- Beitrag zur Eigentumsdebatte - moneymind, 04.11.2002, 23:05
- Klasse Beitrag! - silvereagle, 04.11.2002, 23:45
- Re: Genau! (owT) - Tassie Devil, 05.11.2002, 00:33
- Re: Klasse Beitrag - moneymind, 06.11.2002, 00:07
- Danke für diesen Beitrag, Moneymind,... - Uwe, 05.11.2002, 00:51
- Re: Beitrag zur Eigentumsdebatte - Fürst Luschi, 05.11.2002, 13:06
- Re: Beitrag zur Eigentumsdebatte - moneymind, 06.11.2002, 00:07
- Re: Beitrag zur Eigentumsdebatte / Danke für diesen Beitrag!!! (owT) - -- ELLI --, 05.11.2002, 15:38
- Re: Beitrag zur Eigentumsdebatte - Schöner Beitrag (!), hier eine Bestätigung... - Popeye, 05.11.2002, 16:05
- Re: Beitrag zur Eigentumsdebatte - und was sind die Tiere einer Karawane?? - Dimi, 05.11.2002, 16:18
- Re: Was sind die Tiere einer Karawane?? - moneymind, 05.11.2002, 22:16
- Re: Was sind die Tiere einer Karawane?? - Dimi, 06.11.2002, 00:26
- Re: Was sind die Tiere einer Karawane?? - moneymind, 06.11.2002, 12:21
- Re: Sind die Tiere einer Karawane kein Eigentum? - Moneymind - Dimi, 06.11.2002, 18:42
- Re: Was sind die Tiere einer Karawane?? - moneymind, 06.11.2002, 12:21
- Re: Was sind die Tiere einer Karawane?? - Dimi, 06.11.2002, 00:26
- Re: Was sind die Tiere einer Karawane?? - moneymind, 05.11.2002, 22:16
- Klasse Beitrag! - silvereagle, 04.11.2002, 23:45
Beitrag zur Eigentumsdebatte
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Hallo zusammen,
vielleicht kann ich einen kleinen Beitrag zur Klärung des Streits um den Begriff „Eigentum“ leisten.
Was Galiani unter Eigentum versteht, hat er mehrfach beschrieben: „daß einer Person von der Allgemeinheit zugestanden wird, über eine bewegliche oder unbewegliche Sache ausschließlich verfügen zu können“.
Diese Begriffsbestimmung ist die im Alltag verbreitete, und selbst Juristen scheinen den Eigentumsbegriff oft in dieser Bedeutung zu verwenden, selbst wenn sie innerhalb des Zivilrechts zwischen Eigentum und Besitz unterscheiden. Galiani kann sich also auf der sicheren Seite fühlen und unendlich viele Zitate finden, die ihn zu bestätigen scheinen.
Wenn man „Eigentum“ so versteht - und die meisten Menschen verstehen es so - dann ist es selbstverständlich richtig, daß es das schon immer gab und in allen Gesellschaftsformen gibt.
Doch Heinsohn/Steiger und dottore nennen das, was Galiani „Eigentum“ nennt: „daß einer Person von der Allgemeinheit zugestanden wird, über eine bewegliche oder unbewegliche Sache ausschließlich verfügen zu können“, anders:
BESITZ.
Und selbstverständlich wissen sie, daß es „das Recht über eine bewegliche oder unbewegliche Sache ausschließlich verfügen zu können“ schon immer gegeben hat. Sie nennen es nur nicht „Eigentum“, sondern „Besitz“, auch wenn das nicht der allgemeine Sprachgebrauch ist -- und das aus gutem Grund (dazu unten mehr).
EIGENTUM
gibt es für H/S, dottore et.al, so weit ich das verstehe, erst im Kontext eines Rechtssystems, das a) Vertragsfreiheit und b) Vermögenshaftung beinhaltet. Eigentum ist ein Vermögensrecht. Nur etwas, an dem man Eigentumsrechte hat, kann man auch zu seinem VERMÃ-GEN rechnen. Es gehört zum Vermögen des Berechtigten, ob er es nun besitzt oder nicht. Besitzt jemand etwas, ohne Eigentumsrechte daran zu haben, stellt dieser Gegenstand für ihn kein VERMÃ-GEN dar. Nur dieses Vermögen ist aber das, womit gewirtschaftet wird.
Denn es macht a) kreditwürdig und verpflichtet b) dazu, für Schulden/Verluste gegebenenfalls mit diesem Vermögen einzustehen - zu haften. Beispiele dazu hat dottore ja viele gepostet.
