- Die Nachteile der Hartzvorschläge - Aldibroker, 26.09.2002, 15:03
- Ein Plädoyer für Hartz - Aldibroker, 26.09.2002, 15:06
- woher stammt der Text? Neues Deutschland, TAZ, Vorwärts? mT - Baldur der Ketzer, 26.09.2002, 20:10
Die Nachteile der Hartzvorschläge
-->Die Nachteile der Hartz-Kommission
13.08.2002 Ulla Lötzer zu den Vorschlägen der Hartz-Kommission:
Über 800.000 Arbeitslose in NRW, bundesweit mehr als 4 Millionen machen deutlich: Ein Politikwechsel ist längst überfällig. Schröder sagt, er habe sein Versprechen wegen der Krise der Weltwirtschaft nicht einhalten können. Diese Abhängigkeit ist aber das Ergebnis einer Wirtschaftspolitik, die nur auf Standortkonkurrenz und Steigerung der Exporte setzt, statt die Binnenmarktnachfrage zu steigern.
Der internationale Vergleich der Beschäftigungsquoten zeigt: Deutschland lag 1999 mit 60,5% unter dem Durchschnitt der Industrieländer von 66,5%, Dänemark mit 75,8% an der Spitze. Im Unterschied zu Deutschland wurden in Dänemark die öffentliche Daseinsvorsorge und lokale Dienstleistungen ausgebaut und in Forschung und Bildung investiert. Dafür aber fehlt in Deutschland das Geld: Weil erst 16 Jahre lang CDU/FDP, dann vier Jahre Rot-Grün die Steuern der Vermögenden und Konzerne gesenkt haben. Das Versprechen, damit würden Arbeitsplätze geschaffen, ist nicht aufgegangen, im Gegenteil. Die Konzerngewinne wurden erhöht, die Körperschaftsteuer wurde von einer Einnahmequelle zur Subvention. Gleichzeitig bauen alle Konzerne in großem Umfang Stellen ab.
Das Deutsche Institut für Urbanistik errechnete einen kommunalen Investitionsbedarf von rund 475 Mrd. Euro für die alten Bundesländer, 211 Mrd. Euro für die neuen. Investitionsbedarf vor allem in den Bereichen Wasserversorgung, Kanalisation, Kläranlagen, Straßennetz, Krankenhäuser, Schulen und kommunale Verwaltungsgebäude.
Doch für solche Zukunftsinvestitionen fehlt jetzt das Geld.
Neuerdings sagt Schröder: „Wir brauchen eine Unternehmenskultur ohne Raffgier“. Warum hat er dann in vier Jahren keine Regelungen geschaffen, Unternehmen wieder in die soziale Verantwortung einzubinden? Stattdessen hat auch er z.B. bei der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes Mitbestimmungsrechte bei Beschäftigungssicherung, Qualifizierung und in wirtschaftlichen Angelegenheiten verweigert.
Hartz ohne Herz
Mit den Vorschlägen der Hartz-Kommission soll nun der Umschwung kommen.
Zwar sind aufgrund der öffentlichen Diskussion, insbesondere den Auseinandersetzungen von Gewerkschaften und auch der PDS Vorschläge für neue Arbeitsplätze jetzt aufgenommen worden.
Doch entscheidende Schritte fehlen. Statt Staatsanleihen mit Steueranreizen und Straffreiheit für Steuersünder zu finanzieren, müssen Gesetze zur Besteuerung nach Leistungsfähigkeit her, um Mittel für kommunale Infrastruktur, Bildung, soziale und ökologische Dienstleistungen und Forschung in allen Kommunen bereitzustellen und damit auch für sozial und gewerkschaftlich geschützte Arbeitsplätze.
1980 haben Unternehmen noch 700.000 Ausbildungsplätze angeboten, heute gerade noch 500.000. Statt über eine Umlage der Haushalte für Ausbildungsplätze zu diskutieren, muss endlich die Umlage für Unternehmen her, die Ausbildung verweigern.
Beschäftigte sollen sich bereits beim Arbeitsamt melden, wenn sie erfahren, dass sie arbeitslos werden, noch während des Kündigungsschutzes.
Notwendig wären Maßnahmen, die Beschäftigung in großen Unternehmen erhalten. Die PDS hat dazu einen Antrag in Anknüpfung an ein französisches Gesetz vorgelegt: Unternehmen müssen bei der Meldung von Massenentlassungen an die Arbeitsämter die aktuelle oder zukünftige wirtschaftliche Notlage nachweisen, die sie zu Entlassungen zwingt. Betriebsräte erhalten demgegenüber ein echtes Mitbestimmungsrecht bei Beschäftigungssicherung und Qualifizierung und regional werden runde Tische eingesetzt, die einen Maßnahmeplan für Beschäftigung erarbeiten, z.B. mit Auffanggesellschaften und Qualifizierungsmaßnahmen. Unternehmen ab 500 Beschäftigten müssen sich an den Kosten und der Umsetzung davon beteiligen.
