- @Dimi - Besitz/Eigentum+Haftung - moneymind, 07.11.2002, 23:54
- Großartiger Beitrag; missing link = FREIHEIT! Freie Menschen sind schöpferisch! (owT) - Galiani, 08.11.2002, 10:08
- Re: Großartiger Beitrag; missing link = FREIHEIT! - Galiani - nereus, 08.11.2002, 10:51
- Freiheit??? Aber wer wird denn... ;-) - silvereagle, 08.11.2002, 12:26
- Re: Freiheit??? Aber wer wird denn... ;-) - Du bist schon eine harte Nuß - nereus, 08.11.2002, 16:16
- Re: Bevölkerung und Geldentstehung - moneymind, 09.11.2002, 02:28
- Re: Bevölkerung und Geldentstehung - moneymind - nereus, 09.11.2002, 16:37
- Re: Bevölkerung und Geldentstehung - moneymind / @ALLE - -- ELLI --, 09.11.2002, 16:52
- Re: Deine Zusammenfassung der Gelddiskussion - moneymind, 09.11.2002, 22:26
- Re: Bevölkerung und Geldentstehung - moneymind - nereus, 09.11.2002, 16:37
- Freiheit??? Aber wer wird denn... ;-) - silvereagle, 08.11.2002, 12:26
- Re: Freie Menschen sind schöpferisch - moneymind, 09.11.2002, 02:22
- Menschen unter Druck sind kreativer - Pudelbirne, 11.11.2002, 02:35
- Möchte ich nicht unbedingt bestätigen - Turon, 11.11.2002, 04:11
- Re: Möchte ich nicht unbedingt bestätigen - Pudelbirne, 11.11.2002, 06:37
- Re: Möchte ich nicht unbedingt bestätigen - Turon, 12.11.2002, 16:06
- Re: Möchte ich nicht unbedingt bestätigen - Pudelbirne, 11.11.2002, 06:37
- genauso sehe ich es auch: der Terror der Sozis gegen den Bürger - Bob, 12.11.2002, 08:42
- Möchte ich nicht unbedingt bestätigen - Turon, 11.11.2002, 04:11
- Re: Großartiger Beitrag; missing link = FREIHEIT! - Galiani - nereus, 08.11.2002, 10:51
- Re: Die Tiere einer Karawane, die Ziegen, und der Käse - Moneymind - Dimi, 09.11.2002, 14:20
- Re: Die Tiere einer Karawane, die Ziegen, und der Käse - moneymind, 09.11.2002, 18:58
- Re: Die Tiere einer Karawane, die Tiere einer Karawane... - Moneymind - Dimi, 09.11.2002, 22:42
- Re: Jussuf, sein Kamel und seine Camel Boots - moneymind, 10.11.2002, 18:22
- Re: Achmed hat das Kamel von Jussuf beliehen - Moneymind - Dimi, 10.11.2002, 23:19
- Re: Achmed hat das Kamel von Jussuf beliehen - Moneymind - moneymind, 11.11.2002, 12:13
- Re: Achmed hat das Kamel von Jussuf beliehen - Moneymind - Dimi, 11.11.2002, 22:53
- Re: Achmed hat das Kamel von Jussuf beliehen - Moneymind - moneymind, 11.11.2002, 12:13
- Re: Achmed hat das Kamel von Jussuf beliehen - Moneymind - Dimi, 10.11.2002, 23:19
- Re: Jussuf, sein Kamel und seine Camel Boots - moneymind, 10.11.2002, 18:22
- Re: Die Tiere einer Karawane, die Tiere einer Karawane... - Moneymind - Dimi, 09.11.2002, 22:42
- Re: Dieses ist z.B. ein Eigentumsnachweis: - dottore, 10.11.2002, 19:07
- Re: Dieses ist z.B. ein Eigentumsnachweis: - Dimi, 10.11.2002, 23:34
- Re: Warum Pfand und nicht Tausch? Was sagt überhaupt XSurvivor...?! - dottore, 11.11.2002, 17:27
- Re: Warum Pfand und nicht Tausch? Was sagt überhaupt XSurvivor...?! - Dimi, 11.11.2002, 22:48
- Re: Warum Pfand und nicht Tausch? Was sagt überhaupt XSurvivor...?! - dottore, 11.11.2002, 17:27
- Re: Dieses ist z.B. ein Eigentumsnachweis: - Dimi, 10.11.2002, 23:34
- Re: Die Tiere einer Karawane, die Ziegen, und der Käse - moneymind, 09.11.2002, 18:58
- Großartiger Beitrag; missing link = FREIHEIT! Freie Menschen sind schöpferisch! (owT) - Galiani, 08.11.2002, 10:08
@Dimi - Besitz/Eigentum+Haftung
-->Hallo Dimi,
ich komme erst jetzt zum antworten, deshalb hier nochmal der Link zu Deinem ursprünglichen Posting:
http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/152064.htm
Du schreibst dort, daß für Dich „Eigentum in diesem Kontext ein suboptimaler Begriff ist, der mehr verschleiert, als er offenbart“.
Suboptimal im Hinblick worauf (welche Fragestellung, welches Erkenntnisziel?).
Da Du nicht schreibst, im Hinblick auf welches Erkenntnisziel du die Unterscheidung Eigentum/Besitz und die Verknüpfung Eigentum/Vermögenshaftung für suboptimal hältst, kann ich erstmal nur so antworten, daß ich präzisiere, wozu ich sie für nützlich halte.
Meine Interessen bestanden vor allem darin, die Fortschritts-/Entwicklungsdynamik des modernen Kapitalismus zu verstehen - und zu verstehen, warum es die in anderen Gesellschaftsformen so nicht gibt: wo genau also die entscheidenden Unterschiede in der Gesellschaftsstruktur liegen, die zu diesem „Wachstum“ führen. Und ich wollte wissen, welche Rolle das Geld dabei spielt. Das ist also eigentlich ein entwicklungstheoretisches Erkenntnisinteresse.
