- Und nicht zu vergessen: Ererbte Verluste sollen nicht abzugsfähig werden - Popeye, 08.11.2002, 09:23
Und nicht zu vergessen: Ererbte Verluste sollen nicht abzugsfähig werden
--> Rot-Grün will Erben zur Kasse bitten
Von JAN KEUCHEL
Neue Hiobsbotschaft für künftige Erben: Neben
einer Erhöhung der Erbschaftsteuer droht ihnen
jetzt auch noch der Wegfall eines
Steuerabzugsrechts: Geerbte Verluste sollen in
Zukunft nicht mehr verrechenbar sein.
DÜSSELDORF. Deutschlands Erben müssen sich auf
eine höhere Steuerbelastung einstellen. Nicht nur,
dass eine Anhebung der Erbschaftsteuer immer
wahrscheinlicher wird. Rot-Grün streicht jetzt auch
noch ein lukratives Steuerabzugsrecht: Aus einer
bislang kaum beachteten Passage im Gesetzentwurf
der Koalition geht hervor, dass die Bundesregierung
die bislang mögliche Verrechnung von ererbten
Verlusten verbieten will. „Das Vorhaben hat
weitreichende Folgen für viele Steuerbürger. Bei uns
laufen deshalb zurzeit die Telefone heiß“, sagte Oliver
Strnad, Steuerexperte bei KPMG in Stuttgart, dem
Handelsblatt.
Bisher ist die Nutzung ererbter Verluste ohne weiteres
zulässig. Im Erbfall gehen die „roten Zahlen“ des
Verstorbenen auf seinen Erben über. Dieser kann
damit dann seine Einkünfte des vergangenen Jahres
oder zeitlich unbegrenzt Einkünfte der kommenden
Jahre verrechnen - und so seine Steuerlast zum Teil
erheblich drücken.
Dies soll nun gesetzlich verboten werden und laut
Bundesfinanzministerium Bund, Ländern und
Gemeinden bis 2006 Mehreinnahmen von 100 Mill.
Euro bringen. „Negative Einkünfte des Erblassers
können nicht von positiven Einkünften des Erben
abgezogen werden“, heißt es dazu im Gesetzentwurf,
den das Kabinett am 20. November beschließen will.
Und - um Kritik gleich im Vorhinein auszuschließen -
wird in der Gesetzeserläuterung zusätzlich ausgeführt:
„Ein entsprechender Abzug ist auch nicht nach dem
Grundsatz der Besteuerung nach der
Leistungsfähigkeit geboten“.
Genau das sehen einige Steuerrechtler anders. Wenn
der Fiskus dem Erben die Pflicht auferlege, ererbte
Einkünfte zu versteuern, dann müsse ihm auch das
Recht zustehen, übernommene Verluste abziehen zu
können, meint der Kölner Steuerprofessor Joachim
Lang. Eine Auffassung, die auch der 1. Senat des
Bundesfinanzhofs zuletzt im Jahr 2000 noch einmal
vertreten hat - wenngleich nicht alle Senate des
Obersten Steuergerichts diese Ansicht teilen.
Auf Kritik stößt die Streichung des Steuerabzugs aber
nicht nur aus rechtlichen Gründen: nach Meinung von
Experten stellt sie auch ein zusätzliches Hindernis für
Unternehmensnachfolgen dar und gefährdet
Arbeitsplätze. Zurzeit würden zahlreiche Unternehmer
Verluste in Millionenhöhe vor sich her tragen, erläutert
Dietrich Ostertun von KPMG in Hamburg. „Auch viele
Privatleute haben ihr Vermögen in eine GmbH & Co
KG eingebracht, um nicht persönlich haften zu
müssen“, ergänzt sein Kollege Strnad. Falle nun die
Verlustverrechnung weg, dürften die Firmenerben
künftig viel eher geneigt sein, das mit Verlusten
übernommene Unternehmen einfach aufzugeben.
„Das kann zu einer echten
Arbeitsplatzvernichtungs-maschine werden“, warnt
Strnad.
Noch viel verheerender für den Mittelstand ist nach
Meinung von Frank Broer, Steueranwalt bei Clifford
Chance in Frankfurt, allerdings die geplante
Erbschaftsteuererhöhung. „Denn alles läuft darauf
hinaus, dass die Vergünstigung für Betriebsvermögen
gekippt wird“, glaubt Broer. Die politischen Weichen
dafür sind jedenfalls schon gestellt. Unter
Federführung von Nordrhein-Westfalen bereiten
mehrere SPD-Länder zurzeit eine entsprechende
Bundesratsinitiative vor. Zwar können die
unionsgeführten Länder das Vorhaben, das sie bisher
offiziell ablehnen, mit ihrer Mehrheit im Bundesrat
stoppen. Allerdings ist kaum zu erwarten, dass sich
die finanzschwachen Länder, insbesondere im Osten,
wirklich sperren werden. „Sicher ist: die
Erbschaftsteuer wird steigen. Das ist das Diktat leerer
Kassen“, prophezeit Michael Streck, Präsident des
Deutschen Anwaltvereins.
Friedrich Merz, Vizefraktionschef der Union, hat der
SPD bereits Entgegenkommen signalisiert, will dies
aber nicht als Handeln aus Geldnot verstanden
wissen. Die Reform sollte sich „nicht in erster Linie an
einem bestimmten Aufkommen orientieren“, so Merz.
Im Hinterkopf dürfte aber auch er haben, dass eine
Erbschaftsteuererhöhung eine lukrative Maßnahme ist
- nach Angaben des Deutschen Instituts für
Altersvorsorge erben in den nächsten Jahren 15,1
Mill. Haushalte insgesamt rund zwei Billionen Euro.
Für Experten ist ohnehin sicher: Spätestens nach der
für 2003 erwarteten Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über die Erbschaftsteuer
fällt jegliche Zurückhaltung. Sollte Karlsruhe den
Gesetzgeber zu einer Korrektur verpflichten, könne
dies in der aktuellen Diskussion nur eins bedeuten,
meint Georg Crezelius von der Universität Bamberg:
„Steuererhöhungen“.
Quelle: Handelsblatt

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