Soziale Verantwortung der Unternehmen und Vermögende wird im Hartz-Konzept durch Anreize und Vergünstigungen ersetzt. Mit Arbeitslosen geht man da ganz anders um.
Zwar wurden pauschale Leistungskürzungen noch einmal befristet verhindert, doch eins ist sicher: Der Zwang, Arbeit zu jeder Bedingung anzunehmen, wird verstärkt, durch den Ausbau individueller Sanktionen und der Leiharbeit.
Kürzlich warnte die TUAC, das gewerkschaftliche Beratungsgremium bei der OECD vor der Ausweitung von Zeitarbeit: Die Einkommen bei Zeitarbeit in Deutschland liegen 17% unter dem Durchschnitt. Die Zugänge zu sozialen Sicherungssystemen und beruflicher Fortbildung sind eingeschränkt.
Kündigungsschutz gibt es nicht. Soziale Demokratie im Betrieb wird ausgehöhlt, weil sie der Mitbestimmung nicht unterliegen.
Der Gewerkschaftsvorsitzende von ver.di, Frank Bsirske berichtete bei der Erstvorlage der Hartz-Vorschläge ein Beispiel zur Wirkungsweise von Leiharbeit: Ein fränkischer Betriebe habe 120 Hilfskräfte entlassen und ihnen mitgeteilt, sie könnten sich bei einer Leiharbeitsfirma wieder anstellen und dann auch wieder im Betrieb arbeiten. Natürlich für weniger Geld. Der Tausch von sozial geschützten in ungeschützte Arbeitsverhältnisse wird so forciert.
Viele Konzerne, auch in NRW, bereiten bereits den weiteren Stellenabbau sozial geschützter Arbeitsverhältnisse vor, um sie durch Leiharbeit zu ersetzen.
Das ist nicht nur bitter für die Betroffenen, es wird auch keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Auch ein vorgesehener Tarifvertrag für Leiharbeit ändert nichts daran, dass sie Beschäftigte zweiter Klasse bleiben.
Die „Ich-AG“ mit der Arbeitslose, die sich selbstständig machen, bis zu 25.000 Euro verdienen und nur 10% Steuern dafür zahlen müssen, ist ein zweiter Bestandteil davon. Hier wird die Entwicklung eines informellen Sektors forciert, der weltweit, insbesondere in den Entwicklungsländern, bereits Triumphe feiert. Aus der sozialen Sicherung sind sie ausgeschlossen. Handwerker werden sich in Zukunft 3mal überlegen, ob sie jemand fest anstellen, oder nicht lieber die billigere „Ich-AG“ beschäftigen bzw. beauftragen. Auch das ist ein weiterer Baustein zur Umwandlung sozial geschützter in ungeschützte Beschäftigung.
Alternativ dazu treten wir schon lange für eine Wertschöpfungsabgabe ein, um kleine und mittlere Unternehmen von Lohnnebenkosten zu entlasten und große Betriebe, die kapital- statt arbeitsintensiv arbeiten, entsprechend ihrer Wertschöpfung in die Kosten der sozialen Sicherung einzubeziehen.
Dritter Baustein ist die Ausweitung prekärer Niedriglohnjobs, wenn auch erst mal nur für den Haushalt. Das wird die Armut und Altersarmut insbesondere von Frauen weiter verschärfen. Stattdessen treten wir für Dienstleistungsagenturen mit sozial und tariflich geschützten Arbeitsverhältnissen in diesem Bereich ein.
Erfahrungen mit dem Zwang zur Arbeit - Job-Center Köln
Das Modell des Kölner Job-Centers soll nach Hartz bundesweit eingeführt werden. In diesem MoZart-geförderten Kooperationsprojekt von Arbeits- und städtischem Sozialamt wurden von April 2001 bis Januar 2002"insgesamt knapp 7.300 Hilfebezieher betreut, also fast die Hälfte der rund 15.000 KölnerInnen und Kölner, die Sozialhilfe aufgrund von Arbeitslosigkeit beziehen. Etwa ein Drittel der Betreuten (2340) konnte aus der Hilfe entlassen werden Wiederum fast die Hälfte der abgeschlossenen Fälle mündeten in Arbeit ein, 690 in den ersten Arbeitsmarkt, 360 in den zweiten," so die offizielle Erfolgsbilanz der Gemeinschaftseinrichtung von Arbeits- und Sozialamt.
"Heute reden wir erst über Arbeit und dann über Geld," fasst der Kölner Arbeitsamtsdirektor die Arbeitsweise zusammen. Sein Pressesprecher wird deutlicher:"Staatlich subventionierte Bettelei ist nicht erwünscht," und redet von Sozialhilfe als dem 'süßen Gift der Subvention'
Ergebnis dieser Philosophie ist, dass 1200 der 7.300 dort Betreuten weder Arbeit noch Sozialhilfe bekommen haben, was erst eine Anfrage der PDS im Rat der Stadt an den Tag brachte.