Wozu? Um herauszufinden, was zu tun wäre, wenn man diese Dynamik a) installieren oder b) abstellen möchte.
Dafür halte ich mittlwerweile die Unterscheidung Eigentum/Besitz für einen wichtigen Grundbaustein. Sie liefert meiner Meinung nach die Grundlage für ein realitätskonformes und alltagstaugliches Modell des Zusammenhangs von Eigentum, Vertrag (incl. Haftung), Schuld, Forderung, und dann - als Brücke vom Recht zur Wirtschaftstheorie - Geld (als Forderung), gesamtwirtschaftlicher Geldknappheit und Konjunkturzyklen als Kreditzyklen.
Ich will also mal versuchen, genauer zu beschreiben, wo ich den Nutzen der Unterscheidung Eigentum/Besitz und der Verknüpfung Eigentum/Vermögenshaftung sehe für so ein Modell sehe, um dann in ein paar Ansätzen zu beschreiben, wo ich die Verknüpfung von der Eigentums-/Besitz-Debatte zur zur Gelddebatte sehe (in der Gelddebatte ist mir einiges noch nicht klar, und ich werde bei Gelegenheit dazu noch ein paar Überlegungen und Fragen an das Board posten).
Einiges von dem, was ich gleich schreibe, wiederholt vielleicht zum x-ten Mal Dinge, die hier längst diskutiert wurden. Falls das so ist, sorry, ich konnte nicht alle Diskussionen hier mitverfolgen, und kenne das Board auch noch nicht so lange. Aber vielleicht springt ja doch der eine oder andere neue Aspekt/Blickwinkel dabei heraus. Meiner Meinung nach könnte sich dabei z.B. vielleicht auch ein neuer Blickwinkel ergeben, der z.B. zur Klärung des hier kürzlich diskutierten Akzeptanzproblems bei Fiat Money nützlich sein könnte.
Du schreibst also, Eigentum sei für Dich „ein suboptimaler Begriff“, weil man es nicht beobachten könne.
Ja, Eigentum kann man nicht beobachten - doch das interessante daran ist für mich, daß trotzdem es dort, wo es nicht nur Besitz, sondern auch Eigentum und ein ziviles Schuldrecht gibt, der"Wohlstand" viel höher ist als in Nationen, wo dieses Rechtssystem fehlt (das ist ja das große Thema von DeSoto: „The Mystery of Capital“, Link dazu hatte Fürst Luschi kürzlich gepostet).
Eigentum (in der von mir verwendeten Bedeutung - siehe letztes Posting und weiter unten in diesem Posting) hat mit den physischen Eigenschaften der Güter, auf die es sich bezieht, im Prinzip nichts zu tun. „Eigentum“ es ist keine Gütereigenschaft, sondern ein einer Person zugeordneter Rechtstitel. Trotzdem veranlasst eine auf Eigentumsrechten basierende zivile Rechtsordnung die dort lebenden Menschen offensichtlich irgendwie dazu, mit denselben Mitteln mehr und produktiver zu arbeiten - und natürlich dann auch mal unter Zeitnot, Hektik und Überarbeitung zu leiden und sich im Urlaub auf den Fidji-Inseln dann kopfschüttelnd über die Gelassenheit, Lebensfreude und Freigiebigkeit der „faulen“ „Fidji-Indianer“ zu wundern. Eigentumsordnung und Produktivität korrelieren.
Um Dir beobachtbare Beispiele zu liefern: denk doch mal an eine selbstversorgenden Bergbauernfamilie ohne jeden Kontakt zur Zivilisation. Diesen Bauern interessiert das Vieh und der Boden, den er bewirtschaftet, in erster Linie als Lebens- und Produktionsmittel, nur im Hinblick auf seine stofflichen Eigenschaften. Der Bauer interessiert sich nur (um einen Begriff von Marx zu verwenden) für den Gebrauchswert seines Viehs und des Bodens - also für die Besitz-Seite. Es genügt ihm, das Vieh zur Verfügung zu haben. Einen extra Eigentumstitel daran bräuchte er nicht - wozu auch? Er nutzt seinen Boden und sein Vieh - er baut Getreide und Gemüse an und mästet sein Vieh. Er hat Besitzrechte am Boden und Vieh. Nicht jedoch Eigentumsrechte - er hat keinen Eigentumstitel daran und braucht auch keinen.
Besitzrechte verstehe ich dabei als das Recht und die Möglichkeit, über die Nutzung einer Sache verfügen zu können und andere von der Nutzung ausschließen zu können und das von meinen Mitmenschen auch anerkannt zu bekommen. Besitzrechte beziehen sich also immer auf den Gebrauchswert einer Sache. Ich besitze einen Gegenstand, wenn ich ihn habe und benutzen kann.
Ab und zu tauscht der Bauer mit seinem Nachbarbauern je nach Saison einen Sack Kartoffeln, Getreide oder ein paar Köpfe Salat ein gegen Honig (sein Nachbar hat weniger Vieh, ist aber Imker) oder Ziegenmilch (der Nachbar hat Ziegen, er nicht). Auf die Idee, seinem Nachbarn seinen Acker zu verkaufen, kommt er nicht. Wozu auch? Er hat dieses Jahr einen Teil des Ackers seinem Nachbarn zur Nutzung überlassen, weil er Getreide noch vom letzten Jahr hat, wo es eine gute Ernte gab und dieses Jahr einen Teil des Ackers entbehren kann. Der Nachbar möchte dort Salate anbauen. Im Gegenzug hat sein Nachbar versprochen, ihn in die Geheimnisse der Imkerei einzuweihen.
