- Das eigentliche Staatsproblem - meine Position zum Wochenende (relativ kurz) - dottore, 11.10.2002, 20:20
- Re: Das eigentliche Staatsproblem - mit Zirkelschluß - chiquito, 11.10.2002, 21:18
- Re: Das Staatsproblem ist ohne Zirkelschluß - André, 11.10.2002, 22:38
- Danke für Ihre Postings (owT) - susi, 11.10.2002, 22:17
- Leben vor und nach dem Termin gibt es nicht mehr, oder? - Tiffy, 12.10.2002, 00:27
- @Tiffy - silvereagle, 12.10.2002, 00:43
- Re: @Tiffy - Tiffy, 12.10.2002, 02:29
- PS - Tiffy, 12.10.2002, 02:44
- Message angekommen - silvereagle, 12.10.2002, 08:02
- Re: Message angekommen - Zardoz, 12.10.2002, 15:15
- welch harmloser Nick, welch komplexer Verstand - Saint-Just, 12.10.2002, 15:03
- Re: @Tiffy - Tiffy, 12.10.2002, 02:29
- @Tiffy - silvereagle, 12.10.2002, 00:43
- Platon: Der Zweck ist Anfang des Handelns. Dottore: Der Termin steht am Anfang. - Wal Buchenberg, 12.10.2002, 10:48
- Re: Platon: Der Zweck ist Anfang des Handelns. Dottore: Der Termin steht am Anfang. - Bob, 12.10.2002, 13:11
- Vorstehendes Posting bitte ignorieren (bzw. löschen) - hier lesen - Bob, 12.10.2002, 13:34
- Re: Platon: Der Zweck ist Anfang des Handelns. Dottore: Der Termin steht am Anfang. - Bob, 12.10.2002, 13:11
- Re: Das eigentliche Staatsproblem - meine Position zum Wochenende (relativ kurz) - Diogenes, 12.10.2002, 12:58
- Re: Das eigentliche Staatsproblem - meine Position zum Wochenende (relativ kurz) - dottore, 13.10.2002, 12:42
- Re: Das eigentliche Staatsproblem - meine Position zum Wochenende (relativ kurz) - netrader, 12.10.2002, 20:14
- Re: Das eigentliche Staatsproblem - meine Position zum Wochenende (relativ kurz) - dottore, 13.10.2002, 12:29
- Die Aufhebung des existenziellen Zwangs - Aldibroker, 12.10.2002, 21:01
- Re: Abgabe, Termin und Titel - dottore, 13.10.2002, 12:12
- Re: Das eigentliche Staatsproblem/eRKa: bitte in die dottore-Sammlung (owT) - ---- ELLI ----, 13.10.2002, 11:41
- Economic Time - is a device invented to keep everything from happening at once - Popeye, 13.10.2002, 17:27
- Re: Das eigentliche Staatsproblem - mit Zirkelschluß - chiquito, 11.10.2002, 21:18
Re: Abgabe, Termin und Titel
-->Hi Aldibroker,
schönen Dank für die ausführlichen Kommentierungen. Ich darf returnieren:
>Dottore,
>4. Eine Terminsetzung ist zunächst im Rahmen menschlichen Ermessens nicht unverrückbar, sondern dem Naturell und Kalkül der Kontrahenten flexibel angepasst.
So scheint es nur zu sein. Selbst bei nicht mit Kontrakten arbeitender Produktion (Familein, Stämme), kommt es zu Terminsetzungen (Ernte verfault sonst, Früchte sind reif, Winter steht vor der Tür). Allerdings sind diese einzelwirtschaftlichen Termin etwas flexibel.
Sobald kontrahiert wird (arbeitsteiliges Wirtschaften), tritt zumindest auf einer Seite ein Termin auf, sonst käme es niemals zu einem Kontrakt, sondern zu dessen permanenter Vertagung. Dass es den Termin gibt, zeigt die Tatsache, dass gewählt wird (und zunächst werden kann, da sich sonst keinerlei Arbeitstelung entwickelt) zwischen Kontraktpartnern. Derjenigen, der zum"passenderen" Termin anbietet, erhält den Zuschlag.
