- Historisches Vorbild des geplanten Irakkriegs: Die Eroberung Algeriens 1830 - Wal Buchenberg, 15.11.2002, 14:55
- Danke, Wal. Excellent! (owT) - El Sheik, 15.11.2002, 15:07
Historisches Vorbild des geplanten Irakkriegs: Die Eroberung Algeriens 1830
-->„Wohl selten nahm ein großes historisches Unternehmen in einer derartigen Atmosphäre von Unklarheit und Unsicherheit seinen Anfang wie die algerische Expedition. Niemand konnte ihre positiven Ziele formulieren. Klar waren nur die negativen: Befreiung der gefangenen Franzosen, Einstellung des Tributs für das Handelsrecht, Ausrottung des Piratentums. Jedoch im achtzehnten Jahrhundert konnte das alles billiger und einfacher bewerkstelligt werden. Also waren da noch andere Ziele? Allein die waren auch der Regierung nicht klar.
Wie Polignac seinem Gesandten nach Wien schrieb, schwankte sie zwischen der Gründung eines selbständigen arabischen Reiches, der Wiedereinsetzung der türkischen Herrschaft in Algerien, seiner Übergabe an den Malteser-Orden, der Aufteilung unter die Mittelmeerstaaten und endlich der Gründung einer französischen Kolonie. Diese letzte Lösung fand die wenigsten Anhänger. Die französische Gesellschaft entrüstete sich über die Expedition. Von der Parlamentstribüne herab schrieen die Abgeordneten mit geballten Fäusten, der Feldzug nach Algerien werde gegen den Willen des französischen Volkes unternommen.
Trotz alledem war die Expedition glänzend vorbereitet. 104 Kriegs- und Handelsschiffe wurden in Toulon zusammengezogen. Auf diese Schiffe wurden drei Divisionen Infanterie mit Hilfstruppen verladen, im ganzen 37000 Mann. Die Schiffsmannschaft betrug 27000. Nach der napoleonischen Ägypten-Expedition war dies das zweitgrößte Kolonialunternehmen der Neuzeit, das im Maßstabe eines „Großkriegs“ durchgeführt wurde.
In Frankreich waren die Schrecknisse des bevorstehenden Feldzuges das allgemeine Gesprächsthema — daher ergriff der Oberbefehlshaber der Expedition, der General Graf Bourmont, seine Maßnahmen.
Es hieß, die Araber würden die Brunnen vergiften — er brachte eine ganze Schiffsladung von Hunden mit, die das Wasser erst probieren sollten. Es hieß, die Araber legten sich in den Hinterhalt - Bourmont hatte Holzpuppen in Soldatenuniform an Bord, deren Hilfe er die Araber überlisten wollte.... Die allwissenden Zeitungsmänner berichteten aber auch von einer neuen arabischen Angriffsmethode: Hunderte von Kamelen würden zusammengekettet, dann würden ihnen die Schweife angezündet, sie stürmten vorwärts, „alles auf ihrem Wege fortfegend“.
Welch ein Schauspiel musste diese Flotte mit ihren nahezu fünfhundert Wimpeln bieten, als sie, die weißen Segel gebläht, vom azurblauen Ufer fort in die spielenden Frühlingswellen des Meeres stach.... Das war am 25. Mai 1830....
„Zwanzig Tage haben genügt“, schrieb Bourmont in seinem Heeresbefehl, „einen Staat zu erledigen, der Europa im Laufe dreier Jahrhunderte belästigte.“ Er hatte recht: obwohl Algerien noch lange nicht erobert war - der ‚Staat’ war erledigt. Jetzt entstand nur die Frage, was sollte weiter damit geschehen? Dafür interessierten sich ganz besonders die englischen ‚Freunde’. König Karl X. gab dem britischen Gesandten darauf die klassische Antwort: „Um Algerien einzunehmen, habe ich nichts als Frankreichs Würde im Auge gehabt; um es zu behalten oder zu übergeben, werde ich nichts als seine Interessen berücksichtigen.“
Aus: Juri Semjonow: Glanz und Elend des französischen Kolonialreiches. Berlin 1942. Seiten 208 - 211.
(Algerien wurde zur wichtigsten Kornkammer Frankreichs und zum ersten Baustein des modernen, nachrevolutionären französischen Kolonialreichs. Wal Buchenberg)

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