- DB-WALTER: wir lassen uns von der politik den vorhang nicht schliessen - doppelknoten, 18.10.2002, 08:11
- Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Walter warnt vor Deflation - stocksorcerer, 18.10.2002, 08:41
- Re: Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Walter warnt vor Deflation - Euklid, 18.10.2002, 15:11
- Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Walter warnt vor Deflation - stocksorcerer, 18.10.2002, 08:41
DB-WALTER: wir lassen uns von der politik den vorhang nicht schliessen
-->Die Investmentbranche wartet auf Godot
Harsche Kritik am rot-grünen Regierungsprogramm auf dem"Capital"-Geldanlage-Gipfel in Berlin. Skeptische Prognosen für die Wirtschaft
Von Beatrix Wirth
Berlin - Schimmernder Marmor, edle Kronleuchter, silberne Sahnekännchen: Auch in diesem Jahr hat die Investmentbranche wieder das Berliner Luxushotel Adlon gewählt, um sich beim"Capital"-Geldanlage-Gipfel zum Austausch zu treffen. Passend zum festlichen Rahmen schraubt sich der deutsche Aktienindex Dax auf den Fernsehmonitoren in der Lobby in die Höhe. Doch all dieser Glanz färbt nur begrenzt auf die Stimmung der rund 160 Investmentprofis im dunklen Business-Anzug ab. Lautstarke Empörung über das rot-grüne Regierungsprogramm beherrscht und überschattet den Kongress - wohl auch angesichts der räumlichen Nähe zum Reichstag, der nur wenige hundert Meter vom Adlon entfernt ist.
"Der Koalitionsvertrag ist ein Demotivationsprogramm für Unternehmer und Aktienanleger", macht Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, seinem Ärger Luft. Vor allem aber sei es eine"Torheit", die Arbeitnehmer durch höhere Steuern und Abgaben zusätzlich zu belasten. Dies werde dramatische Auswirkungen auf den Wachstumstrend in Deutschland haben. Die schüchterne EZB-Geldpolitik und mögliche Störfeuer bei der EU-Erweiterung aus Holland und Irland wirkten als weitere Belastungsfaktoren in Europa, die den erwarteten Aufschwung im Herbst 2003 als"außerordentlich optimistische Variante" erscheinen ließen."Und dabei ist noch nichts über einen Irak-Krieg und eine möglicherweise abnehmende Dynamik in den USA gesagt", so Walter. Die geplanten Steuererhöhungen in Deutschland würden gerade auch von ausländischen Investoren sehr skeptisch gesehen, ergänzt Gerhard Grebe, Vorstandsmitglied und Chefstratege bei Julius Bär. Vor diesem Hintergrund schraubt er sein Dax-Ziel für das kommende Jahr von 3900 auf 3600 Zähler herunter.
Doch laden die Experten nicht die gesamte Last auf die Schultern der Politik. Vor den Risiken einer Dollarschwäche für Europas Wirtschaft und die Finanzmärkte warnt Han de Jong, Senior Vice President von ABN Amro Asset Management."Die Vergangenheit zeigt: Ein fester Dollar und feste Aktienmärkte gehen Hand in Hand." Mit defensiven Investments gingen Anleger im anhaltend schwierigen Umfeld auf Nummer Sicher, lautet das Credo vieler Redner.
Die Botschaft, dass Vorsicht die wichtigste Anlageregel bleibt, haben auch die Zuhörer offenbar längst verinnerlicht. So wird der erste Vortrag mit positivem Tenor über die Chancen bei Wandelanleihen sofort kritisch hinterfragt. Ob nicht betont werden müsse, dass auch bei diesen Papieren ein Ausfallrisiko von hundert Prozent bestehe? Und auch die Anmerkung Grebes, dass der aktuelle Abschwung schon bald so lange andauere wie die Schreckens-Baisse von 1929, ruft bei den ernüchterten Finanzprofis kein entsetztes Raunen mehr hervor."Nach zweieinhalb Jahren fallender Kurse hat sich bei uns ein gewisser Fatalismus eingestellt", beschreibt ein Fondsmanager das Klima in der Branche.
Es sei ein wenig wie in Samuel Becketts berühmtem Theaterstück, meint Ã-konom Walter. Man warte auf Godot, ohne zu wissen, ob und in welcher Gestalt er komme. Einen Wunsch hätten die Anlageexperten indes parat: eine Zinssenkung durch die EZB. Walter ruft zudem seine Kollegen auf, mit aller Kraft auf die Politik einzuwirken."Wir werden nicht akzeptieren, dass der Vorhang geschlossen wird."

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