- Jurnalist (Lentas) stellte Fragen und hier Antworten: - André, 22.09.2002, 16:08
- Re: ungefragt nochn paar Antworten... - tas, 22.09.2002, 18:54
- Danke André (nochmal ;-) und natürlich herzlichen Dank taf für deine Sicht (owT) - Lentas, 22.09.2002, 19:43
- sorry sollte natürlich tas heissen (owT) - Lentas, 22.09.2002, 19:47
- Danke André (nochmal ;-) und natürlich herzlichen Dank taf für deine Sicht (owT) - Lentas, 22.09.2002, 19:43
- Re: ungefragt nochn paar Antworten... - tas, 22.09.2002, 18:54
Re: ungefragt nochn paar Antworten...
-->>Welche Rolle spielte der Glaube der Anleger beim Anstieg der Aktienmärkte in den 90-er Jahren?
und
>Wie konnte die riesige Spekulationsblase der letzten Jahre entstehen?
>War es die Gier, die Hoffnung der Anleger auf schnellen Reichtum oder stecken geldpolitische Faktoren dahinter?
Siehe hierzu"Jesse Livermoore, Reminiscence of a Stock Operator" - also im Gegensatz zur Medienmeinung kein einzigartiges Phänomen, sondern ein immer wiederkehrendes einfaches Muster, das unter Ausblendung des Wortes"RISIKO-Papiere" die HOFFNUNG auf schnellen Reichtum bei einer Vielzahl von noch eher unbedarften Anlegern plötzlich und am Ende einer längeren Haussephase ansteigen läßt. Erst auf die Hoffnung folgt dann ein"Glaube" - der darin besteht, daß eben nicht auf die eigenen Illusionen reingefallen ist und sich nun weigert, Konsequenzen in Form eines schnellen Ausstiegs zu ziehen. Trotz offensichtlichem Ende der Zeit der"Unendlichen Leichtigkeit des Geldanlegens" (treffender Buchtitel:-) Daß (diesmal) der Bund mit seinen Emissionen und die Massenmedien das Thema weit und reißerisch verbreiteten, wiederholt sich dabei ebenso zyklisch wie die folgende"Umschichtung" von Wertpapierbeständen (mit hohen Gewinnen) von erfahrenen hin zu unerfahrenen Anlegern - die sich damit den folgenden Verlust einhandeln. Das war schon in der Tulpenzwiebelhausse vor vielen Jahrhunderten in Holland das gleiche einfache Muster. Wer zu spät (und viel zu hoch) einsteigt, den bestraft das Leben.
Die Spekulationsblase war nicht soo riesig, wenn man Mittelwert-Momentum auf Jahresbasis vergleicht. Hinzu kam jedoch der Abschwung der Weltwirtschaft und die Veränderung bisher langfristig stabiler politischer und gesellschaftlicher Strukturen, das bekannte"Ende der Nachkriegszeit" und ihrer bisherigen Ordnung. dazu zeitweise ein Finanzminister, der das Wirtschaftsministerium zur Bedeutungslosigkeit degradiert und ein Verteidigungsminister, der schon ohne jede Feindeinwirkung vom Radl und danach direkt in den Pool fällt. Außerdem die"Gutmenschenbewegung" mit ihren vielen Lebens-Ängsten und politischen Illusionen. Insofern ist nur die Dauer der Baisse diesmal etwas länger als bisher gewohnt.
Die"New Economy" und die damit verbundenen völlig übertriebenen Illusionen stellen auch kein"neues" Phänomen dar - in regelmäßigen Abständen wiederholt sich in der Geschichte"etwas absolut völlig Neues" - was scheinbar die bisher geltenden Gesetze außer Kraft setzt. Beispiel: Dauerhaft schwankungsfreies hohes Wachstum in der New Economy". Nur die"alten Markt-Gesetze" wollen sich einfach nie dran halten - sodaß die Illusion schnell wieder zerplatzt. Total übertriebene Wachstums-Chancen mutieren schnell zur"Cash-Burning-Rate". Tücke der blanken Prozentrechnung: von 1 Cent Unternehmens-Gewinn auf deren 3 sind schwer beeindruckende 200 % Ertragswachstum - wird die See rauher, ist nicht nur der ganze Kleckerbetrag schnell weg, sondern es entstehen unbegrenzte Verluste. Und die vielen schönen BioTec-Ideen hatten auch einen dummen Nachteil: der menschliche Körper will einfach nicht so schön mitmachen, wie man sich das gedacht hatte...
