- Die Zahl der Immobilien-Klubs in den USA nimmt dramatisch zu - Philipp Steinhauer, 03.10.2002, 17:28
Die Zahl der Immobilien-Klubs in den USA nimmt dramatisch zu
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Der Traum vom eigenen Haus
KATHARINA KORT
Was im Amerika der neunziger Jahre die Aktionärsklubs waren, sind heute die Immobilienklubs. Hier treffen sich Privatanleger, die ihr Geld in handfeste Anlagen investieren wollen. Die Spekulationen über eine Immobilienblase kann sie nicht schrecken. Denn noch zeigt sich der Markt erstaunlich robust.
HANDELSBLATT, 2.10.2002
NEW YORK. „Was haltet Ihr vom New Yorker Immobilien-Markt?“, ruft Wesley Barney in die Runde. „Zu teuer“, kommt gleichzeitig aus vielen Mündern die Antwort. „Ist es ein Markt für Verkäufer oder Käufer?“ - „Für Käufer“, ruft das Publikum zurück.
Fast hundert Menschen sind an diesem Donnerstag zu dem Treffen des „Ultimate Investors“ Immobilien-Klubs in den Konferenzraum in der 16. Etage eines Bürogebäudes auf der Siebten Avenue in Manhattan gekommen. Auf den bordeaux-roten Stühlen sitzen Frauen im Kostüm und im Bali-Rock mit Holzperlenkette, Männer im Business-Look und in Jeans mit Rasta-Haaren. Sie alle sind mit einem Ziel hier: Sie wollen Geld verdienen auf dem heißen Immobilienmarkt. Viele von ihnen haben an der Börse viel Geld verloren und sehen nun in Häusern eine handfeste Anlagemöglichkeit - trotz der Spekulationen über eine Immobilienblase.
Drei Viertel von ihnen sind zum ersten Mal da. Sie lauschen gespannt dem energischen Klub-Vorsitzenden Barney in seinem blauen Hemd mit dezenter beige-roter Krawatte, der sie auf den nächsten Gastredner einstimmt. Das Thema heute Abend: „Es gibt noch Chancen auf dem Immobilienmarkt - nur nicht in New York City.“
Die „Real Estate Clubs“ haben die Aktionärsklubs der neunziger Jahre abgelöst. Noch vor wenigen Jahren - während des Börsenbooms - taten sich Hausfrauen, Rentner oder Studenten zusammen, um gemeinsam in den Aktienmarkt zu investieren. Heute treffen sich die Privatanleger in den Immobilienklubs, um dort den Markt zu erforschen oder auch, um gemeinsam zu investieren.
Von New York bis Los Angeles wächst die Zahl der immobilien-interessierten Menschen, die sich in Klubs zusammentun. Nach Schätzungen der National Real Estate Investors Association, einer Vereinigung, die Dienstleistungen für die Klubs anbietet, gibt es landesweit mittlerweile 600 Immobilienklubs - fast doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren.
Trotz der Sorgen die hohen Immobilienpreise - viele Experten sprechen schon von einer Spekulationsblase - ist der US-Immobilienmarkt bisher erstaunlich robust geblieben. Der Häuserverkauf in den USA lässt zwar langsam nach. Die Zahl der Verkäufe bestehender Immobilien fiel im August um 1,7 Prozent auf einen auf das Jahr hochgerechneten Wert von 5,28 Millionen Einheiten. Aber die Zahl der Neukäufe stieg im August erneut um 1,9 Prozent und erreichte auf das Jahr hochgerechnet einen neuen Rekordwert von 996 000 Einheiten. Grund sind vor allem die niedrigen Zinsen für Hypotheken-Kredite: Sie sind in der vergangenen Woche auf weniger als sechs Prozent gefallen - der niedrigste Stand seit den Sechziger Jahren. Das kann auch einen hohen Preis für ein Haus wettmachen.
