- Nicht aus Rechthaberei, aber dies ist z. Frage 'Macht' & 'Eigentum' noch wichtig - Galiani, 23.10.2002, 15:20
- Re: 'Macht' & 'Eigentum' - Ein kurzer Blick auf die englische Geschichte zeigt.. - chiquito, 23.10.2002, 22:02
Re: 'Macht' & 'Eigentum' - Ein kurzer Blick auf die englische Geschichte zeigt..
-->... die Institution des Privateigentums hat sich gegen(!) die (königliche) Macht durchgesetzt.
Hallo,
Dass die Entwicklung des Privateigentums „ein Entwicklungsprozeß gegen die Macht; nicht von der Macht gefördert“ ist, scheint mir ganz deutlich aus einer näheren Betrachtung der englischen Geschichte hervorzugehen.
Nehmen wir das berühmte Urteil des Richters Finch im Fall John Hampton (1637), der sich geweigert hatte, eine Sondersteuer zu zahlen, die - ohne Parlamentsbeschluß - vom König (vorgeblich zu Verteidigungszwecken) verlangt wurde. Der Richter des königlichen Gerichts (nicht unabhängig, auch nicht vom Parlament kontrolliert) begründet die Verurteilung John Hamptons u.a. mit folgenden Sätzen:
„Gesetze des Parlaments, die die königliche Macht bei der Verteidigung des Königreichs aufheben, sind also nichtig. Sie sind ungültige Parlamentsbeschlüsse, die den König hindern, über seine Untertanen, über ihre Personen und Güter und, ich sage auch, über ihr Geld zu verfügen; denn keine Beschlüsse des Parlaments machen da irgendeinen Unterschied.“
[A.L.Morton: A People´s History of England, London, 1945]
Daß die Macht hier das Privateigentum nicht respektiert, das ist bloß die eine Seite in dem jahrhundertelangen Kampf gegen die Machtansprüche der Könige. Die andere Seite, der Anspruch auf Unantastbarkeit des Eigentums, kommt bereits in der berühmten Magna Charta von 1215 zum Ausdruck, mit der dem König u.a. das Zugeständnis abgerungen wird, Steuern (ausdrücklich auch zu Verteidigungszwecken) nicht ohne Zustimmung des „Gemeinen Rats“ des Königreiches zu erheben.
Das heißt, die Adligen und die Kaufleute waren durchaus bereit, Steuern aufzubringen (also von ihrem Eigentum abzugeben) - aber nur, wenn sie selbst (im Gemeinen Rat, später im Parlament) das für notwendig hielten und nicht nach willkürlicher Entscheidung des Königs.
Umgekehrt aber wollten das immer wieder die Könige sehen, weil sie sich als Obereigentümer betrachteten: So Jakob I. 1598 über die Könige: „Sie verteilten das Land, das ursprünglich in seiner Gesamtheit ihnen, den Königen, gehörte [...] Und wie der König ganz offensichtlich oberster Herr des ganzen Landes ist, so ist er auch Herr über jede Person, die darin wohnt, und hat Gewalt über Leben und Tod einer jeden von ihnen.“ [Tanner: Constitutional Documents of the Reign of James I. Cambridge 1960]
Dass der König sich als Obereigentümer des Königreiches betrachten konnte, geht auch zurück auf die Tatsache, dass dieses Reich sich ursprünglich auf Eroberung gründete. So heißt es bekanntlich in Geschichtsbüchern immer wieder, dass Wilhelm (der Eroberer) 1066 England eroberte. Allerdings nicht alleine, sondern mit seinen Gefolgsleuten zusammen. Und wenn es auch der König war, der entschied, welcher von seinen Vassallen welchen Teil des eroberten Landes als Lehen bekam, so waren die Vasallen doch wohl in den Krieg gezogen, um mit einem Teil der Beute belohnt zu werden - worauf sie selbstverständlich einen Anspruch hatten.
Diese Institution „Lehen“ kennt in der Tat einen „Obereigentümer“, nämlich den König, der das Lehen austeilt, an den es aber auch wieder zurückfällt, wenn der Lehensträger stirbt. Allerdings ist der König nicht als „Privatmann“ Obereigentümer, was sich daran zeigt, dass der König das Lehen nicht etwa zu den Krongütern schlagen darf, sondern wieder einen Vasallen damit beleihen muß. „Obereigentümer“ ist der König also nicht als „Privatmann“, sondern als Vertreter der Gemeinschaft (von Eroberern).
Der erste wichtige Schritt auf dem Weg zum Privateigentum an diesen großen Gütern besteht darin, dass die Lehensnehmer das Erbrecht durchsetzen. Damit ist noch kein Privateigentum an diesen großen Gütern entstanden, das irgendeinem anderen verkauft werden konnte, aber, mit Hegel gesprochen, der „Familienbesitz“. „Eigentum“ im Gegensatz zum „Besitz“ heißt dann: Der Eigentümer kann seinen Besitz auch einem anderen verkaufen. (Hegel: „Meines Eigentums kann ich mich entäußern...“ (§ 65, Rechtsphilosophie).
Diese Entwicklung vom Lehen zum frei veräußerlichen Privateigentum an Grund und Boden hat nicht nur Jahrhunderte gedauert, sondern auch blutige Auseinandersetzungen mit sich gebracht. Bekanntlich kam es - weil die königliche Macht das Privateigentum nicht respektieren und letzten Endes nicht anerkennen wollte - in diesen Auseinandersetzungen 1649 zur Enthauptung von König Charles I., später zur Flucht von Jakob II. - Wilhelm von Oranien, der Holländer, der vom englischen Parlament herbeigerufen wurde, wurde dann 1689 erst zum König gekrönt, nachdem nicht nur auf die Bibel, sondern auch auf die „Bill of Rights“ geschworen hatte.
Diese kurze Skizze zeigt meiner Auffassung nach ganz deutlich, dass sich zumindest in England das Privateigentum (an Grund und Boden) eindeutig gegen die königliche Macht entwickelt hat und nicht von ihr gefördert wurde.

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