>Viele Menschen hoffen nun, dass sie ihre erlittenen Verluste ausbessern können. Sehen sie diese Hoffnung begründet?
Was die (angeblich)"Neuen Märkte" angeht - niemals. Und im konventionellen Bereich nur sehr sehr langsam. Die Verluste sind ja oft NICHT erlitten - sondern (angeblich) nur (!) Buchverluste. Ein Fehler nährt den nächsten. Wer nicht rechtzeitig verkauft oder schlicht und einfach abgesichert (!) hat, entwickelt eine gewisse"momentumbedingte Gewöhnung" an den katastrophalen Zustand des eigenen Depots. Dazu kommt, daß das Realisieren von Verlusten mit fallendem Kurs immer schmerzhafter wird - und am Ende in die Gefahr führt, doch zum Ende der Baisse entnervt auszusteigen. Damit wäre das"klassische Muster" des"immer Falsch-liegens" dann vollends erfüllt. Rational ist dies bekannt und überall nachzulesen - emotional ist es jedoch für viele sehr schwer zu vermeiden. Also jenseits der gängigen"Massenmeinung" selbst antizyklisch zu handeln. Oder Verluste konsequent zu vermeiden, statt aussitzenderweise auf"Entschädigung vom Markt" zu hoffen und zu warten...
Grundsätzlich steigen Aktienmärkte schon langfristig - aber eben zeitlich bei weitem nicht"immer". Das Timing ist das entscheidende - und hier liegt die weniger erfahrene Gruppe immer falsch. Die meisten Märkte laufen langfristig eher viel zeit seitwärts, nur wer die vergleichsweise kurzen Abschnitte der starken Auf- und Abwärtsbewegungen nutzt, kann überdurchschnittlich verdienen. Wer seine Informationen aus der"öffentlichen Meinung" bezieht, läuft immer den Trends hinterher und geht zum falschesten Zeitpunkt in oder aus dem verkehrten Markt. Und sitzt am Tief bestenfalls auf Aktien statt Cash - oder geht schlimmstenfalls erstmal nach Hause, um am nächsten Hoch wieder einzusteigen.
"Die Hoffnung stirbt als letztes" - erfahrenen Investoren hegen jedoch keine oder weniger Hoffnungen. In dem Sinn fehlt den Aktienmärkten immernoch der"öffentliche Pessimismus" - oder ein Sell-Off mit hohen Umsätzen. Zwar muß dieser nicht zwangsläufig oder sofort kommen, eine längere Bearmarket-Rally könnte der Hoffnung sogar weitere Nahrung geben. Letztendlich gilt aber, je stärker der Kursverfall, desto kräftiger, sicherer und länger die darauf folgende Erholung. Oder vice versa: Je mehr der markt stabilisiert wird, desto mehr verringert dies die Chancen auf einen stärkeren Wieder-Anstieg. Da Kurse nicht vom Warten und Hoffen (auf ramponierten Depots) ansteigen, sondern nur durch agressive Käufe (aus realen Cashbeständen).
>Wiederholt sprechen Experten von einer drohenden Deflation. Was bedeutet Deflation und was hat die Psyche der Anleger und auch der Konsumenten damit zu tun?
Wenn man die jahrelangen Preisverfälle vieler Güter, Dienstleistungen und Rohstoffe betrachtet, ist Deflation längst vorhanden. Mieten, Telekom, vor allem aber die Lebensmittelpreise - beim Vergleich zu der Zahl von Arbeitsminuten, die pro kg Fleisch o.ä. erbracht werden muß. Egal auch ob Waschmaschine oder PC, aus einer"ersparten (!) Anschaffung für viele Jahre" sind Mitnahme-Artikel im Supermarkt geworden, selbst gewisse"Pkw" wurden schon an der Käsetheke angeboten, was später die Gerichte beschäftigte:-)
Durch"Sondereffekte" von Ã-kosteuer über Euro-Einführung bis zur Verteuerung von Energie durch Kriegsängste (ebenso Grains, Kaffe, Kakao, Zucker) gibt sich die deflationäre Tendenz eher"verschleiert".
