- Internationale Pressestimmen zur US-Wahl - stocksorcerer, 07.11.2002, 11:14
Internationale Pressestimmen zur US-Wahl
-->INTERNATIONALE PRESSESTIMMEN
"Mit den Konsequenzen leben - und sterben"
US-Präsident George W. Bush ist gestärkt aus den Wahlen in den USA hervorgegangen. Die europäische Presse reagiert überwiegend mit Besorgnis angesichts der Folgen eines Rechtsrucks jenseits des Atlantiks und der gestiegenen Gefahr eines neuen Irak-Kriegs.
"The Guardian", Großbritannien: Wie Thatcher nach dem Falkland-Krieg hat Bush eine Kriegswahl gewonnen. Letztlich hat nur einer von sechs Amerikanern für seine Partei gestimmt - aber diese Wähler haben ihm nun alles gegeben, wovon er nur träumen konnte. Die Amerikaner haben diese Woche eine schicksalhafte Entscheidung getroffen. Sowohl sie als auch der Rest der Welt werden mit den Konsequenzen leben - oder in einigen Fällen sterben - müssen.
"The Daily Telegraph", Großbritannien: Präsident Bush hat jetzt das einzige Mandat, das für ihn zählt: das des amerikanischen Volkes. Wir sind davon überzeugt, dass er seine Pläne zur Befreiung des Iraks nun durchsetzen wird, ganz gleich was bei den Vereinten Nationen geschieht.
"Le Monde", Frankreich: Gespalten in der Frage der Politik gegenüber dem Irak und auch bei den Steuersenkungen, haben die amerikanischen Demokraten bei Bush keine Angriffsfläche gefunden. Man kritisiert nicht den Präsidenten, wenn das Land bedroht ist. Die USA schätzen sich also als verletzbar ein, auch wenn sie auf dem Höhepunkt ihrer Allmacht stehen. Dieses Paradoxon erklärt den ebenfalls paradoxen Präsidenten, der das Image von Herrn Jedermann pflegt und gleichzeitig über ein gigantisches Militärbudget entscheidet.
"Les Echos", Frankreich: Der Irak wird mit harten Bedingungen konfrontiert. Der Spielraum ist eng. Und die US-Armee bereitet sich weiter auf eine militärische Intervention vor. Durch den Sieg der Republikaner bei den US-Wahlen hat Präsident Bush quasi eine Blankovollmacht erhalten, nachdem ihm zuvor schon die Demokraten ihre Unterstützung versichert haben. Mit anderen Worten, der Krieg findet nicht heute statt, aber er kann immer noch morgen ausbrechen.
"De Volkskrant", Niederlande:"Die Welt von Bush ist übersichtlich. Er unterscheidet messerscharf zwischen Freund und Feind, Gut und Böse. Zudem ist er ein Mann starker moralischer Überzeugungen. Dies alles spricht die Amerikaner an. Für Europa gilt das nicht. Was die Amerikaner als übersichtlich und deutlich ansehen, ist für die Europäer simpel, plump und moralistisch. Aus dieser Perspektive muss man den Erfolg von Bush bei den Kongresswahlen als aufschlussreich bewerten. Er symbolisiert die breite Kluft, die sich zwischen beiden Seiten des Atlantischen Ozeans aufgetan hat.
"Algemeen Dagblad", Niederlande: Aus einer Position der Stärke wird Präsident Bush die Politik in der zweiten Hälfte seiner ersten Amtszeit bestimmen. Konkrete innenpolitische Erfolge sind jedoch nicht garantiert. Seine republikanische Mehrheit ist so klein, dass er in wichtigen Fragen immer auf Unterstützung durch Demokraten angewiesen ist. Das wirkt bremsend und ist positiv. Der Irak spielte im Wahlkampf kaum eine Rolle, aber das macht nichts, denn das Ergebnis kann als Freibrief für eine Militäraktion ausgelegt werden.
"Neue Zürcher Zeitung", Schweiz: Das republikanische Übergewicht im Kongress ist zwar klar, aber nur knapp, und ein nationales politisches Mandat lässt sich aus den Resultaten kaum herauslesen. Bush wird sich an den alten Spruch"nobody controls Congress" erinnern. Niemand hat eiserne Kontrolle über den Kongress, wo persönliche Allianzen und pragmatisches Vorgehen gewöhnlich den Takt angeben, weit mehr als in europäischen Parlamenten.
"Aftenposten", Norwegen): Bush ging ein hohes Risiko ein, als er im Wahlkampf 40 Staaten besuchte, davon 15 in den letzten fünf Tagen. Es wäre die Niederlage von Bush gewesen, wenn das schief gegangen wäre. Jetzt wurde daraus fast ein persönlicher Sieg, weil es geklappt hat. In der Irak-Frage hat Bush mit doppelter Zunge gesprochen, sich damit aber auch zwei Möglichkeiten offen gehalten. Es wäre beunruhigend, sollte er das Wahlergebnis nun in eine Konfrontationslinie umsetzen, mit der sich die Meinungsverschiedenheiten sowohl zwischen den Ländern in Nahost als auch mit den europäischen US-Partnern verschärfen würden.
"El Periódico de Catalunya", Spanien: Der Wahlausgang bedeutet einen klaren Rechtsruck in den USA. Die Amerikaner stellten sich hinter die imperiale Politik von Präsident George W. Bush. Nun wurde eindeutig bestätigt, dass die Gesellschaft in den USA auf die Terroranschläge vom 11. September mit einer Kehrtwendung zu einer konservativen Linie reagiert hat. Dies dürfte Bush dazu bewegen, sich noch mehr dem Krieg gegen den Terror zu widmen, Saddam Hussein zu stürzen und ohne Rücksicht auf die Verbündeten der ganzen Welt seine Großmachtpolitik aufzuzwingen. Ein düsteres Szenario.
"Corriere della Sera", Italien: Bush hat die Gegner besiegt und die Wahl in ein Referendum über seine Präsidentschaft verwandelt. Aber er hat nicht den Bruch zwischen den beiden Seelen der Supermacht geheilt, vielmehr hat er ihn verstärkt. Wenn die zweite Hälfte seines Mandats zu neuen Aushöhlungen der Bürgerrechte im Namen der Sicherheit oder zu weiteren Kürzungen im Sozialwesen führen sollte, falls sich der Kongress zu sehr nach rechts verschiebt, könnten die Kräfte in der Wählerschaft kippen.
"La Repubblica", Italien: Jetzt trägt Bush die Krone und das politische Mandat, die ihm für zwei Jahre die Kontrolle des Weißen Hauses, des Senats, des künftigen höchsten Gerichts garantieren. Nach einer Wahl, die nur einen sicheren Verlierer hervorgebracht hat: Saddam Hussein.
"Luxemburger Wort", Luxemburg: Außenpolitisch sieht sich der Präsident in seiner entschlossenen Politik gegenüber der Bedrohung durch Terroristen und Schurkenstaaten gestärkt. Er muss nicht fürchten, dass die Demokraten ihm Knüppel zwischen die Beine werfen. Amerikas internationale Partner wie Gegner sollten sich schon einmal auf einen noch selbstbewussteren Herrn im Weißen Haus einstellen. Der Irak dürfte dies als Erster zu spüren bekommen.
winkääää
stocksorcerer
<ul> ~ Quelle (DerSpiegel)</ul>

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