- Die Auguren sagen: Steuererhöhung kostet ein Drittel des Aufschwungs - Popeye, 23.10.2002, 09:35
Die Auguren sagen: Steuererhöhung kostet ein Drittel des Aufschwungs
-->Steuererhöhung kostet ein Drittel
des Aufschwungs
Wirtschaftsinstitute kritisieren die
Koalitionsbeschlüsse / Mehrheitlich für Sparkurs
ami. BERLIN, 22. Oktober. Die von der Bundesregierung
geplanten Steuer- und Abgabenerhöhungen belasten den von
wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten für das
kommende Jahr prognostizierten leichten
Konjunkturaufschwung. Ohne die Koalitionspläne würde das
mehrheitlich auf 1,4 Prozent geschätzte Wachstum rund 0,5
Prozentpunkte höher ausfallen, sagte Jochen Scheide vom
Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel bei der Vorlage des
Herbstgutachtens am Dienstag in Berlin. In ihren
Empfehlungen sind sich die Forscher einmal mehr uneins.
Mehrheitlich fordern sie von der Regierung einen strikten
Kurs der Haushaltskonsolidierung. Die Bundesregierung
erklärte, sie habe sich auf einen Konsolidierungskurs
verständigt, der dem EU-Stabilitäts- und -Wachstumspakt
Rechnung trage und für mehr Wachstum und Arbeitsplätze
sorgen werde. Die Opposition erneuerte ihre Kritik an der
Haushalts- und Finanzpolitik.
Die Wachstumsprognose der Mehrheit der sechs Institute für
Deutschland - das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) erwartete nur ein Plus von 0,9
Prozent - basiert auf der Annahme, daß die Auftriebskräfte
2003 weltweit Oberhand gewinnen. Dabei rechnen die
Forscher nicht mit einem Krieg im Irak. Zudem gehen sie
davon aus, daß die Baisse der internationalen Börsen
beendet ist. Damit gewönnen Investoren und Konsumenten
wieder Zuversicht.
Im internationalen Vergleich werde sich Deutschland weiter
am unteren Rand des Wachstumspfades bewegen. Die
Zuwachsrate beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde mit
geschätzt 1,4 Prozent unter dem EU-Durchschnitt von 2,0
Prozent und unter dem für Amerika erwarteten Plus von 2,7
Prozent bleiben. Nur Japan und Portugal kommen auf noch
geringere Wachstumsraten. Ein betont freundliches Bild
zeichnen die Institute von Asien sowie von Mittel- und
Osteuropa, was die deutsche Ausfuhr anregen werde.
Insgesamt rechnen die Forscher mit einer Ausweitung der
deutschen Ausfuhr um 5,3 Prozent 2003 nach 1,7 Prozent in
diesem Jahr.
Im Euroraum erwarten sie eine allmähliche Erholung, für
Deutschland prognostizieren sie eine Entspannung vom
Frühjahr 2003 an. Für eine durchgreifende Besserung auf
dem Arbeitsmarkt reiche das aber nicht aus. Mit 4,1
Millionen werde die Zahl der Arbeitslosen leicht über dem
Stand von 2002 liegen.
Vom Hartz-Konzept erwarten die Forscher keine
grundsätzliche Besserung. Es sei illusorisch, die Zahl der
Arbeitslosen in drei Jahren halbieren zu wollen. Nicht
Vermittlungsdefizite seien das größte Problem auf dem
Arbeitsmarkt, sondern die zu geringe Wachstumsdynamik,
beschäftigungsfeindliche Rahmenbedingungen, die zu geringe
Lohnspreizung und Qualifikationsmängel. Die Tarifpolitik hat
nach Ansicht der Mehrheit der Institute - ohne DIW -
"keinen Beitrag zur Förderung der Beschäftigung geleistet",
weil die Erhöhungen zu stark ausgefallen seien. Das Defizit
werde 2002 mit 3,2 Prozent das EU-Kriterium überschreiten,
2003 würden höhere Steuereinnahmen die Neuverschuldung
auf 1,9 Prozent des BIP senken. Zinssenkungen seien derzeit
nicht nötig.
Bislang sei es nicht gelungen,"die angestrebte Begrenzung
der Staatsausgaben durch verläßliche Einsatzkonzepte
abzusichern", kritisierten die Wissenschaftler mehrheitlich.
Der Stabilitätspakt, mit dem Ziel, ausgeglichene Haushalte
bis 2006 vorzulegen, müsse eingehalten werden. Damit
sollten höhere Steuern und Abgaben für die kommenden
Jahre ausgeschlossen und konsumptive Ausgaben reduziert
werden. Das gelte unabhängig von der Konjunkturlage. DIW
und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)
lehnen das ab: Damit würde die Konjunktur zusätzlich
belastet.
Die Bundesregierung betonte, sie wolle 2006 einen
ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Die CDU-Vorsitzende
und Fraktionschefin Angela Merkel sagte, das Urteil der
Institute sei vernichtend für Kanzler Gerhard Schröder.
Deutschland stehe ein"Herbst der Enttäuschung" bevor.
Wirtschaftsverbände und Arbeitgeber sahen sich in ihrer
Ablehnung der rot-grünen Politik bestätigt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.10.2002, Nr. 246 / Seite 13

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