- supranationale regierung - orwell, 12.10.2002, 22:47
- Re: generell unsympathisch - Sterntaler, 13.10.2002, 19:42
supranationale regierung
-->www.nationeuropa.de
Welchen Einfluß hat die zionistische Lobby?
"Supranationale Regierung"
Von Hilmar Gerber
Um heute in den Verdacht des Antisemitismus zu geraten, bedarf es
nicht viel. Der bei den Grünen ausgeschiedene nordrhein-westfälische
Landtagsabgeordnete Jamal Karsli durfte kein FDP-Mitglied werden, weil
er Kritik an der israelischen Politik mit der Aussage verbunden hatte:
"Man muß zugestehen, daß der Einfluß der zionistischen Lobby auch
sehr groß ist. Sie hat den größten Teil der Medienmacht in der Welt
inne und kann jede auch noch so bedeutende Persönlichkeit,klein'
kriegen."
Die Angesprochenen reagierten empört und bestritten die Existenz jener
Lobby vehement. Karsli, so hieß es, habe die nationalsozialistische
Denkfigur der jüdischen Weltverschwörung neu belebt.
Die Vermutung überstaatlicher Einflüsse ist allerdings wesentlich älter
als das Dritte Reich und wird meist mit den"Protokollen der Weisen von
Zion" in Verbindung gebracht. Jenes angebliche Protokoll, Anfang des
letzten Jahrhunderts von Rußland aus in Umlauf gebracht, beschreibt
eine Tagung jüdischer Führer, auf der beschlossen worden sei, die
nationalstaatliche Ordnung zu zerstören und an ihrer Stelle eine
jüdische Weltherrschaft zu errichten. Zweifel an der Echtheit jenes
Papiers vermochten die bald hundertjährige Wirkung nicht gänzlich zu
brechen.
Möglicherweise aber ging es seinem oder seinen Verfasser(n) gar nicht
um Authentizität, sondern um die fiktionale Beschreibung einer
Entwicklung, vor der gewarnt werden sollte. Solche"Kunstgriffe" hat es
in der Literatur immer wieder gegeben. Brisanz können derartige Texte
nur entwickeln, wenn den Lesern die Frage nach der Echtheit
zweitrangig vorkommt und sie sich im Zweifelsfall sagen: Mag es auch
unwirklich sein, so ist es doch gut erfunden.
Man muß weder an die"Protokolle der Weisen von Zion" glauben, noch
ein Anhänger ähnlicher Weltverschwörungstheorien sein, um - wie der
Abgeordnete Karsli - die Einflüsse einer zionistischen Lobby zu
erkennen. Da gibt es zum Beispiel den Jüdischen Weltkongreß (WJC).
Sein Präsident ist der in Amerika ansässige Alkohol- und Medienmogul
Edgar Bronfman. Im FAZ-Magazin vom 6. 11. 1998 veröffentlichten die
Journalisten Jordan Mejias und Abe Frajndlich ein Porträt des
WJC-Präsidenten. Darin heißt es:
"Klopft Bronfman an, öffnet ihm praktisch jeder, Bill Clinton inbegriffen,
die Tür... Unter Bronfmans finanzkräftiger Ägide hat sich der WJC in
eine der gefürchtetsten und wirkungsvollsten jüdischen Organisationen
verwandelt... Den WJC begreift er als eine Art supranationale
Regierung, als diplomatischen Arm der Juden in der Diaspora,
gleichgültig, welcher politischen Couleur sie sind und welch religiöser
Richtung sie angehören."
Die beiden FAZ-Autoren, selber dem Judentum zugehörig und gewiß
keine Antisemiten, schildern den WJC als Dachverband von jüdischen
Organisationen aus 84 Ländern:
"Gemeinsam bilden sie eine mächtige Maschine im Dienste jüdischer
Interessen." Diese Maschine sei"weitaus mächtiger", als selbst"die
meisten Juden annehmen". Dies werde auch von dem - jüdischen -
Publizisten J. J. Goldberg in seinem Buch"Jewish Power"
(Addison-Wesley, New York, 1996) sachverständig beschrieben.
