- CROSS BORDER LEASE Fortsetzung des Artikels von EUKLID vom 9.10.02? - Charade, 20.10.2002, 20:41
CROSS BORDER LEASE Fortsetzung des Artikels von EUKLID vom 9.10.02?
-->Oder der Rathausverkauf von München
Prolog:
Die SPD-regierte Stadtverwaltung hatte noch anlässlich der letzen Bundestagswahl eine aufwendige Plakataktion gestartet, wobei herausgestellt wurde, dass seit Kriegsende fast ununterbrochen die SPD München erfolgreich regiere. Dabei pfiffen es nicht nur die Spatzen von den Dächern sondern es waren bereits die Zeitungen voll davon, dass „München pleite“ sei.
Vorhang auf:
München berät ernsthaft darüber, u.a. das Rathaus am Marienplatz zu verkaufen. Begründung: Es fehle ansonsten Geld für den sozialen Wohnungsbau und für Kindertagesstätten. Die Stadt könne damit einen Steuervorteil ausnützen.
Letzteres sollte sich der Zuschauer nochmals in aller Ruhe überdenken. Da will ein Hoheitsträger, der gegenüber dem Bürger das Privileg hat, selbst Steuern zu erheben, ein Steuerschlupfloch zugunsten des Erwerbers ausnutzen. Den Gewinn will die Stadt dann mit dem Erwerber teilen. Eine geniale Überlegung rücklings durch die Brust ins Auge!
Mit anderen Worten sorgt der eine Hoheitsträger (Gemeinde) einerseits dafür, dem anderen (Bund) einen Teil des Steueraufkommens vorzuenthalten, fordert aber andererseits einen Finanzausgleich ( Vgl. z.B. Art. 106 Abs. 5 GG). Es lebe der Föderalismus!
Noch besser: Gewinn 20 bis 40 Millionen Euro für ein oder gar mehrere historische Gebäude in Bestlage der teuersten Stadt Deutschlands bei einem milliardenschweren Budget der Stadtverwaltung.
Eine besondere Pointe: Es soll ein einmaliger Vorteil sein. Über jedwelche Nachteile wird erst gar nicht diskutiert, auch nicht von der Opposition, die bereits ihre Zustimmung erteilt hat.
Eine Stiftung soll dafür gewonnen werden. Klingt nach neutraler Ausschreibung, aber die Interessenten scheinen schon bekannt zu sein. Also „closed shop“.
Ob es sich zufällig um eine Stiftung von GE Capital handelt, werden wir wohl nie erfahren, denn es wird „absolute Diskretion“ zugesagt. Wenn das kein Geschäft ist, das man nicht ablehnen kann!!!?
Zu diesem Schmierentheater, das auch noch Schule machen soll, schreibt die Süddeutsche Zeitung am (Samstag) 18.10.02 allen Ernstes - natürlich weit hinten unter vielen anderen Nebensächlichkeiten im Sinne der bestmöglichen Information der werten Leserschaft (siehe sueddeutsche.de/ddp; Hervorhebungen durch Fettdruck und Unterstreichungen durch Charade):
„...
München will 20 bis 40 Millionen Euro einnehmen, indem es Stiftungen anbietet, virtuell Miteigentümer städtischer Immobilien zu werden. Dadurch könnten die Stiftungen ihre Steuerlast einmalig um rund 40 Prozent senken. Die Stadt verlangt dafür einen Teil des eingesparten Geldes. Der Trick beruht auf den unterschiedlichen Erbschafts- und Schenkungssteuersätzen, die Stiftungen für Kapitalbesitz und Immobilienbesitz zahlen müssen. Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) nannt das Vorgehen am Donnerstag „perfide“.
Ude entgegnete nun, es sei bezeichnend, dass Faltlhauser „ausgerechnet jetzt aufjault“. Die frühere Bundesregierung habe jahrelang die Bevorzugung des Immobilienbesitzes verteidigt. Im Übrigen habe die Münchner CSU dem Vorgehen im Stadtrat zugestimmt. Ude teilte mit, es gebe bereits interessierte Stiftungen aus dem ganzen Bundesgebiet - „und wir garantieren absolute Diskretion“.
Die Würzburger Verwaltung will sich “schnellstmöglich" in München über das Modell informieren, wie Stadtsprecher Gunther Kunze sagte: “Wenn es der knappen Stadtkasse hilft, sind wir selbstverständlich interessiert daran. „Auch in Fürth gibt es bereits Überlegungen in diese Richtung. Noch habe die Verwaltung aber keine ausgearbeiteten Pläne in der Schublade, hieß es aus der Stadtkämmerei. Nürnberg will noch in diesem Jahr einsteigen, wie bereits am Donnerstag bekannt wurde. Passau und Augsburg zeigten sich sehr interessiert.
Glück warnte, der Trick könne allenfalls zu einer kurzfristigen finanziellen Verschnaufpause führen. Denn die Auszehrung der öffentlichen Haushalte werde so beschleunigt und sich auch auf die Kommunen niederschlagen. „Das Geld wird dann letztlich doch wieder allen fehlen: dem Bund, dem Freistaat und den Kommunen“, sagte Glück.
Kritik am Münchner Modell kommt auch vom Steuerexperten Wolfgang Bornheim. Die Gefahr sei „sehr groß“, dass es sich weder für die Stadt noch für die Stiftung rentiere: „Die Stadt nimmt nur einen Kredit auf die eigene Zukunft auf.“
Epilog:
Es handelt sich nicht um eine Veranstaltung wider den tierischen Ernst. Der 1. April liegt weit hinter uns, der 11.11. noch vor uns. Es scheinen sich Satire und Ernst auf dieselbe Weise zu vermischen wie Luft und Wasser bei Windstärke 12!
Vorhang zu:
Wir sind aufgefordert, unseren Stadtvätern und Volksvertretern - allen voraus der SPD - Beifall zu klatschen.
Programmvorschau:
„Das Imperium schlägt zurück oder Sell and Lease Back des Reichstages und des Bundeskanzleramtes“; Bund erwägt Steuervorteile im Hinblick auf eine Reduzierung des Bund-Länder-Finanzausgleichs (Die Intendanz hat noch nicht entschieden, ob das Stück als Satire im Nachtcafé oder als Drama im Haupttheater in der kommenden Spielzeit laufen soll).

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