Diese Vereinbarung haben sie natürlich mündlich getroffen - denn man hält Wort unter Nachbarn, das gehört sich so. Aufschreiben - wozu? Wechselte dabei irgendwelches Geld die Hände - als Tauschmittel? Nein, wozu auch? Das hätte die ganze Sache unnötig kompliziert.
Wenn der Nachbar sein Versprechen nicht einhalten kann, den Bauer dieses Jahr in die Imkerei einzuweihen, weil seine Frau krankgeworden ist und er sie pflegen muß, fordert er von ihm nicht den Salatacker zurück, den er ja dieses Jahr nicht braucht. Er hilft seinem Nachbarn beim Anbau, weil dessen Frau es ja nicht tun kann, und sie verschieben den Imkerei-Kurs aufs nächste Jahr. Sollte der Nachbar die Abmachung aus bösem Willen nicht einhalten, dann würde er einfach den Acker zurückfordern und in Zukunft beim Tauschen vom Nachbarn etwas mehr verlangen, damit der Ausgleich von Geben und Nehmen wiederhergestellt ist.
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Es werden also Güter und Leistungen getauscht und verliehen - doch wird nichts verkauft oder gekauft. Eigentumstitel braucht es nicht - auch ein allgemeines Tauschmittel und ein allgemeiner Wertmaßstab sind nicht nötig. Es wird ein Weg gefunden, das Einhalten von Versprechen sicherzustellen oder das Nichteinhalten von Versprechen zu kompensieren und einen Ausgleich von Geben und Nehmen herzustellen - ganz ohne Eigentum, ohne Vermögenshaftung, ohne einen zentralen Rechtsstaat, der das Eigentum und die Zwangsvollstreckbarkeit von Verträgen sichert. Und deswegen braucht es auch keine schriftlichen Verträge oder eine schriftliche Eigentumsdokumentation.
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Der Bauer möchte nun seinen Kindern ein Studium bezahlen können, und vielleicht auch um sich und seiner Frau ein Auto kaufen zu können. Dafür braucht er Geld.
Er hat aber kein Geld - denn Geld brauchte er bisher gar nicht. Er stellte ja alles, was er brauchte, selber her. Und manches, was er nicht herstellen konnte, konnte er von seinem Nachbarn gegen einen überschüssigen Sack Getreide oder sonst etwas eintauschen. Irgendein Tauschmittel brauchte er dazu nicht, auch keinen „allgemeinen Wertmaßstab“. Er wusste gar nicht, was das sein sollte. Er rechnete da mit seinem Nachbarn manchmal einfach in Arbeitszeiteinheiten, oder tauschte halt, was man gerade hatte. Feste Tauschraten gabs dabei nicht, es kam immer drauf an, was halt grad da war. Wozu brauchte er Geld? Als Tauschmittel? Unnötig. Als Wertmaßstab? Nein, wozu? Die Wertmaßstäbe und Tauschraten ergaben sich jedesmal aus dem Umständen. Als „Wertspeicher“? Wozu? Er hatte doch sein Haus, seinen Stall und seinen Acker - alles, was er zum Leben brauchte. Wozu also Papierfetzen, die man nicht essen kann? All dieses neumodische Zeugs brauchte er doch gar nicht.
Aber jetzt, für seine Kinder, die müssen ja auch in der neumodischen Zeit zurechtkommen... „und wenn ich dafür nun dieses Geld brauche“, dachte er sich, „dann soll´s halt so sein! Für meine Kinder mache ich das, da gibt´s gar keine Frage.“
Er muß also jetzt mehr produzieren, als er für sich selber und seine Familie braucht, um den Überschuss gegen Geld verkaufen zu können. Dazu muß er vielleicht zwei Äcker zusätzlich bebauen, die bisher mangels Bedarf an größeren Ernten brachlagen. Um die sinnvoll zu bebauen, braucht er vielleicht einen Traktor und einen Mähdrescher.
Da er also kein Geld für einen Traktor und einen Mähdrescher hat, braucht er einen Kredit. Die Bank macht ihm klar, daß er für die Rückzahlung des Kredits mit seinem Eigentum haften müsse und verlangt sogar noch zusätzliche Sicherheiten. Er verpfändet ihr dafür seine beiden Äcker und bekommt dafür Geld. Dafür muß er der Bank u.a. nachweisen, daß er und nicht sein Nachbarbauer Eigentümer des Ackers ist.
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Jetzt braucht er zum ersten Mal einen Eigentumstitel am Acker - einen notariell beglaubigten Eintrag im Grundbuch der nächsten Gemeinde.
Eigentum verstehe ich dabei als belastbaren, haftenden Vermögenstitel, der zum Besitz dazukommt und unter anderem auch den Besitz schützt. Wesentlich fürs Wirtschaften (nicht im physischen, sondern im rechnerischen Sinne, im Sinne des accounting/der Bilanzierung) ist aber nicht, daß der Eigentumstitel den Eigentümer gegen den Besitzverlust durch Diebe schützt. Sondern, daß der Eigentumstitel einen haftenden Vermögenswert darstellt.