Wäre es anders, würden auch bei unendlich vielen Anbietern und Nachfragern auf beiden Seiten niemals Kontrakte entstehen, da es keinerlei Präferenzen geben könnte (Warum den nehmen und nicht einen anderen).
Aus Polypolen werden immer am Ende bilaterale Monopole (ein Anbieter, ein Nachfrager), wobei bei definitionsgemäß gleichem Angebot (Quantität, Qualität, Preis) der Termin entscheidet, der sich letztlich aus einem Zeitabgleich ergibt. Die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Terminen engt sich im Zeitablauf immer stärker ein.
Zum Schluss wird doch kontrahiert (zwischen zwei Marktteilnehmern) und das immer zu einem ganz konkreten Termin. (Man muss nur an das Phänomen Frisörtermin denken: irgendwann wird doch ein Frisör gewählt, auch wenn alle gleich gut und gleichpreisig sind; allein die Tatsache, dass diese Entscheidung fällt, setzt den Termin in die Welt und damit den beidseitigen Erfüllungszwang, der überhaupt zu Wirtschaften - Leistung / Gegenleistung - führt).
>Statt Kontaktzwang haben wir in Rechtsstaaten überwiegend Kontraktfreiheiten bei der Befriedigung unserer Konsum- und Investitionswünsche, soweit diese über natürliche immer zu erfüllende lebenserhaltende Grundbedürfnisse hinausgehen.
Das ist unstreitig, sofern es den Konsum betrifft. Denn bei diesem schließe ich sozusagen einen Kontrakt (termindehnbar) mit mir selber. Bei Investitionen sieht das aber anders aus. Sobald die Entscheidung getroffen wurde, ist der Termin in der Welt. Investitionen sind Arbeitsteilung schlechthin und ein Termin ergibt sich aus dem anderen.
>Aber selbst bei diesen Bedürfnissen, haben wir die Freiheit, selbst anzubauen, bei Aldi oder... zu kontrahieren.
Die Freiheit bis zum Abschluss ja. Danach steht der Termin, obwohl noch nichts geleistet wurde. Das schafft den Druck, die Leistung zu erbringen. Wir müssen immer den Kontrakt als terminschaffend vorweg sehen. Der ist beim Alltagseinkauf sehr kurzfristig, aber er existiert doch. Sobald ich an der Kasse stehe, muss der Kontrakt erfüllt werden (oder die Ware wandert zurück ins Regal, was aber nicht der Regelfall ist, sonst käme nie ein Einkaufswagen an der Kasse schließlich vorbei).
>Selbst in Gesellschaften, die weder rechtsstaatlich organisiert sind, noch über ausreichende Möglichkeiten verfügen, diese Grundbedürfnisse abzudecken, entstehen i.d.R. keine unverrückbaren Terminsetzungen mehr, denn ob der Abfalleimer heute oder morgen oder noch etwas später unentgeltlich etwas abwirft, ist nicht so lebensendscheidend, dass er etwas abwirft aber schon. Termine dennoch eher flexibel. (Dies ist demnach ein untauglicher Ansatz für"neue" Fiskal- oder Machttheorien der Wirtschaft).
Nochmals: die Termine sind bei Grundbedürfnissen flexibel. Aber sind sie einmal kontrahiert, muss es zu Leistung / Gegenleistung kommen (man kann ins beim McDrive vorbeifahren oder hungrig ins Bett; hat man aber bestellt, ist man zur Abnahme und zur Gegenleistung verpflichtet: beim McDrive erst die Gegenleistung - zahlen -, dann weiter fahren zum Abholschalter).
>5. Ob erste Abgaben-Terminsetzungen, also staatliche Zwangsabgaben, nun gerade besonders geeignet sind, dass erfolgreiche Wirtschaften in einer Gesellschaft oder im freien Handel am (Welt)Markt zu erklären, wage ich gerade aus Sicht der Verfechter einer steuer- und abgabenfreien Gesellschaft sehr zu bezweifeln.
Das ist eigentlich mein Reden: In steuer- und abgabenfreien Gesellschaften haben wir diese präzisen Termine nicht. Ergo auch keine Terminerfüllungsprobleme, ergo keine Titel, ergo weder Geld noch Zins. Sobald der Termin kontrahiert ist, tritt eben das Novum in die Welt: der Titel. Dieser entwickelt sofort ein Eigenleben, er kann zediert, beliehen, diskontiert usw. werden.