Daß es weder in Stammes- noch in Feudalgesellschaften UNTERNEHMER gibt, die ihr Vermögen dafür riskieren, eine Idee umzusetzen, hat seinen einfachen Grund darin, daß es dort kein Eigentum, sprich: keine Haftung gibt. Das Phänomen der Haftung beschreibt etwas, das es in Stammes- und Feudalgesellschaften so nicht gibt. Dort wird das Einhalten von Verpflichtungen auf andere Weise gesichert!
Mit ihrer Unterscheidung von Eigentum und Besitz - und vor allem mit der Anwendung dieser Unterscheidung auf verschiedene Gesellschaftsformen - liegen H/S, dottore et. al. quer zum allgemeinen Sprachgebrauch. Sie greifen damit eine Unterscheidung auf, die aus dem Zivilrecht stammt. Juristen sind sich aber durchaus im klaren darüber, daß Eigentum und Besitz streng unterschieden werden müssen: Besitz als „tatsächliche Verfügungsmacht“, Eigentum als"rechtliche Verfügungsmacht". Darauf hebt ja dottore immer ab, wenn er darauf besteht, Besitz beziehe sich auf die tatsächliche Sache, Eigentum auf den Titel (die rechtliche Verfügungsmacht).
Trotzdem verwenden fast alle Juristen diese Unterscheidung nur im Kontext des Zivilrechts. Sobald sie auf andere Gesellschaften schauen als die eigene, verwenden sie (inkonsequenterweise) nur noch den Begriff"Eigentum".
Dieselben Juristen, die eben noch darauf bestanden haben, daß man Eigentum und Besitz streng auseinanderhalten müsse, reden für Gesellschaften, in denen es die für Eigentum charakteristische Haftung gar nicht gibt, nur noch unterschiedslos von „Eigentum“ - vergessen also ihre eben noch getroffene Unterscheidung zwischen Eigentum und Besitz völlig.
Ein Grund dafür mag darin liegen, daß sich kaum ein Jurist je mit Rechtsethnologie oder Rechtsgeschichte befaßt hat (sind nach Auskunft eines mit mir befreundeten Juristen absolut randständige Fächer, für die sich kaum ein Student interessiert und die kaum gefördert werden).
Das Vergessen dieser Unterscheidung ermöglicht ihnen dann,"Eigentum" in jeder Gesellschaft und zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte zu „entdecken“ (bzw. es dort hinzuprojizieren).
Diese Unterscheidungsschwäche hat Methode - erlaubt sie doch, die alte bürgerliche Ideologie vom"Naturrecht auf Eigentum", mit der die Vordenker der modernen bürgerlichen Gesellschaft diese gegenüber den feudalen (befehlswirtschaftlichen) Verhältnissen legitimiert und durchgesetzt hatten, munter weiterzuspinnen und jeden Kritiker der heutigen Eigentumsverhältnisse mundtot zu machen. Sie können dann sagen: „wenn der heutige Zustand „natürlich“ ist und es immer schon so war, ist er dann nicht auch richtig und gut, und ist dann nicht jeder Versuch, ihn zu ändern, unnatürlich und unmenschlich“?
Und damit die „Eigentum“ definierende differentia specifica der heutigen Wirtschaft - Haftung und Konkursrisiko nämlich, inclusive Arbeitslosigkeit als Folge von Konkursen etc. - vornehm unterschlagen.