In jedem Fall macht in einer Deflationären Zeit das"Abwarten" mehr Sinn als das Kaufen - jeder hat wohl selbst schon erlebt, daß Mode oder Farbfernseher 3 Monate nach dem Kauf noch viel billiger verramscht wurde. Preissenkungen und Rabatte wirken (unbewußt) sogar kaufbremsend - schließlich ist zu vermuten, daß demnächst alles noch etwas billiger zu haben sein wird. Die Konsumneigung läßt also nach, was wiederum zu hoffnungsfrohen neuen Lock-Angeboten führt und die Spirale ingang hält. Günstige Kreditkonditionen sollen den Umsatz ankurbeln, verschieben das Problem aber nur in die direkte Zukunft durch vorgezogenen Käufe auf Kredit. Der Preiskampf führt zu wirtschaftlich recht sinnlosen Aktivitäten - wie den Flugtickets für 7 (!!!) Euro - wer sich traut, kann aber seinen Spaß jetzt sehr billig haben. Nur - viele trauen sich dann eben grade nicht... z.B. den verlorenen"Restwert" eines hoffnungslosen Neuen-Markt-Engagements fröhlich zu verjubeln. Hoffnung und Angst gehen scheints oft Hand in Hand... ebenso aber Realismus und Optimismus.
Parallel dazu entdeckt der Finanzminister noch, wie man ein altes Sprichwort konterkarieren kann und startet Versuche unter dem Motto"Spare in der Not":-)
>Wie schätzen sie persönlich die Entwicklung der nächsten Jahre ein?
Die etwa 1990 begonnene Entwicklung der Auflösung der direkt nach dem Krieg entstandenen lange stabilen Strukturen hin zu einer noch nicht klar definierten Neu-Ordnung der"Weltverhältnisse" wird weiter für Spannungen und Turbulenzen sorgen - verstärkt zwischen"Alter" und"Neuer Welt". Europa hat mit den Problemen der jahrelang etablierten eigenen Ungleichgewichte reichlich zu tun und scheint die schwächeren Karten zu haben. Hinzu kommt die starre überbordende Eurobürokratie und die"depressive Verstimmung" und Angst vor Veränderungen, eine"natürliche Lähmung" durch Staatsschulden und hohen Bedarf für Osteuropa und eine schwache interessengruppendominierte Politik.
Besonders Deutschland wird sich schwertun. Der deutsche Anleger mit den Folgen des schwachsinnigen"Salto Mortale vom Bundesschatz- oder Pfandbrief direkt in den NEMAX" unter Auslassung des normalen Erfahrungswachstums. Der deutsche Bürger allgemein mit dem Ende des"verantwortungslosen Kindergartendaseins" unter alliierter Oberaufsicht. Hatte man sich doch so schön daran gewöhnt, über Jahrzehnte hauptsächlich mit dem"deutschen Problem", der eigenen Befindlichkeit und den Segnungen des Wirtschaftswunders beschäftigt sein zu dürfen - und nun plötzlich die Konfrontation mit der seit Urzeiten so unfriedlichen Realität des übrigen Weltgeschehens. Und eigene Verantwortung, gar eigene Beteiligung an diesem Weltgeschehen wird offenbar auch noch erwartet. Und die"deutsche Vergangenheit" kommt auch noch dazu und wieder hoch: Wie war das nochmal - wir waren immer die Bösen, die anderen die Guten - und heute sind wir die Guten und alle anderen planen nur Böses? Alle wollen die Macht, bloß wir nicht? Und alle spielen mit bösartigem Zeug herum, daß Deutschland selbst mal erfunden hat. Da heißt es aber, die Zipfelmütze tief über Augen und Ohren ziehen für den neuen deutschen Michel 2000...
Also sehr bedrohlich und grauslich:-) und deshalb alles eher zäh und langsam - auch mit den Aktienkursen. Wer nach"dauerhaften Sicherheiten" sucht, wird sich schwer mühen müssen - wer antizyklisch seinen Spaß haben will, findet trotzdem und erst recht reichlich Möglichkeiten...

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