Wenn ich Eigentum so definiere, übernehme ich nur den juristischen Eigentumsbegriff, der mit der alltäglichen Verwendung nicht übereinstimmt. Dazu Belege aus einem Standardlehrbuch des Schuldrechts:
„Im Leben spricht man vielfach von Verfügungen über eine Sache; man spricht z.B. von der Übertragung eines Grundstücks, wenn man die Bestellung eines aus dem Eigentum abgeleiteten dinglichen Rechts, eine Beschränkung des Eigentums also, meint. Auch das Gesetz bedient sich mitunter dieses Sprachgebrauchs. So spricht es in den §§ 883 Abs. 2, und 1821, Abs. 1 Nr. 1 (BGB) von Verfügungen über ein Grundstück. Dieser unscharfe Sprachgebrauch darf indessen nicht irreführen. Mit der Verfügung über eine Sache ist die Verfügung über das Eigentum an dieser Sache gemeint. Da das Eigentum als das Vollrecht an der Sache mit dem Eigentümer die Summe der Nutzungs- und Verwertungsbefungnisse,die ihren wirtschaftlichen Wert ausmachen, zuordnet, so wird das Eigentum mit der Sache selbst vielfach identifiziert. Eine Sache zu „Haben“ und sie rechtens für dauernd, d.h. als Eigentümer, zu haben erscheint einer nicht differenzierenden Betrachtung als gleichbedeutend. Der Jurist muß indes beides auseinanderhalten“ (Karl Larenz - Lehrbuch des Schuldrechts, Band 1: Allgemeiner Teil, München 1983, S 299)
„Das Vermögen ist eine Summe, eine Zusammenfassung von Rechten, und zwar im Hinblick auf eine bestimmte Person, der sie zustehen. Auch hier begegnet uns wieder die Gleichsetzung der Sache mit dem Eigentum an der Sache; so, wenn in einer Vermögensaufstellung nacheinander angeführt werden: Grundstücke, bewegliche Sachen, Forderungen und andere Vermögensrechte. Gemeint sind; Eigentumsrechte an Grundstücken, Eigentumsrechte an beweglichen Sachen, Forderungen und sonstige Rechte. Mit Recht sagt v. Tuhr: „Keine unmittelbaren Bestandteile des Vermögens sind die Objekte der zum Vermögen gehörenden Recht; das Vermögen besteht aus dem Eigentum an den Sachen,die dem Berechtigten gehören, nicht aus den Sachen selbst, aus den Forderungen, nicht aus den Leistungsgegenständen, die vermöge der Forderung verlangt werden können.“ (K. Larenz: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. München 1989, S. 304f.).
Zum Besitz:
„Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben.“ (§ 854, Abs. 1 BGB).
Zum Thema: „gibt es Eigentum immer und überall?“
"Auf die primitiven Einrichtungen paßt der Begriff"Besitzes" weit besser als der des Eigentums. Ein Eigentum in unserem Begriffe kann sich nur aus einem langen kontinuierlichen und ungestörten Besitz entwickeln, und auch dann erst, wenn man beginnt, den Besitz öfter zu übertragen, nachdem sich Rechtsgeschäfte herausgebildet haben, die solche Besitzübertragungen ohne Aufgabe des Rechts an der Sache ermöglichen, wie z.B. die Verpfändung. Ehe die Begründung von Schuldverhältnissen üblich wurde, war für ein Rechtsinstitut wie das des Eigentums gar kein Bedürfnis gegeben." (Quelle: William Seagle: Weltgeschichte des Rechts. München: C.H. Beck 1967, S. 84)
Kurz zusammengefaßt: Besitz ist ein Nutzungsrecht und bezieht sich auf den Gebrauchswert einer Sache. Besitzrechte gibt es immer und überall, und werden in verschiedenen Gesellschaften verschieden geregelt. Eigentum ein Vermögens- und Verwertungsrecht und bezieht sich auf den Vermögenswert und Vermögenstransaktionen. Eigentum gibt es nur im Kontext einer zivilen Rechtsordnung mit Vertragsfreiheit und Schuldrecht incl. Haftung. Wenn Eigentumsrechte neu geschaffen werden, ersetzen nicht etwa die Besitzrechte, sie kommen zu den weiterhin bestehenden Besitzrechten dazu. Ein Kauf z.B. übertragt im Kaufvertrag das Eigentumsrecht, den Besitz durch Übergabe.
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Zurück zum Bergbauern: Jetzt hat sein Grundstück, das er voher zwar besaß, aber auf das er keinen Eigentumstitel hatte und auch keinen brauchte, für ihn eine Eigentumsdimension bekommen. Zum ersten Mal hatte das Grundstück für ihn nicht nur die Bedeutung eines Gebrauchswerts - eines nützlichen Arbeitsmittels - sondern die Bedeutung eines Vermögenswerts. Denn die Bank hatte ihm gesagt, er müsse mit seinem Vermögen für die Rückzahlung des Kredits haften.
Vorher war er lediglich Besitzer des Bodens, und dieser Besitz wurde von all seinen Nachbarbauern anerkannt - denn es war einfach schon immer so gewesen, daß dieses Stück Land zu ihm und seiner Familie gehörte. Er hatte es von seinem Vater geerbt, und dessen Nachbarbauern hatten seinen Besitz ebenfalls anerkannt. Einen Eigentumstitel brauchte er nicht - wozu alles aufschreiben? Es war doch seit langem ganz klar und jeder wusste Bescheid daß ihm der Acker gehörte. Es war immer so gewesen, für lange Zeit. So einfach vertreiben lassen würde er sich nicht, doch das hatte seit langer Zeit auch niemand mehr versucht.
Doch der Bank genügte das nicht! Sie verlangte von ihm einen Eigentumstitel! Also ging er aufs Rathaus der nächstliegenden Gemeinde und ließ sich den Acker ins Grundbuch eintragen, was der örtliche Beamte nach ein paar Formalitäten dann auch besorgte.
Er mußte jetzt dafür sorgen, daß er den Kredit auch zurückbezahlt - sonst läuft er Gefahr, den Acker an die Bank zu verlieren, und das will er nicht. Denn mit dem Erlös aus dem Ertrag des Ackers soll ja das Studium der Kinder finanziert werden. Er hat also sein Eigentum belastet und sich damit einem Verlustrisiko ausgesetzt, das ihn nun zwingt, mehr zu produzieren und den Überschuss zu verkaufen, um den Kredit zurückzuzahlen. Schafft er es nicht, verliert er den Acker und damit die Möglichkeit zur weiteren Produktion von Überschüssen. Dann kann er entweder weiter Kredite aufnehmen, oder den Plan, das Studium seiner Kinder zu unterstützen, vergessen. Er kauft also Traktor und Mähdrescher und macht sich an die Arbeit.