Sobald die Juristen dann doch einmal einen ernsthaften Blick auf anders strukturierte Gesellschaften wagen (was selten genug passiert - eigentlich leisten sich sowas nur spezialisierte Rechtshistoriker und Rechtsethnologen, und derer gibt´s nur wenige), merken sie dann aber doch schnell, wie unpassend der Eigentumsbegriff dort tatsächlich ist. Ein Jurist, der sich in seiner Dissertation mit Landrechten der australischen Aborigines beschäftigt hat, hat beispielsweise folgende Beobachtung gemacht:
"Eine... Besonderheit besteht darin, daß das einem Stamm oder einem lokalen Klan gehörende Gebiet nicht übertragbar ist. Obzwar die meisten Autoren in diesem Zusammenhang vom"Landeigentum" der Ureinwohner sprechen, ist es in jedem Fall nach der eigenen Rechtsordnung der Aborigines unveräußerlich. Damit fehlt dem der indigenen lex loci zugrundeliegenden Landeigentum nach europäischem Verständnis eine wesentliche Eigenschaft. Für die Aborigines ist Eigentum an Land jedoch stets Gemeinschaftseigentum. Eigentumsrechte im Sinne von persönlichen, absoluten - die Veräußerung umfassenden - Rechten, kennen sie nicht. (FN: Koll, 94; irreführend insoweit Spitz, 6 und Rössel, Natur 2 (1988), 34 (41), die davon sprechen, daß die Aborigines kein Wort für"Privateigentum" kennen. In jedem Fall verfügen Aborigine-Sprachen über Possesivpronomen wie"mein" oder"dein", vgl. Odermann, 37. Mit Bezeichnungen wie"mein Speer" oder"mein Wild" werden Eigentumsverhältnisse bezeichnet, ohne daß es auf einen Oberbegriff wie"Privateigentum" ankäme. Auch sind Vokabeln für"Klangebiet","Land des lokalen Klans" oder"Landeigentum" bekannt, vgl. Odermann, 26 m.w.N. Odermann, 86, weist auch darauf hin, daß - obgleich Träger des Eigentums an Land immer eine Gruppe ist."
(Quelle: Lutz Münnich: Landrechte der Ureinwohner Australiens. Geschichte und Gegenwart. Münster: Lit 1996, S. 13. Die Studie ist als Dissertation an der Universität Münster angenommen worden und ist im Rahmen der"Münsteraner Studien zur Rechtsvergleichung" erschienen)
Er sieht also, daß der Begriff Eigentum auf die Gebräuche und Rechtsvorstellungen der Aboriginies überhaupt nicht paßt, kommt dann aber nicht darauf, daß der Begriff des Besitzes mehr Sinn machen würde, sondern verwendet weiterhin - ganz gewohnheitsmäßig - den Begriff „Eigentum“.
Ein anderer Jurist, der Rechtshistoriker William Seagle, dagegen, denkt auch begrifflich konsequent und macht die gängige begriffliche Inkonsequenz nicht mit. Er schreibt über „Eigentumsverhältnisse“ in Stammesgesellschaften:
"Auf die primitiven Einrichtungen paßt der Begriff"Besitzes" weit besser als der des Eigentums. Ein Eigentum in unserem Begriffe kann sich nur aus einem langen kontinuierlichen und ungestörten Besitz entwickeln, und auch dann erst, wenn man beginnt, den Besitz öfter zu übertragen, nachdem sich Rechtsgeschäfte herausgebildet haben, die solche Besitzübertragungen ohne Aufgabe des Rechts an der Sache ermöglichen, wie z.B. die Verpfändung. Ehe die Begründung von Schuldverhältnissen üblich wurde, war für ein Rechtsinstitut wie das des Eigentums gar kein Bedürfnis gegeben." (Quelle: William Seagle: Weltgeschichte des Rechts. München: C.H. Beck 1967, S. 84)
Da haben wir´s! Seagle sieht deutlich, daß der Begriff Eigentum nur im Kontext von Schuldverhältnissen einen Sinn macht und nennt sogar ganz eindeutig - wie Heinsohn/Steiger - die Verpfändung als Merkmal, ohne das Eigentum nicht nötig wäre. Er spricht für Stammesgesellschaften konsequenterweise nur von Besitz - nicht von Eigentum.
Heinsohn und Steiger sind ebenfalls auf diese Idee gekommen. Sie erkennen - ganz im Einklang mit der Rechtswirklichkeit und im Kontrast zu den üblichen, unscharfen Eigentumsdefinitionen auch der Juristen, daß die Pflicht zur Haftung und die Möglichkeit der Verpfändung/Belastung das ausmachen, was Eigentum von bloßem Besitz unterscheidet. Und sie sehen, daß das, was es in nichtbürgerlichen Gesellschaften selbstverständlich auch gibt und immer gegeben hat - nämlich die Zuordnung von Sachen zu Menschen oder Gruppen von Menschen mit den Begriffen"MEIN" und"DEIN" und damit verbundenen Verfügungsrechten - viel treffender BESITZ nennt. Daß man von Eigentum nur da sprechen sollte, wo es Schuldverhältnisse inclusive Haftung (mit Verlustrisiko etc.) gibt.
Kann man diese Begriffe nun"auf andere Gesellschaften anwenden", wenn die die Menschen dort die Unterscheidung Eigentum/Besitz gar nicht treffen? Wenn wir uns dafür interessieren, wo die wesentlichen Unterschiede dieser Gesellschaften liegen, die sie im Hinblick auf ihre Entwicklungdynamik so verschieden machen, selbstverständlich!