Die hier zitierte"Frankfurter Allgemeine Zeitung" kann es sich also
leisten, einerseits den Schriftsteller Martin Walser des Antisemitismus
zu zeihen, andererseits den Jüdischen Weltkongreß als"eine Art
supranationale Regierung" zu porträtieren. Letzteres geht über die
"Protokolle der Weisen von Zion" insofern hinaus, als daß die"jüdische
Weltherrschaft" nicht mehr als Ziel, sondern bereits als Sachverhalt
erscheint. Allerdings wurde in den"Protokollen" jene Weltherrschaft
einem"König aus dem Hause Zion" zugewiesen, nicht einem New Yorker
Schnapsfabrikanten. Wie dem auch sei, die Existenz einer weltweit
operierenden israelitischen Lobby ist keineswegs eine antisemitische
Erfindung.
Drohung gegen Duisenberg
Lobbys wollen in der Regel diskret wirken. Sie scheuen die öffentliche
Erörterung ihres Einflusses, weil sich dieser mit den Grundregeln
demokratischer Transparenz oft nicht vereinbaren läßt. Doch die Welt
besteht aus Widersprüchen. Mögen Lobbyisten auch die Dunkelheit
hinter den Kulissen bevorzugen, so schmeichelt es gleichwohl ihrer
Eitelkeit, öffentlich als machtvoll zu gelten. Deshalb liest man hin und
wieder aufschlußreiche Selbstdarstellungen. Zudem kann bei der
Interessensdurchsetzung ein gewisser Ruf nicht schaden.
Als kürzlich die Gattin von Wim Duisenberg wegen israel-kritischer
Äußerungen Ärger bekam, schaltete der Anwalt des jüdischen
Dachverbandes in den Niederlanden, Herman Loonstein, den Jüdischen
Weltkongreß in New York ein. Dieser hat - laut Loonstein -"genug
Einfluß", dafür zu sorgen, daß der Präsident der Europäischen
Zentralbank"das wichtigste Finanzzentrum der Welt" nicht mehr
betreten kann. Die Presse zitierte den drohenden Hinweis kühl und
sachlich wie eine Wasserstandsanzeige - was aber nicht bedeutet, daß
die gleichen Blätter in anderen Fällen darauf verzichten werden, Kritiker
besagter Machtverhältnisse als"antisemitische Spinner" anzuprangern.
Manchmal darf die Wahrheit gesagt werden, manchmal nicht. Es kommt
auf den Kontext und die jeweilige Opportunität an.
Dabei sind beträchtliche Ängste im Spiel. So beschrieb die in Jerusalem
lebende Schriftstellerin Cordelia Edvardson in der"Süddeutschen
Zeitung" (28. 6. 02), wie der israelische Kommunikationsminister Ruby
Rivlin mit massiver Intervention dafür sorgte, daß der amerikanische
Fernsehsender CNN seine Berichterstattung über den Nahost-Konflikt
zugunsten Israels änderte. CNN-Nachrichtenchef Eason Jordan wurde
höchstpersönlich nach Jerusalem beordert und mußte sich dort
öffentlich dafür entschuldigen, daß die Korrespondenten seines Senders
auch palästinensische Stimmen zitiert hatten. Der Schriftstellerin
Edvardson erschien das als Angriff auf die Pressefreiheit. Ihre Kritik
daran meinte sie aber mit der Anmerkung alibisieren zu müssen:
"Der Minister Ruby Rivlin wird nun vermutlich von seinen
Gesinnungsgenossen heftig beglückwünscht. Da sieht man, werden sie
sagen, was man mit Härte und Entschlossenheit erreichen kann.
Tatsächlich aber hat er den Propagandisten des Hasses geholfen, die
schon immer der Meinung waren, daß,die Juden die amerikanischen
Medien beherrschen'."
Das Zitat zeigt, wie verkrampft mit dem Phänomen des israelitischen
Lobbyismus umgegangen wird. Man schildert zwar hin und wieder seine
Wirkung, wagt dies aber nur, indem man sich gleichzeitig von denen
distanziert, die schon früher und womöglich deutlicher das Problem
angesprochen haben ("Propagandisten des Hasses"). So meint man,
selber dem Vorwurf des Antisemitismus entgehen zu können. Meist
vergeblich. Denn die kritisierte Lobby weiß natürlich, daß in jeder
Beschreibung ihrer Wirkung auch eine Bestätigung ihrer Existenz liegt.