4 Jahre später:
Der Bauer hat 3 Mißernten eingefahren und keinen Gewinn aus dem Überschüssen gemacht. Die Mengen hatten wegen der niedrigen Weltmarktpreise einfach nicht dazu ausgereicht, denn die nordamerikanischen Anbieter mit ihren Riesenfarmen im mittleren Westen hatten das Preisniveau extrem gedrückt. Die Bank schickt ihm nun den Gerichtsvollzieher vorbei, um seinen Acker zu pfänden. Der Acker ist nun Eigentum der Bank.
Der Bauer wundert sich.
Er war es gewohnt, seinem Nachbarbauern auszuhelfen, wenn der in Not war und eine Mißernte hatte- mit einer Kuh oder einem Bullen, oder mit ein paar Säcken Getreide, das er ihm lieh. Denn er wußte, auch wenn er es nicht sofort zurückbekam, der Nachbar würde sich schon revanchieren, denn dessen Sohn sollte ja mit der Tochter des Bauern verheiratet werden... und unter Verwandten muß man sich eben gegenseitig helfen, wenn der andere in Not war. Er wußte, der Nachbar würde dasselbe für ihn tun.
Doch, er wundert und ärgert sich: diese „Bank“ hat offenbar die alten Sitten ganz vergessen und macht das jetzt plötzlich ganz anders. Ihr sind die Mißernten des Bauers, für die er ja nichts kann, gleichgültig. Sie interessiert sich nur für das, was vereinbart war und macht von ihrem Recht Gebrauch, das der Bauer ihr per Vertrag eingeräumt hatte. „Tut uns leid, die Missernten sind ja nicht unsere Schuld, wir hatten eine Vereinbarung für die Rückzahlung, und der Termin für die Rückzahlung ist JETZT. Es tut uns leid, aber sie werden sich vom Eigentum an ihrem Acker verabschieden müssen. Der ist jetzt unser Eigentum.
Von so etwas hatte der Bauer noch nie etwas gehört: daß einer wegen 3 Mißernten in Folge seinen Acker an einen anderen abgeben mußte, von dem er etwas geliehen hatte! Der Acker war doch seine Existenzgrundlage, und nimmt man etwa seinem Nachbarn seine Existenzgrundlage weg?
Die Bank verhält sich zum Bauern nicht wie zu einem Nachbarn. Sie verhält sich zu ihm auch nicht als einem Verwandten, dem man aushelfen muß, wenn er in Not ist. Sie verhält sich zu ihm aber auch nicht wie ein Lehensherr, der den Bauern vielleicht von seinem Acker vertreiben würde.
Sie verhält sich zu ihm als einem Eigentümer - als freiem, unabhängigem Privatmann und Rechtsperson. Sie verhält sich zu ihm wie zu einem Geschäftspartner.
Alles hat seine Ordnung und seine Richtigkeit, sie tut nur, was vereinbart war, und das mit den Mißernten tut ihr zwar Leid, aber versprochen ist versprochen, pacta sunt servanda, und daß sie den Bauern notfalls mithilfe der Staatsgewalt zwingen kann, den Acker zu verlassen, der ihm jetzt nicht mehr gehört (womit der Bauer die Eigentums- inclusive der Besitz/Nutzungsrechte am Acker verloren hat), hat der Bauer ja zu Beginn selbst unterschrieben - verwundert zwar, aber was hätte er denn machen sollen, anders kam er nicht an den Kredit für Mähdrescher und Traktor heran.
Ein in Not geratener Verwandter kann im Normalfall auf die Hilfe der Verwandtschaft rechnen, wenn er in Not geraten ist. Heinsohn/Steiger beziehen sich da auf Forschungsergebnisse der Wirtschaftsethnologie (Sahlins, Polanyi und andere) und verallgemeinern: diese Art blutsverwandtschaftlicher Solidarität bestimmt die Beziehungen vieler, fast aller Stammesgesellschaften. Stammesgenossen müssen sich gegenseitig aushelfen, im Extremfall bis sie selbst ohne alle Güter dastehen (Zitat kann ich gerne nachliefern).
Jeder kann diese Art unauflöslicher gegenseitiger Verpflichtung ja anhand seiner eigenen Erfahrung überprüfen und daran denken, wie diese Form in seiner eigenen Familie gilt. Im Business sieht es anders aus.
Während also ein in Not geratener Verwandter im Rahmen verwandtschaftlicher Solidarität Hilfe bekommen muß, muß ein finanziell in Not geratener Schuldner damit rechnen, daß die Gläubiger ihm, wenn er nicht termingerecht leisten kann, auch noch das letzte Hemd vom Leib reißen.
Das ist eine der Folgen von Eigentum, ziviler Rechtsordnung und einem Schuldrecht mit Vermögenshaftung, und die sind im Gegensatz zum Eigentumsbegriff selbst sehr gut „beobachtbar“, sogar am eigenen Leib erlebbar.
Als Selbstversorger hatte der Bauer sich nur für die Besitzseite seines Lands interessiert. Als er den Kredit nahm, wurde die Eigentumsseite des Ackers relevant. Sein Eigentum musste nun dokumentiert werden, und dann musste er mit diesem Eigentum für die Forderung der Bank aus dem Kreditvertrag haften, die er nicht erfüllen konnte. Das Eigentum brachte für ihn also ein Verlustrisiko mit sich. Um das abzuwenden, musste er mehr arbeiten und zusätzliches Land bewirtschaften.
Und trotzdem hat sich durch die Eintragung im Grundbuch und durch die Belastung des Ackers am Acker selber nicht das geringste physisch geändert. Der Acker sah vorher so aus wie nachher - wie Du sagst, Eigentum ist eben nicht beobachtbar. Das heißt aber nicht, daß es deshalb keine enorme Bedeutung für die Motive und damit das Verhalten und vermutlich auch für das Lebensgefühl des Bauers gehabt hätte.