Also: Abgabe --> Termin --> Titel --> Geld usw.
>6. Die Ur-Motivation zur Erzielung von Produktivitätsspielräumen oder Kickstarter des Wirtschaftens kann ohne Zweifel auch die Abgabe gewesen sein. Darüber hinaus werden auch Sorgen um die Länge/Härte des Winters, Vorsichtsmaßnahmen und negative Erfahrungen der Vorperioden... mit zur Vorratshaltung und Anwendung ökonomischer Prinzipien geführt haben.
Diese"Vorsichtsmaßnahmen" gibt es selbstverständlich. Aber sie führen nicht zum Titel. Sonst wäre dies (auf den einzelnen bezogen) so etwas wie ein Sola-Wechsel ohne Ausfertigung.
>Selbst das Soziale im Menschen wird schon eine Rolle gespielt haben, denn wer freudig gibt, kann auch in der eigenen Not Hoffnungen hegen. Die erste soziale Gesellschaft, die über die Familie oder das Dorf hinausging, wird schon viele Tausend Jahre alt sein.
Dies"über... hinaus" bestreite ich. Ich finde dafür keine historischen Belege. Sonst wäre die ganze Welt in der Geschichte über Familien / Stämme friedlich"zusammen gewachsen", was definitiv nicht der Fall war. (Man denke nur an den"Nationalstaat" und die Probleme, die lächerlichen 0,75 % vom BIP Entwicklungshilfe zusammenzukriegen).
>7. Der Anstoß zum Phänomen Wirtschaft kann u.a. der gesetzte Termin sein. Es ist möglich, vereinfachende Betrachtungen anzustellen, ob diese aber mehr als erklärenden Wert haben, ist zu bezweifeln, denn das Phänomen Wirtschaften ist komplexer und kann nicht nur auf Termin gesetzt werden.
Vielleicht eine Definitionsfrage. Ich möchte das termindruck- und titelfreie Wirtschaften als"Produzieren" bezeichnen (siehe auch HS). Sobald es mit Terminen und ergo Titeln los geht, haben wir"Wirtschaft".
>Es ist auch verkürzend, zu behauptet alles andere ergebe ich aus dem Termin. Dennoch kann man sinnvolle Ableitungen machen, was folgt, wenn der Termin das Initial gewesen wäre. Daraus folgt dann der Titel, der Wert, das Geld und der Zins. Wäre es da nicht besser, zu erläutern, dass die Schuld (Ur-Schuld) ein erklärbares wirtschaftliches Phänomen ist.
Damit war ich bis vor kurzem auch zufrieden. Da die"Urschuld" aber terminlich gestretcht werden kann, erscheint sie mir jetzt nicht mehr als stringent genug. Der Übergang von der Urschuld zur Kontraktschuld ist für mein Gefühl inzwischen zu"beliebig".
Knappheit und Knappheitsbeseitigung bedeutet sicher auch"Zwang". Aber ein mit Termin plus Titel ausgestatteter Zwang ist"zwingender" und erklärt die erstaunlichen Ergebnisse der Geschichte (Großbauten, Militäranlagen, Tempel, Paläste usw.) besser.
>Wirtschaften aber auch ohne Schuld (Ur-Schuld) theoretisch erklärbar bleibt und auch praktisch stattgefunden hat? Wer aber zu Geld und Zins will, muss dafür brauchbare Ketten formulieren, die zwangsläufig sind.
Die Zwangsläufigkeit, sozusagen das Missing Link, ist der Titel. Dieser ist ohne konkreten Termin nicht vorstellbar. Terminfreie Titel gibt es nicht.
>8. In der sich daraus entwickelnden Wirtschaft kann mit derivativen Terminen gearbeitet werden, um die Handelsmöglichkeiten auszuweiten.
Jeder Handel ist ebenfalls terminbewehrt. Der Handel ist immer eine Kette, in der überall Termine liegen, schon zwischen Produzent und Händler.
>9. Heutiges privates Wirtschaften lässt sich im wesentlichen nur über den Termin, dessen Befolgung bzw. Inkaufnahme der Nichtbefolgung (Sanktionen, Vollstreckung usw.) definieren.