Ethnische Spendenmaschine
Besonders einflußreich ist die zionistische Lobby in den USA. Wer im
mächtigsten Staat der Welt Zugriff auf die Schalthebel der Macht hat,
mag sich mit selbstbewußter Phantasie als"supranationale Regierung"
(FAZ) begreifen. Der Schweizer"Tages-Anzeiger" (22. 4. 02) berichtet:
"Das Engagement und die Finanzkraft der Israel-Lobby lösen in
Washington Bewunderung und Ehrfurcht, bisweilen aber auch Angst
aus." Der Schlüssel zum Erfolg liegt im großen Geld."Die Israel-Lobby ist
eine ethnische Spendenmaschine", schreibt das renommierte britische
Magazin"Prospect". Hunderte von amerikanischen Abgeordneten, lesen
wir, hängen am Finanztropf jener Lobby und vertreten deren Interessen
in Washington.
Israels langer Arm in den USA heißt seit 50 Jahren"American Israel
Public Affairs Committee" (Aipac). Seine rund 60 000 Mitglieder setzen
sich weitgehend aus dem Geldadel und wichtigen
Meinungsmultiplikatoren zusammen. Ihr offen propagiertes Ziel: die
US-Regierung auf eine uneingeschränkte Unterstützung Israels
einzuschwören. So ist Aipac dafür verantwortlich, daß der jüdische
Staat seit gut zwei Jahrzehnten jährlich drei Milliarden Dollar aus dem
US-Staatshaushalt zugewiesen erhält - als Geschenk. Außerdem sorgt
Washington im UN-Sicherheitsrat regelmäßig dafür, daß die israelische
Siedlungs- und Okkupationspolitik ohne Sanktionen fortgesetzt werden
kann.
Kein US-Präsident mag sich auf einen ernsthaften Zwist mit der
zionistischen Lobby einlassen."Gemessen an ihrem geringen
Bevölkerungsanteil von knapp drei Prozent spielen die 6,1 Millionen
jüdischen Amerikaner eine überproportional wichtige politische Rolle",
schreibt der schon zitierte"Tages-Anzeiger". William Quandt, Mitglied
des Nationalen Sicherheitsrates unter den Präsidenten Nixon und
Carter, sagt:"70 bis 80 Prozent aller Kongreßabgeordneten stimmen in
den für Israel relevanten Fragen nach den Anweisungen von Aipac."
130 hauptamtliche Aipac-Experten kontrollieren in Washington das
Abstimmungsverhalten der Abgeordneten und Senatoren. Unsichere
Kantonisten erhalten vor den Entscheidungen eine spezielle
"Behandlung", meist ein direktes Gespräch, bei dem mit Nachdruck auf
die Folgen eines unerwünschten Votums hingewiesen wird.
Ein typisches Beispiel für Leistung und Gegenleistung bietet der heutige
Senatsvorsitzende Tom Daschle. Als der Demokrat 1986 erstmals für
den Senat kandidierte, war seine Einstellung gegenüber Israel
indifferent. Aipac entschloß sich, Daschle zu"kultivieren", wie es im
Lobby-Jargon heißt. Jüdische Geldgeber finanzierten Daschles
Wahlkampagne, die rund zwei Millionen Dollar kostete. In den folgenden
Wahlkämpfen wiederholten sich die Zuwendungen, und Daschle
entwickelte sich zu einem zuverlässigen Vorkämpfer israelischer
Interessen. 1994 wurde er zum Fraktionschef der Demokraten gewählt -
"ein bemerkenswerter Karrieresprung für jemanden, der selbst erst acht
Jahre dem Senat angehörte", vermerkt das Biographische Archiv
Munzinger, die für Journalisten einschlägige Informationsquelle.
Und der Schweizer"Tages-Anzeiger" ist sich sicher:"Auf diese Weise
wurden in den letzten Jahrzehnten Hunderte von Abgeordneten beider
großen Parteien mit Spenden und intensivem Lobbying für die
Interessen Israels gewonnen."
Neben Aipac, das hauptsächlich die Parlamentarier bearbeitet, wirkt
noch eine zweite jüdische Großorganisation: die Conference of
Presidents of Major American Jewish Organizations. Es handelt sich um
die gemeinschaftliche Stimme der Präsidenten von 51 jüdischen
Verbänden. Das von Malcolm Hoenlein geleitete Gremium widmet sich
der Regierungsarbeit und hat in Washington direkten Zugang zu den
Ministerien. Ein hoher US-Diplomat bezeichnete Hoenlein als die
"einflußreichste Privatperson in der amerikanischen Außenpolitik". Dazu
zählt auch die Ämterbesetzung. Jüdische Spitzenpolitiker machten mit
Hoenleins Hilfe rasante Karriere, allen voran Vize-Verteidigungsminister
Paul Wolfowitz und Pentagon-Berater Richard Perle."Bush ist der beste
Freund, den Israel im Weißen Haus je hatte", meint denn auch Mortimer
Zimmermann, ein führendes Mitglied der amerikanischen Israel-Lobby.
