- CoBa - mit hohem Abschreibungsbedarf? - Popeye, 08.10.2002, 06:40
CoBa - mit hohem Abschreibungsbedarf?
-->Commerzbank bestreitet
Liquiditätsprobleme
Konzern-Chef Müller weist Gerüchte über
Finanzschwierigkeiten zurück / Höhere
Finanzierungskosten belasten / Aktie unter Druck
bf. FRANKFURT, 7. Oktober."Wir haben keine
Liquiditätsprobleme. Eine Kapitalerhöhung war und ist nicht
vorgesehen." Das hat Klaus-Peter Müller, der
Vorstandssprecher der Commerzbank, dieser Zeitung gesagt.
Ihm sei auch nicht bekannt, daß eine Bank eine Kreditlinie,
die sie der Commerzbank eingeräumt habe, in letzter Zeit
gekürzt habe, sagte Müller weiter. Das Geschäft mit
Kreditderivaten sei entgegen anders lautenden Behauptungen
profitabel. Der Commerzbank-Chef nahm damit zu
Börsenspekulationen Stellung, daß Deutschlands viertgrößte
Geschäftsbank finanziell angeschlagen sei.
Vor dem Hintergrund solcher Spekulationen haben die
Aktien der Commerzbank, aber auch vieler anderer
europäischer Finanzinstitute, am Montag wiederum hohe
Einbußen erlitten. Analysten kommentierten, angesichts der
anhaltenden Börsen- und Konjunkturflaute sei bei vielen
europäischen Finanzhäusern in diesem Jahr mit niedrigeren
Gewinnen, wenn nicht gar Verlusten zu rechnen. Die Aktie
der Commerzbank gab im Verlauf 8,4 Prozent ab; die
Papiere der Hypo-Vereinsbank (HVB) büßten 4,8 Prozent
ein, die der Deutschen Bank 5,2 Prozent.
Nach Angaben von Müller hat die Commerzbank gegenüber
der Bankenaufsicht"Bafin" in Bonn zu den Gerüchten
Stellung genommen und sie anhand von Zahlen als nicht
stichhaltig zurückgewiesen. Mit Hinweis auf die übliche
Diskretion wollte ein Bafin-Sprecher dazu keine Angaben
machen. Wie Müller weiter sagte, haben ihn die
Stellungnahmen von Paul Roy, dem Chef des
Investmentbanking von Merrill Lynch (ML),
zufriedengestellt. Roy hatte gesagt, daß ML weiterhin
normale Geschäftsbeziehungen zur Commerzbank unterhalte.
Am Wochenende hatte ein Commerzbank-Sprecher scharfe
Kritik an ML geübt, weil dieses Haus offenbar eine Quelle
von Gerüchten sei.
Zu der Verstimmung zwischen den beiden Häusern hat
neben einem vertraulichen E-Mail, das öffentlich wurde
(F.A.Z. vom 7. Oktober) auch die Studie eines
ML-Analysten beigetragen. In diesem Papier wurden die
deutschen Großbanken mit den krisengeschüttelten
japanischen Banken auf eine Stufe gestellt. Zur Begründung
heißt es unter anderem, daß deutsche Banken ähnlich wie
japanische eng mit Industrie-Unternehmen verflochten seien.
Weil Aktien stark an Wert verloren hätten, drohten den
deutschen Banken nun hohe Abschreibungen. Nach
überschlägiger Schätzung von ML-Analyst Stuart Graham ist
die sogenannte Neubewertungsrücklage der Deutschen Bank
von Ende 2001 bis Mitte September 2002 von 9,3 auf 2,3
Milliarden Euro abgeschmolzen, die der HVB von 6,9 auf 0,2
Milliarden Euro. Bei der Commerzbank betrage diese
Rücklage nach plus 180 Millionen Euro inzwischen minus 1,9
Milliarden Euro.
Müller räumte ein, daß der Kursrückgang der Beteiligungen
erheblichen Abschreibungsbedarf verursachen könnte -
wenn er sich als dauerhaft erwiese. Eine Zahl wollte Müller
nicht nennen. Als Reaktion auf diese Entwicklung werde
man die risikotragenden Aktiva in der Bilanz beschleunigt
abbauen, kündigte Müller an. Dabei gehe es aber nicht
darum, das Neugeschäft mit Krediten zurückzufahren. Eher
im Gegenteil wolle man das Kreditgeschäft noch ausweiten,
gleichzeitig aber vergleichsweise niedrig verzinsliche Kredite
"auslagern". Dabei wird zum Beispiel daran gedacht, Kredite
zu verbriefen und im Markt zu plazieren.
Zum Vergleich der deutschen mit den japanischen Banken
sind in Frankfurt unterschiedliche Meinungen zu hören.
Richtig sei, daß die deutschen Banken an einer ausgeprägten
Ertragsschwäche litten, heißt es. Denkbar sei, daß sie
deshalb ihre Kreditvergabe einschränkten - was die
wirtschaftliche Schwäche, ähnlich wie in Japan, noch
verschärfen könne. Allerdings ähnelten auch die Banken in
Amerika und Großbritannien zumindest in einem Aspekt
denen in Japan. Denn sie hätten über billige Hypotheken eine
"Immobilienblase" finanziert, deren Platzen für Banken und
Wirtschaft ähnlich schlimme Folgen haben könnte, wie sie
nun in Japan zu beobachten seien.
Müller kündigte an, daß die Commerzbank ihre Initiativen, die
Kosten zu senken und die Erträge zu steigern, weiter
intensivieren werde. Mit diesen Initiativen sei man bereits
vorangekommen. Beispielsweise habe man im
Kreditgeschäft höhere Margen durchgesetzt. Diese Erfolge
würden aber teilweise dadurch zunichte gemacht, daß die
Refinanzierungskosten aufgrund der verunsichernden
Gerüchte in letzter Zeit gestiegen seien. So habe sich der
Zinsaufschlag gegenüber Bundesanleihen bei zehnjährigen
Commerzbank-Verbindlichkeiten von ungefähr 60 auf rund
90 Basispunkte erhöht. Müller bekräftigte, daß der Konzern
die Kosten im kommenden Jahr um weitere 10 Prozent
drücken wolle. Einzelheiten dazu wollte er aber nicht nennen.
Spekulationen über ein Zusammengehen seines Hauses mit
der HVB wies er als"nicht zielführend" zurück. Derzeit gehe
es in beiden Häusern darum, die Ertragskraft zu stärken.
(Siehe Finanzmarkt Seite 23.)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2002, Nr. 233 / Seite 16

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