„Unser Hauptziel ist es, zu informieren“, erklärt Wesley Barney die Aufgabe seines Klubs, den der kahlrasierte Afro-Amerikaner vor 15 Jahren gegründet hat. Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder, um über Steuertricks und Strategien zu lernen. Auf gemeinsamen Ausflügen zu Gebäuden lernen sie außerdem, wie man ein Objekt richtig bewertet. Ein Newsletter über neue Angebote und ein Magazin sind ebenfalls im Paket inbegriffen.
Seine Anhänger schwören auf ihn: „Er ist der Mann, von dem ich alles gelernt habe“, sagt Isaac Perez über den Klub-Vorsitzenden. Der 36-Jährige im grünen Sweatshirt mit V-Kragen und blassblauen Hosen hat bereits mehrere Immobilien von der Veteranen-Verwaltung in Florida gekauft. „Dank Wesley habe ich meine Immobilienstrategie geändert“, lobt der junge, schlanke Mann mit kurzrasierten blonden Haaren und Ziegenbart seinen Meister.
„Statt zu kaufen, um lange daran festzuhalten, setzte ich jetzt mehr auf Kaufen und schnell Verkaufen“, sagt er. Vor allem die erfahrenen Gastredner hätten ihm geholfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Noch arbeitet er am Wochenende als Restaurant-Manager. „Aber ich hoffe, dass ich ab Januar den Job aufgeben und mich ganz auf Immobilien konzentrieren kann.“
Sein Erfolg soll nicht geheim bleiben: Vor versammelter Zuhörerschaft erzählt Perez von seiner jüngsten Reise nach Kansas, wo er vor zwei Wochen auf einer Auktion für 38 000 Dollar fünf Objekte ersteigert hat. Der Applaus des Publikums ist ihm sicher. Auch für Eileen und ihre Neuerwerbungen in Florida klatschen die Besucher. Wie in einer Selbsthilfe-Gruppe unterstützen sich die immobilienhungrigen gegenseitig. Sie tauschen Informationen aus über Geschäfte, die sie getätigt haben und über Objekte, die zum Kauf stehen. Ein Mitglied will seine Kollegen für eine Investition in der Bronx begeistern - ganz in der Nähe eines Krankenhauses. Andere geben praktische Tipps und erzählen etwa, wie sie die Probleme mit ihrem Hausverwalter gelöst haben, der die Mieten nicht schnell genug erhöht hat.
Der Gastredner Del Hargis von Real Source, einer Immobiliengruppe, die Einzelinvestoren bündelt, um gemeinsam größere Objekte zu kaufen, verspricht, wovon viele träumen: „Sie können es machen wie Donald Trump: Dort bauen, wo der Markt sich gerade entwickelt. Und dann wieder schnell raus und ab in den nächsten Markt.“ Möglichst innerhalb von 40 Tagen, damit das Ganze steuerfrei bleibt. Und den nächsten heißen Markt gibt es bestimmt, ist Hargis überzeugt - eben nur nicht in New York City.
Dass ihre Stadt zu teuer ist, davon ist auch Adriana Trado überzeugt. Die schlanke Frau mit den dunklen Krusselhaaren und den wachen Augen hat ihren Bruder und ihre vierjährige Tochter mitgebracht. Während des Börsenbooms hat sich die Mitarbeiterin einer Non-Profit-Organisation für Stadtkinder aus Brennpunkten auch als Day-Traderin mit High Tech-Aktien versucht. Aber jetzt will sie lieber auf solidere Anlagen setzen. Das hat ihr ihre Mutter schon lange geraten. Auch ihren Pensionsfonds würde sie gern in einen Immobilienfonds umwandeln und informiert sich daher über die Gebühren.
„Meinen Bruder habe ich mitgebracht, damit er auch etwas über den Markt lernt, und wir dann zusammen investieren können“, sagt Trado, deren Tochter schon auf ihrem Schoß eingeschlafen ist. Sie tauscht zwar gerne Informationen aus, aber große Investitionen will sie mit Fremden nicht tätigen.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 02. Oktober 2002, 06:02 Uhr

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