Keine Objektivität
Was in den USA ein offenes Geheimnis ist, darf in Deutschland nur
hinter vorgehaltener Hand angesprochen werden. Als das
Nachrichtenmagazin"Focus" vor einiger Zeit die jüdischen
Funktionsträger in der Washingtoner Regierungsadministration
auflistete, protestierte der damalige Zentralratsvorsitzende der Juden in
Deutschland, Ignatz Bubis, lautstark und warf dem Blatt vor, es bediene
antisemitische Vorurteile. Tatsächlich ging es dem"Focus" nur um eine
sachliche Erklärung dafür, weshalb die amerikanische Nahost-Politik eine
Schlagseite zugunsten Israels aufweist.
Und die Situation in Deutschland? Evelyn Hecht-Galinski, die Tochter
von Heinz Galinski, dem Bubis-Vorgänger an der Spitze des Zentralrats
der Juden in Deutschland, schreibt in der"Süddeutschen Zeitung" (Nr.
141/02):"Solange sich der Zentralrat als diplomatische Vertretung
Israels aufführt, ist wohl jegliche Objektivität zu vermissen." Mit seiner
"Machtfülle" gelinge es dem Zentralrat,"jegliche Kritik an der
israelischen Politik als Rassismus oder Antisemitismus abzuschmettern".
Staatsräson?
Nachdem Jürgen Möllemann im Zusammenhang mit der"Affäre" Karsli
den Finger vorwitzigerweise auf die Wunde gelegt hatte, bekamen er
und seine Partei die von der Galinski-Tochter angesprochene Machtfülle
zu spüren. Auf ihrem jüngsten Bundesparteitag in Mannheim
verabschiedeten die verängstigten Liberalen ein Positionspapier, in dem
es heißt, die Freundschaft zu Israel gehöre ebenso wie das
transatlantische Bündnis zur"Staatsräson" der Bundesrepublik.
Die Idee der"Staatsräson" wurde zuerst von Niccolò Machiavelli in
dessen Schrift"Der Fürst" (1532) formuliert. Dazu die Erläuterung des
Duden-Bandes"Politik und Gesellschaft" (Mannheim, 2001):"Aus der
Idee der Staatsräson folgt, daß der Staat zur Wahrnehmung seiner
Interessen gegen allgemein gültige moralische und ethische Normen
verstoßen kann bzw. muß. Gerechtfertigt wird ein solches Vorgehen
dadurch, daß die Staatsräson eine den individuellen Interessen
übergeordnete Zielsetzung verfolgt, die die Grundlage des individuellen
Wohls bildet."
Tatsächlich wird die Staatsräson immer dann ins Feld geführt, wenn
den Herrschenden zur Sicherung ihrer Macht sonst nichts mehr einfällt.
Der von den Liberalen gewählte Bezug auf Israel deutet an, wie man die
Gewichte in der Weltpolitik einschätzt.
Offenheit schützt vor Fehleinschätzungen
Um kein Mißverständnis entstehen zu lassen: Lobbyismus ist nicht per
se etwas Verwerfliches. In einer pluralistischen Gesellschaft werben die
unterschiedlichen Gruppen für ihre jeweiligen Anliegen. Auch Staaten
und Religionsgemeinschaften sind im internationalen Maßstab um
Verständnis und Unterstützung bemüht. Den einen gelingt das besser,
den anderen schlechter. Den Einfluß einer deutschen Lobby
beispielsweise in Washington wird man vergeblich suchen. Gäbe es ihn
aber, wäre der Hinweis darauf gewiß kein Antigermanismus. Das
Publikum will nur gerne wissen, woran es ist. Geheimniskrämerei und
verdecktes Strippenziehen vertragen sich nicht mit dem demokratischen
Transparenzgebot. Die Dinge müssen beim Namen genannt werden.
Sachlich und nüchtern. Genau darin liegt die beste Gewähr gegen
pauschale Verdächtigungen, diffuse Verschwörungsängste - und
Antisemitismus.

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