>14. Immer stärker wird der Terminzwang im privaten Bereich ausgehöhlt, was natürlich bei den Empfangenden und freudig Gebenden Beifall findet. Bei denen, die Staat, Steuer und Abgabe ablehnen aber auf Unverständnis stößt.
>18. Die debitistische Erscheinung einer Überschuldung, Zunehmenden Umverteilung von Schuldnern auf Gläubiger, wird es auch ohne Staat geben.
Überschuldung einzelner gewiss. Aber die Überschuldung einer ganzen"Gemeinschaft" ("Staatsvolk") ist ein Novum. Das Sonderkonto"Staat" hat - im Gegensatz zu früher - nicht einen Souverän (König usw.) auf der Schuldnerseite (wie noch eindeutig bis ins 18. / 19. Jh.), sondern jetzt"alle", womit Gläubiger und Schuldner zusammenfallen.
>Ein kluger Staat könnte mit temporären Haushalsungleichgewichten durchaus leben und den Prozess der debitistischen Selbstzerstörung über viele Generationen oder sogar theoretisch sogar unendlich strecken, wenn er bei den Gläubigervermögen und Erträgen zugreift
Genau das wird geschehen. Der Staat wird irgendwie seine Gläubiger dadurch bedienen, dass er ihnen erklärt, das sie Schuldner ihrer selbst sind. Das bedeutet dann das Ausbuchen (Crash oder Hyperinfla) der"Geldvermögen", die in Form von Forderungen der Gemeinschaft gegen sich selbst existieren.
>und den sonst Überschuldeten neue Kontrahierungsmöglichkeiten schafft. Das Libertäre System wird durch eine soziale Komponente gerettet, solange der Staat Kontrahierungszwänge nicht ganz auslöst. Staatsvertrauen ohne eigene Anstrengungen im Rahmen des Möglichen darf es nicht geben.
Sehr einverstanden. Aber ich habe da keinerlei Hoffnung.
>19. Wie viel Staat nützlich oder schädlich ist, lässt sich nicht mathematisch bestimmen, denn ob hohe oder niedrige Staatsquoten existieren.
Sicher richtig. Es geht aber um die Veränderung der Staatsquoten und die haben sich (die off-balance-eschichten, wie Schulden, Rentenverpflichtungen usw.) in den letzten 50 Jahren grosso modo verdreifacht.
Ich wüsste nicht, wie die Staatsquote konstant gehalten werden könnte (in Demokratien schon gar nicht). Darauf hatte schon Adolph Wagner im 19. Jh. hingewiesen ("Gesetz der steigenden Staatsaufgaben bzw. -ausgaben").
>Es gibt reale Wirtschaftskreisläufe, die mit hohen Staatquoten besser funktionieren, als solche mit niedrigen, aber auch Gegenbeispiele. Ein funktionierendes Beispiel ohne Umverteilung gibt es dagegen sicher nicht! Verteilungen an die Personen, die auch zahlen, sind bürokratisch und unsinnig und verstellen die Optik für das Notwendige und Leistungsfördernde.
Ja. Aber es läuft in genau diese Richtung.
>Die Flexibilität der menschlichen Natur und sein Einfallsreichtum führen so immer wieder zu besseren Lebensumständen und Aufhebung des existenziellen Zwangs. Immer wenn die Not am größten ist, wird der Mensch menschlich und besonders ideenreich. Er hat eine große Zukunft und Lösungskompetenz auch in wirtschaftlichen und sozialen Fragen.
Wäre zu wünschen, kann ich aber nirgends sehen. Die besseren Lebensumstände"heute" werden mit enorm verschlechterten Lebensumständen"morgen" erkauft, siehe Jugendarbeitslosigkeit.
Aus der Jugend erwächst dann das"revolutionäre Potenzial", das immer wieder historisch belegt ist.
Vermutlich wird es zu einem sehr unangenehmen Bruch zwischen den Generationen kommen. Die Alten in der Gläubigerposition (und Inhaber der Befehlsgewalten) und die Jungen, die sich eine Zukunft schaffen wollen - und sei es mit Gewalt.
Gruß mit nochmaligem Dank!

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