In der Statistik heißt das 'Aktivierung von Selbsthilfepotentialen', oder in 550 Fällen 'fehlende Mitwirkung', was bedeutet, dass Termine versäumt oder Unterlagen nicht beigebracht wurden. Was aus den Menschen geworden ist, interessiert Stadt und Arbeitsamt wenig, denn sie belasten weder Statistik noch Sozialhilfeetat."Haben sie eine Stelle gefunden oder driften sie ab in Kriminalität, Prostitution oder Schwarzarbeit?" fragte eine besorgte Kölner Sozialarbeiterin in der Frankfurter Rundschau vom 7. August.
Es wird Druck auf die Arbeitslosen ausgeübt, irgendeine Arbeit anzunehmen, aber nicht darauf geachtet, ob die Stelle Existenz sichernd ist und eine längerfristige Perspektive bietet, kritisiert dort FR der Verein 'Frauen gegen Erwerbslosigkeit'.
Kölner Arbeitslose demonstrierten am 25. März vor dem Job-Center, schließlich waren dort in einzelnen Fällen Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld oder der Sozialhilfe verhängt worden, weil Arbeitslose Arbeitsangebote von Zeitarbeitsfirmen mit Stundenlöhnen von 5 bis 6 € 50 ablehnten.
Das Job-Center Köln macht deutlich, wie auch ohne pauschale Leistungskürzungen effektiv über individuelle Sanktionen Druck zur Arbeit um jeden Preis effektiv organisiert werden kann. Zwar werden dort ebenfalls Verbesserungen im Fallmanagement und der Betreuung der Arbeitssuchenden realisiert, wie sie auch die Hartz-Kommission vorschlägt, im Kern der Sache geht es jedoch darum, Arbeitssuchende durch Aufkündigung jeglicher sozialstaatlicher Existenzsicherung in neue Niedriglohnbereiche zu zwingen.
CDU und FDP als Treiber
Ihnen gehen die Maßnahmen noch nicht weit genug.
Mit großem Getöse hat die CDU ihr Programm 'Aufschwung für Arbeit' als Alternative zu Schröders Politik angekündigt. Mit dem Ausbau von Leiharbeit ohne jeden Schutz, Förderung der Scheinselbstständigkeit, Wiederherstellung der prekären Beschäftigung und massiven Fördermaßnahmen für einen Niedriglohnsektor, Abbau von Mitbestimmungsrechten und Kündigungsschutz verschärfen Stoiber und Späth noch die unsoziale Politik.
Die CDU ist der SPD einen Schritt voraus auf dem Weg zu Arbeit um jeden Preis. Sie vernichten erst recht sozial geschützte Arbeitsplätze durch Ungeschützte. Insbesondere die Tarifautonomie ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie wollen sie weitgehend aushöhlen und zerstören damit soziale Demokratie. Stoiber, und Späth unterstützt von Westerwelle und Brüderle knüpfen nahtlos an die Politik an, für die Kohl 1998 abgewählt worden ist.
Deren Umsetzung ruiniert auch die Binnennachfrage erst recht und wird mehr Arbeitslosigkeit schaffen.
Kaum mehr als ein leeres Wahlversprechen der CDU ist hingegen ihre einzige richtige Forderung nach mehr öffentlichen Investitionen. Nur: mit ihren Steuersenkungsplänen für Unternehmen ist diese Forderung unrealisierbar.
Eine Alternative für sozial geschützte Arbeitsplatze
Existenzsichernde und zukunftsfähige Arbeitsplätze sind Mindestvoraussetzung für soziale Gerechtigkeit und soziale Demokratie.
Einige Schwerpunkte unseres Beschäftigungsprogramms für 1,3 Mio. Arbeitsplätze bis 2006 sind:
- Ein kommunales Infrastrukturprogramm (ca. 100.000) und öffentliche Investitionen für den sozial-ökologischen Umbau bei Energie, Verkehr und für eine ökologische Agrarwende (ca. 140.000);
- eine Bildungsoffensive für Kinderbetreuung, Schule, Hochschulen und Weiterbildung (ca. 200.000) und öffentlich geförderte Beschäftigung insbesondere im Bereich sozialer und kultureller Dienstleistungen (ca. 100.000 Stellen);
- Überstundenabbau (ca. 300.000)
Zur Finanzierung werden 8 Mrd. Euro benötigt, die vor allem durch gerechte Besteuerung von Vermögen und ertragsstarken Unternehmen aufgebracht werden sollen.
Unternehmen müssen wieder in die soziale Verantwortung eingebunden werden:
- Betriebsräte sollen Mitbestimmungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten, Beschäftigungssicherung und Qualifizierung erhalten.
- Umlagefinanzierung zur Sicherung betrieblicher Ausbildungsplätze

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