Eigentum kann also, auch wenn es nicht beobachtbar ist, in Verbindung mit Schulden den Umgang mit dem, was man besitzt, komplett verändern.
Der wichtigste Grund dafür liegt eben meiner Meinung nach nicht darin, daß ein Eigentumstitel Besitzrechte schützt, auch wenn die herkömmliche Definition nur darauf abhebt. Sondern darin, daß er Vermögenstransaktionen erlaubt, die im Kontext einer Ordnung ohne Zivilrecht + Rechtsstaat so nicht möglich sind. Er erlaubt es, durch Haftung gesicherte Verträge zu schließen. In diesen Verträgen entstehen Forderungen, die deshalb als Vermögenswerte verbucht werden und mit denen man mit Dritten deshalb handeln kann, weil der Gläubiger mit einiger Sicherheit erwarten kann, seine Forderung auch erfüllt zu bekommen, ohne daß er sich ständig selber darum kümmern muß (das übernimmt der Rechtsstaat für ihn): denn weiß, daß er, sollte der Schuldner die versprochene Leistung nicht erbringen können, per Zwangsvollstreckung ganz legal auf dessen Vermögen zugreifen kann. Dem hatte der Schuldner ja beim Vertragsabschluß selber zugestimmt.
Und erst das ermöglicht dann auch stabiles Kreditgeld (das ich in dem Beispiel oben ja einfach vorausgesetzt habe). Dazu jetzt noch ganz kurz: stabiles Kreditgeld erhält seinen Wert meinem derzeitigen „Teil-Verständnis“ nach daraus, daß jede Geldnote dokumentiert, daß es irgendwo einen Schuldner gibt, der sich in Höhe dieses Betrags verschuldet hat und für diese finanzielle Verpflichtung eben mit seinem Vermögen haftet. Dieser Schuldner weiß, daß er sein Vemögen verlieren kann, wenn er die Verpflichtung nicht erfüllt. Denn die Zentralbank reicht Banknoten an die Geschäftsbanken nur weiter, indem sie im Gegenzug Forderungstitel hereinnimmt. Eine Banknote kommt also nur in Umlauf, wenn jemand sich verschuldet hat und der Gläubiger diesen Titel zur Bank getragen hat. (Wenn dieser jemand der Staat ist - der nicht selbst haftet - dann haben wir einen Sonderfall). Wenn die Titel, die die Zentralbank hereinnimmt, das Papier nicht wert sind auf dem sie stehen, weil der Schuldner nicht zur Leistung gezwungen werden kann, und das auch jeder weiß oder durch Erfahrung herausgefunden hat, dann wird wohl auch die auf dieser Grundlage emittierte Währung kaum akzeptiert werden.
(Zum Thema Kreditgeld vs. Warengeld, Geldemission der Zentralbank und Knapphalten von Geld durch Zins, bei dem ich noch nicht so gut durchblicke wie ich gern würde, werde ich hier bei Gelegenheiten noch einige Überlegungen und Fragen posten).
Eine Ã-konomie, in der Geld nur durch Verschuldung entsteht, würde in Verbindung mit allgemeiner Vermögenshaftung für Schulden natürlich einen enormen Erfüllungdruck aufbauen - und hier sehe ich meinem derzeitigen Verständnis nach die wesentlichen Gründe für die Dynamik und Produktivität einer auf der Grundlage einer zivilen Rechtsordnung samt Eigentum, Haftung und Schuldrecht beruhenden Kreditgeldwirtschaft.
Du schreibst noch:
>Der Unterschied Eigentum-Besitz ist hier somit von sekundärer Natur.
Sekundär in Bezug auf welche Frage/welches Erkenntnisinteresse? Ich habe oben beschrieben, in Bezug auf welches Erkenntnisinteresse ich sie für nützlich/unverzichtbar halte.
>>>Ob eine römische Kutsche ein Fortbewegungsmittel war, hängt davon ab, ob sie im Geltungsbereich einer Straßenverkehrsordnung eingesetzt wurde?
>>Natürlich nicht!
>Die Analogie sollte darauf hinweisen, daß es erst das 'Eigentum' (bzw. die es begründenden Sachverhalte) gibt, und dann die 'zivile Rechtsordnung' dazu.
Zuerst gibt´s - in der Terminologie, die ich bevorzuge - Gegenstände und Besitzrechte (die Du wahrscheinlich meinst, wenn Du „Eigentum“ sagst). Und wenn eine zivile Rechtsordnung dazukommt, werden zusätzlich zu diesen Besitztiteln Eigentumstitel geschaffen. Vorher gibt´s nur Besitzrechte, und natürlich haben auch Stammesgesellschaften ihre Regeln dafür, wie Besitz übertragen wird - also für den Tausch, für Güterleihe, etc.
Das Recht, eine Sache zu „haben“, nutzen zu können, andere von der Nutzung ausschließen zu können und diese Rechte von meinen Mitmenschen auch anerkannt zu bekommen, nenne ich Besitz. Besitz gibt´s in allen Gesellschaftsformen und, das Tauschen, Verleihen usw. von Sachen ist dort auch irgendwie geregelt. Wenn eine zivile Rechtsordnung dazukommt, ersetzt nicht etwa Eigentum den Besitz, sondern die bestehenden Besitzverhältnisse werden neu geregelt - durch Eigentums- und Vertragsrechte (z.B. BGB). D.h. Besitz und Eigentum sind nicht dasselbe und stehen auch nicht in einem entweder/oder-Verhältnis. Eigentum kommt zum Besitz dazu und schließt Besitzrechte zunächst mal ein - zu den Rechten des Eigentümers gehört das Recht, über den Besitz zu verfügen, also den Gegenstand, an dem er Eigentumsrechte hat, selber zu nutzen und ihn anderen vorzuenthalten, oder ihn zu verleihen oder zu vermieten. Alle diese Operationen beziehen sich nur auf den Besitz.
