und die kommenden Jahre im Einstelligen Bereich liegen und die nachhaltige (!) Dividendenrendite über der Rendite der Sparbücher in Nähe der Kapitalmarktrendite zu liegen kommen wird. Für risikofreudige Anleger wird es während der kommenden Jahre jedoch keine Langeweile, sondern zahlreiche Gelegenheiten geben sich an den Aktienmärkte nach beiden Seiten hin zu engagieren, immer in dem Bewusstsein: die große Trendwende nach oben steht noch lange aus und deshalb wird ein sehr konsequentes Risikomanagement vorgenommenwerden müssen.
A.

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