Die dem Zivilrecht entlehnte Unterscheidung Eigentum/Besitz verhilft nämlich zu mehr Klarheit (d.h. Unterscheidungsfähigkeit) im Hinblick auf Eigentums- und Besitzverhältnisse nicht nur im Kontext des Zivilrechts, sondern auch im Vergleich verschiedener Gesellschaftsstrukturen: Mit dieser neuen Definition können wir verschiedene Eigentums- und Besitzformen in verschiedenen Gesellschaftsformen differenzierter betrachten und Klarheit in die Verwirrung um den Eigentumsbegriff bringen.
EIGENTUMSGESELLSCHAFTEN:
Dort gibt es sowohl Eigentum als auch Besitz - und zwar sowohl Individual- ("Privat-") Gemeinbesitz, und auch Individual- und Gemeineigentum.
Individualbesitz, ohne den Eigentumstitel zu halten:
Mein Mietwagen
Gemeinschaftsbesitz, ohne den Eigentumstitell zu halten:
Das von einer WG gemeinsam genutzte Badezimmer einer Mietwohnung.
Individualeigentum und gleichzeitig Individualbesitzin einer Eigentumsgesellschaft:
Das Inventar eines Einzelunternehmens (Handwerker).
Gemeinschaftseigentum in einer Eigentumsgesellschaft:
a) Inventar und Vermögen einer Aktiengesellschaft (Eigentümer haben physisch nichts mit dem Unternehmen zu tun, sind also nicht"Besitzer")
b) Inventar und Vermögen einer Genossenschaft (Eigentümer betreiben das Unternehmen gemeinschaftlich, sind also auch Besitzer/Nutzer des Inventars).
STAMMES- UND FEUDALGESELLSCHAFTEN:
In Stammes- und Feudalgesellschaften gibt es kein Eigentum (keine Haftung mit dem dazugehörigen Verlustrisiko bei Unfähigkeit, einen Kredit zurückzuzahlen). Natürlich gibt es aber sowohl Individual- wie Gemeinschaftsbesitz:
Individualbesitz:
Speer und Schild eines Indianerkriegers.
Gemeinschaftsbesitz:
Das Stammesgebiet, das der Stamm als"seines" beansprucht (siehe dazu auch nochmal das Münnich-Zitat oben).
Diese Unterscheidungen bringen Klarheit in die Verwirrung, die in der Literatur über die Begriffe Eigentum und Besitz besteht. Es wird klar, daß für Wirtschaft nicht die Unterscheidung von individueller und kollektiver Zuordnung von Sachenrechten besteht - beides gibt es in allen Gesellschaften. Sondern in der Unterscheidung zwischen Besitz (Recht der Verfügung über die NUTZUNG einer Sache) und Eigentum (Titel, der als Kreditsicherheit verpfändet werden kann und Gegenstand der Haftung ist, unabhängig davon, wer ihn nutzt).
In dem das Kriterium der Haftung als Definitionsmerkmal des Eigentums eingebracht wird, das es von bloßem Besitz unterscheidet, haben wir nun Definitionen, die mit der wirtschaftspraktischen Realität genauso im Einklang stehen wie mit der wirtschaftsethnologischen und wirtschaftshistorischen Forschung. Sie erlauben es auch, die in diesen Disziplinen bestehende Verwirrung um den Eigentumsbegriff zu beheben und kann diesen Disziplinen ganz neue Fragestellungen eröffnen.
Sie ermöglichen es auch, die Frage nach dem historischen Ursprung von Eigentum wieder sinnvoll zu stellen: es geht nämlich darum, wie es zu der für Eigentum charakteristischen Vertragsfreiheit/Privatautonomie und der dazugehörigen Haftung kam, die den längerfristig unauflöslichen verwandtschaftlichen Solidarbeziehungen in Stammesgesellschaften und den Abgaben- und Schutzpflichten in Feudal/Befehlsgesellschaften so diametral gegenüberstehen.
Und es ermöglichen es meiner Meinung nach auch, ein einfaches und schlüssiges Modell des Zusammenhangs von Eigentum, Vertrag (inclusive Haftung), Kredit, Zins, Geld und Entwicklungsdynamik zu entwickeln, das die Dynamik unserer westlichen Geldwirtschaften besser erklärt als jedes andere Modell, das ich kenne.
Gruß Moneymind

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