Da ich vermute, daß Du Eigentum anders definierst als ich - verständlicherweise, denn die Definition, die ich (in Anlehnung an Heinsohn/Steiger) verwende, unterscheidet sich ja von der Alltagsdefinition, die Eigentum in alle Gesellschaften und Zeiten projiziert und daher mit Besitz verwechselt - frage ich einfach nochmal:
Wie definierst Du für Dich den Begriff „Eigentum“?
Welche „Sachverhalte“ begründen für Dich das Eigentum?
Wie entsteht Eigentum für dich bzw. wie wird es geschaffen? Wozu wird der Titel nötig?
Was unterscheidet es für Dich von Besitz?
Wozu braucht man Deiner Meinung nach Eigentumstitel überhaupt?
Ich schrieb:
>>Ob die Kutsche einen VERMÃ-GENSWERT hat, ob sie der Kutscher also ins Leihaus bringen, verpfänden und dafür Geld bekommen kann und, wenn er das Geld dann nicht zurückbringen kann, das Eigentum an der Kutsche verliert, hängt davon ab, ob er im Geltungsbereich einer zivilen Rechtsordnung lebt.
Deine Antwort war:
>Nein. - Ich kann Dir ohne weiteres etwas ohne zivile Rechtsordung leihen. Wenn Du Deinen Verpflichtungen nicht nachkommst, kündige ich Dir die Freundschaft, schwärze Dich an, zerstöre Dein Hab und Gut, töte Dich. Das nennt man dann wohl unzivile Rechtsordnung ;-)
Genau. Siehe oben das Bauernbeispiel. Oder, anderes Beispiel: wir sind keine Nachbarn, auch nicht verwandt, leben als Vagabunden im rechtsfreien Raum - von mir aus irgendwo im Wilden Westen Nordamerikas im 17. Jahrhundert. Wir haben uns zufällig getroffen und mündlich irgendetwas vereinbart. Ich habe mein Versprechen aber nicht erfüllt.
Jetzt musst Du Dich selber drum kümmern, zu bekommen, was Du wolltest und das schaffst Du nur, wenn Du mich noch erreichst und ich nicht längst über alle Berge bin. Auf jeden Fall müsstest Du Dich selber drum kümmern, daß ich meiner Verpflichtung nachkomme. Im Rahmen einer bürgerlichen Rechtsordnung könntest Du auf Erfüllung klagen, und der Rechtsstaat würde den Rest für Dich erledigen (mich aufspüren, etc.). Und ich würde, weil ich das weiß, vermutlich gar nicht erst darauf spekulieren, abzuhauen, weil ich wüsste: die Bullen kriegen mich wahrscheinlich. Ich hab einen Personalausweis mit Bild, etc.
Aber schau doch mal nach Russland - dort gibt´s immer noch keine flächendeckend gültige und durchsetzbare (Gerichte etc.) zivile Rechtsordnung, Forderungen aus Verträgen sind nicht einklagbar, trotzdem versuchten die Russen, auf diese Weise eine Marktwirtschaft aufzubauen. Das ging gründlich daneben: die Banken gaben Kredite an Leute, von denen sie glaubten, sie würden damit eine Firma gründen und Arbeitsplätze schaffen. Da die Kreditnehmer keine Sanktionen zu erwarten hatten, wenn sie die Kredite nicht zurückzahlten und natürlich auch keine Möglichkeit gehabt hätten, ausstehende Forderungen gegenüber ihren Kunden einzuklagen, verschwanden sie einfach mit der Kohle und machten sich ein schönes Leben auf den Malediven.
Die Wirtschaft liegt derweil darnieder, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Währung inflationiert, die Schattenwirtschaft blüht noch mehr als zu sozialistischen Zeiten.
Zivilrecht und Haftung sind schon ganz nützlich, wenn man ne funktionierende (dynamische, innovative) Geldwirtschaft aufbauen will.
Eine weitere Errungenschaft einer zivilen Rechtsordnung ist: sie ermöglicht, sichere Geschäfte auch mit Fremden zu machen - sogar völlig anonym. Ich brauche mich nicht auf blindes Vertrauen zu verlassen, muß auch keine langwierige Beziehungspflege betreiben und auch nicht ständig mit der Knarre hinter meinem Schuldner her sein. Sondern kann darauf vertrauen, meine vertraglich vereinbarte Leistung zu bekommen, weil ich sie mit Hilfe des Rechtsstaats durchsetzen kann. Das heißt, ich spare eine Menge Zeit, die sonst für die Pflege der Beziehungen mit den Geschäftspartnern draufginge. Eigentum und Haftung ermöglichen sichere anonyme Geschäftsbeziehungen, die beendet sind sobald der Vertrag erfüllt ist und dann per neuem Vertrag erneuert werden müssen (oder man wechselt den Geschäftspartner). Das ist eine gute Grundlage für effizientes, anonymes, rein sachbezogenes Business. Auch das ist bei verwandtschaftlichen Solidarbeziehung nicht ohne weiteres möglich: das Business von der persönlichen Beziehung zu trennen.
Und mehr als das: ich kann das Versprechen meines Schuldners (den Schuldtitel bzw. die Forderung) - weil dieser Titel eben durch Haftung und manchmal noch durch zusätzliche Sicherheiten gesichert ist - weiterreichen, um eine gegen mich gerichtete Schuld eines meiner Gläubiger zu begleichen (Zession). Der wird den Titel umso eher annehmen, je besser er gesichert ist. Er wird ihn sicher nicht annehmen, wenn er weiß, daß der Schuldner nicht haften muß oder der Titel in der Praxis mangels der dafür nötigen Institutionen notfalls nicht eingeklagt und zwangsvollstreckt werden kann, sondern er sich selbst darum kümmern muß, die Forderung erfüllt zu bekommen.
