- Der Referentenentwurf: Hier Veräußerungsgewinne - Popeye, 06.11.2002, 10:33
- Was sagt wohl Familie Quandt dazu? (owT) - Dieter, 06.11.2002, 11:10
- Re: Was sagt wohl Familie Quandt dazu? Sie macht eine GmbH, aber die Assekuranz? - dottore, 06.11.2002, 12:09
- Gute Frage; wer glaubt wirklich, daß die Steuern zahlen, falls sie BMW verkaufen - Silberblick, 06.11.2002, 12:11
- Was sagt wohl Familie Quandt dazu? (owT) - Dieter, 06.11.2002, 11:10
Der Referentenentwurf: Hier Veräußerungsgewinne
-->Dem deutschen Aktienmarkt droht
eine Verkaufswelle
Referentenentwurf sieht Stichtag vor, von dem an alle
Veräußerungsgewinne besteuert werden
ham./mas. FRANKFURT/BERLIN, 5. November. An der
deutschen Börse geht die Angst vor einer Verkaufswelle um.
Der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums sieht
eine vollständige Rückwirkung der Besteuerung aller
Wertzuwächse von Wertpapieren und vermieteten Immobilien
vor. Neben Aktien sollen darunter auch Genußscheine,
Fondsanteile und GmbH-Anteile fallen. Demnach müssen
Anleger auf alle Veräußerungsgewinne Einkommensteuer
bezahlen, die - so wird spekuliert - nach dem 21. Februar 2003
anfallen, unabhängig davon, wann die Wertpapiere oder
Immobilien angeschafft wurden. Dieser Tag ergibt sich aus
dem Referentenentwurf und dem geplanten
Gesetzgebungsprozeß. Paragraph 52 Absatz 39 sieht vor, die
neue Steuerpflicht erstmals auf Wertpapiere oder Grundstücke
anzuwenden, die am Tag des Gesetzbeschlusses verkauft
worden sind. Maßgeblich soll dafür die zweite und dritte
Lesung im Bundestag sein. Sie ist für die 21. Februar
vorgesehen. Damit könnte die Neuregelung erstmals am 22.
Februar greifen - Voraussetzung ist, daß der Bundesrat
anschließend die von der Bundesregierung betriebene
Besteuerung der Veräußerungsgewinne mitträgt. Doch selbst
dann, kann es noch anders kommen. Die darauf aufbauende
Frage wäre, ob die Länderkammer auch bereit ist, die Regelung
rückwirkend anzuwenden. Das Bundesfinanzministerium wies
am Dienstag darauf hin, daß die Terminplanung für den
Gesetzgebungsprozeß (und damit der Termin für die erstmalige
Anwendung der Neuregelung) nicht in Beton gegossen sei.
Das Deutsche Aktieninstitut rechnet, falls es zu der sich
abzeichnenden rückwirkenden Besteuerung abhängig vom
Verkaufstermin kommt, mit schweren Auswirkungen auf das
Börsengeschehen. Wenn die privaten Anleger nur einen kleinen
Teil ihrer Aktien, die sie länger als ein Jahr besäßen,
veräußerten, um eine Stichtagsregelung zu umgehen, werde der
Wiederanstieg des Dax auf absehbare Zeit verhindert, sagt der
Direktor des Aktieninstituts, Franz-Josef Leven. Nach seinen
Angaben sind etwa 15 Prozent der Aktien in den Händen
privater Anleger - davon schätzungsweise 70 bis 80 Prozent
länger als ein Jahr.
Bislang sind Veräußerungsgewinne von Wertpapieren
einkommensteuerpflichtig, wenn zwischen An- und Verkauf
weniger als ein Jahr vergangen ist und wenn der Saldo aller
Gewinne und Verluste die Freigrenze von 512 Euro
überschreitet. Veräußerungsgewinne mit Aktien werden nur mit
der Hälfe berücksichtigt (Halbeinkünfteverfahren). Für
vermietete Immobilien gilt eine Haltefrist von zehn Jahren, nach
der der Wertzuwachs steuerfrei ist. Veräußerungsgewinne
können mit entsprechenden Verlusten verrechnet werden.
Insofern sollten Anleger, die auf Verlusten mit Wertpapieren
sitzen, diese bis zum Stichtag der neuen Regelung nicht
verkaufen. Denn später realisierte Verluste sollten mit später
anfallenden Gewinnen gegengerechnet werden können.
Lange gehaltene Aktien jetzt mit Gewinn zu verkaufen, dürfte
hingegen auch aus Praktikabilitätsgründen sinnvoll sein. Denn
wer weiß schon, zu welchem Preis die Finanzverwaltung
annehmen wird, daß diese Aktien gekauft wurden.
Insbesondere bei vererbten Aktien, bei denen weder das
ausführende Institut noch der Zeitpunkt des Kaufs einfach zu
bestimmen sein dürften, werden hohe Kosten anfallen, um
einen für den Anleger"fairen" Kurs zu bestimmen. Wer von
einer Aktie nach wie vor überzeugt ist, kann sie aus
steuerlicher Sicht nach dem Einstreichen des vollen
Veräußerungsgewinns wieder kaufen.
Die rückwirkende Besteuerung von Veräußerungsgewinnen,
unabhängig davon, wann die Wertpapiere und Immobilien
angeschafft worden sind, verstößt nach Einschätzung des
deutschen Bankgewerbes gegen das Grundgesetz."Wie die
Bundesregierung die Rückwirkung verfassungsfest machen
will, ist mir völlig schleierhaft", sagte der Geschäftsführer des
Bundesverbands Deutscher Banken, Thomas Weisgerber, am
Dienstag in Berlin. Diese Regelung werde sofort vom
Bundesverfassungsgericht kassiert. Er riet den davon
betroffenen Steuerzahlern, im Falle des Falles dagegen sofort
Widerspruch beim Finanzamt einzulegen. Allerdings werde es
mehrere Jahre dauern, bis der Rechtsstreit ausgefochten sein
werde.
Demnächst muß das Bundesverfassungsgericht entscheiden,
ob die Verlängerung der Haltefrist von zwei auf zehn Jahre für
vermietete Immobilien, wie sie die Bundesregierung vor
wenigen Jahren beschlossen hat, verfassungsgemäß ist. Dies
ist insbesondere fraglich für Immobilien, die schon aus der
zweijährigen Frist"herausgefallen" waren. Eng damit verknüpft
ist die Frage, ob die Verlängerung der Haltefrist für
Wertpapiere von sechs auf zwölf Monaten verfassungswidrig
ist. Beide Verlängerungen hatte der damalige
Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine auf den Weg gebracht.
In Berlin präsentierte sich am Dienstag eine breite Front aus
Wirtschaftsverbänden gegen die Pläne der Regierung. Vertreter
aus Kreditgewerbe, Fondsgesellschaften,
Aktionärsvereinigungen und Industrie machten
steuersystematische, fiskalische und wirtschaftliche Gründe
geltend. Unabhängig, wie die Regelung im einzelnen
ausgestaltet werde, schade die Besteuerung von
Veräußerungsgewinnen dem Finanzplatz Deutschland, betonte
Thomas Weisgerber, der Geschäftsführer des
Bundesverbandes deutscher Banken. Das Geld, das der
Finanzminister erhoffe, mit links einzunehmen (300 Millionen
im nächsten, 600 Millionen Euro jeweils in den folgenden
Jahren), werde rechts um ein Mehrfaches verloren, warnte er.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.11.2002, Nr. 258 / Seite 21

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