Die"zivile" Art, die Einhaltung von Versprechen sicherzustellen, ist eben die Vermögenshaftung, und die ist mit der „Androhung“des Verlusts von Vermögensrechten (incl. Eigentumsrechten) verknüpft. Diese Art der Sicherung von Versprechen ermöglicht nicht nur anonyme Geschäftsbeziehungen ohne die Anwendung direkter Gewalt zwischen Gläubiger und Schuldner (die ist beim Rechtsstaat monopolisiert), sondern auch anonymisierte Schuldtitel (Wertpapiere), die - wie Geld - einen Vermögenswert haben, der über ihren Materialwert weit hinausgeht. Was sichert den Wert dieser Titel? Die Sicherheit, daß der Schuldner leisten wird und notfalls dazu gezwungen werden kann. Daher engl. „Securities“. Solche Titel gibt es nicht ausserhalb des Geltungsbereichs einer zivilen Rechtsordnung.
>- Ich tue es natürlich nicht, aber deratige Dinge waren Usus und wurden als 'Recht' aufgefaßt.
Natürlich! Eben das war ja auch mein Punkt: welche Folgen man zu erwarten hat, wenn man eine eingegangene Verpflichtung nicht erfüllt - ist verschieden in verschiedenen Gesellschaftsformen, weil dort verschiedene Rechtsordnungen gelten. Zivilrechtliche Vertragsbeziehungen, und in anderen Gesellschaftsformen Beziehungen, die Du „unzivil“ nennst. Ich würde sie lieber positiv definieren und (in Anlehung an Heinsohn/Steigers diesbezügliche Typologie) „blutsverwandtschaftliche Solidaritätsbeziehungen“ (Bauernbeispiel) und „herrschaftliche, durch direkte Gewalt sichergestellte Befehlsbeziehungen“ (Wildwest- und Russland-Beispiel) nennen.
Nur die zivilen/zivilisierten Verhältnisse führen längerfristig zu steigendem Output und materiellem Wohlstand (den man wollen kann oder auch nicht!). Und das nicht einfach nur wegen freiwilligem Tausch, sondern auch wegen der Absicherung von Versprechen durch die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung, die liberale Theoretiker so gern übersehen.
Und Eigentum + zivile Rechtsordnung bringen eine neue Form des Absicherns gegenseitiger Verpflichtungen ins Spiel, die es dann auch ermöglichen, mit solchen Verpflichtungen (abstrakte Forderungstitel) zu handeln. Finanztitel sind solche abgesicherten Forderungen und bekommen nur daraus ihren Wert, daß sie per Haftung abgesichert sind.
> Ein Unterschied zwischen Jagdwaffe und Vieh ist doch, daß Vieh die Milch etc. selber gibt, während die Waffe etwas anderes (Wild) besorgen hilft. Deswegen ist Vieh viel wertvoller, und es ergeben sich in viehhaltenden Gesellschaften andere wirtschaftliche und sonstige Umstände.
Deswegen hat Vieh einen „höheren“ Gebrauchswert, aber deswegen noch nicht automatisch auch einen (in Geld ausdrückbaren) Vermögenswert.
Du kannst natürlich verschiedene Arbeitsgegenstände, oder"Produktionsmittel" im Hinblick auf ihre Produktivität klassifizieren. Mir ist zwar nicht recht klar, was diese Klassifikation für Dich mit dem Thema Eigentum vs. Besitz zu tun hat, aber vielleicht willst Du darauf hinaus, daß"wirtschaftliche Dynamik" in erster Linie von den verwendeten Produktionsmitteln abhängt und Gesellschaftsformen lieber nach diesen Gesichtspunkten einteilst (wie das ja auch oft üblich ist): Jäger/Sammler, Viehzüchter, Handwerker, Industrie etc. und nicht nach dem Gesichtspunkt der Art der Beziehungen der Gesellschaftsmitglieder zueinander: eigentumsgesellschaftliche Vertragsbeziehungen, stammesgesellschaftliche/blutsverwandtschaftliche Solidarbeziehungen, herrschaftliche Befehlsbeziehungen.
Gegenargument: In Deutschland sind nach 1945 2 verschiedene Wirtschaftssysteme mit vergleichbaren technischen Voraussetzungen gestartet. Eine davon war eine Gesellschaft ohne Eigentum (in der Bedeutung, die ich im ersten Posting erklärt habe), eine hatte eine zivile Rechtsordnung mit Eigentum und bürgerlichem Schuldrecht. Wenn man den Stand der Technik und des"allgemeinen (materiellen) Wohlstands" in beiden Gesellschaften nach 30 Jahren paralleler Entwicklung mal vergleicht, gabs doch recht erhebliche Unterschiede, obwohl es im Hinblick auf die Produktionsmittel dieselben Anfangsbedingungen gab. Unterschiedliche Produktionsmittel können der Grund dafür nicht gewesen sein.
>>Deswegen schlage ich vor: Gebrauchswert-Ebene (Besitz&materielle Nutzung) und Vermögenswert-Ebene (Verpfändung, Verbuchung in Geldwerten, Zwangsvollstreckung) analytisch streng trennen!
>Ich würde die 'strenge Trennung' nicht übertreiben.
Ich mache nur die Trennung mit, die für Juristen selbstverständlich ist, und wende sie konsequent auch auf andere Gesellschaftsformen an - siehe die Zitate oben. Fürs Verständnis der Besonderheiten einer bürgerlichen Geldwirtschaft gegenüber „Besitzgesellschaften“ ohne Eigentum/Haftung halte ich das für sinnvoll, siehe oben.
Ich hoffe, mir ist wenigstens gelungen besser klarzumachen, wo ich den Nutzen der Unterscheidung sehe.
Gruß moneymind

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