- offtopic - Ähnlichkeiten, wie immer, rein zufällig - nereus, 17.11.2002, 17:21
- Re: offtopic - Ähnlichkeiten, wie immer, rein zufällig - Ecki1, 17.11.2002, 17:45
- woher? - Kaddii, 17.11.2002, 18:07
- Re: woher? - Ecki1, 17.11.2002, 18:18
- Re: woher? - RetterderMatrix, 17.11.2002, 18:22
- Gratis als englische PDF-Version: - Reikianer, 17.11.2002, 19:15
- Gratis als deutsche HTML-Version - HB, 17.11.2002, 19:44
- woher? - Kaddii, 17.11.2002, 18:07
- hierzu paßt - Celler Loch, Plutoniumschmuggel, mT 68er Springerkrieg - Baldur der Ketzer, 17.11.2002, 20:06
- eBook Im Namen des Staates - HB, 17.11.2002, 20:20
- Re: offtopic - Ähnlichkeiten, wie immer, rein zufällig - Ecki1, 17.11.2002, 17:45
offtopic - Ähnlichkeiten, wie immer, rein zufällig
-->Hallo!
Bei der Lektüre des Buches"Abrechnung mit Moskau" von Wladimir Bukowski finde ich immer wieder aufschlussreiche Details.
Irgendwann habe ich mal woanders den Spruch gelesen: Wer die Gegenwart verstehen will, sollte sich mit der Vergangenheit beschäftigen.
Vermutlich ist an dieser These etwas dran.
Zunächst kurz zu Bukowski:
Wladimir Bukowski war nach Alexander Solschenizyn und Andrej Sacharow der berühmteste Dissident der Sowjetunion. Seit 1963 hat Bukowski als Regimekritiker viele Jahre in sowjetischen Gefängnissen und psychiatrischen Kliniken verbracht.
Der Russe wurde nach jahrelanger Haft, kurz vor seinem 34. Geburtstag, am 18. Dezember 1976 gegen den Generalsekretär der chilenischen Kommunistischen Partei, Luis Corvalan, in Zürich ausgetauscht.
Ehemalige DDR-Bürger werden sich an Corvalan erinnern. Wir durften damals Postkarten in den Schulen schreiben und sollten, gemäß den Vorgaben der Partei- und Staatsführung, so die Freiheit des Schriftstellers erzwingen.
Bukowski berichtet in seinem Buch u.a. von einer Organisation mit dem Kürzel NTS.
.. So trat bei uns der berüchtigte NTS - der Volks-Arbeits-Bund der Russischen Solidaristen (Narodno-Trudowoj Sojus rossijskich solidaristow) - auf den Plan. Der KGB versuchte auf Biegen und Brechen, jedem von uns die Verbindung mit dem NTS nachzuweisen... Dementsprechend erwähnten die Berichte des KGB und die Schreiben des ZK den NTS als"eines" der subversiven Zentren (andere wurden, da nicht existent, auch nicht genannt) und schrieben ihm die ausgeklügeltsten Machenschaften zu, die sowjetische Propaganda bauschte seine Tätigkeit ins Phantastische auf. Als das Politbüro über das Schicksal Solschenizyns entschied, stellte es seine"Kontakte mit dem NTS" als ganz besonders bösartiges Vergehen dar. Im Bewußtsein der Sowjetmenschen - ganz gleich ob unten oder oben - war der NTS eine gigantische Superkrake, allgegenwärtig und allmächtig, eine Verkörperung des Satans.
Jetzt wird es spannend..
In Wirklichkeit war der NTS eine unbedeutende Emigrantenorganisation mit dubioser Vergangenheit, zweifelhafter Gegenwart und unbestimmter Zukunft. Er wurde 1930 in Jugoslawien von der pro-faschistischen Emigrantenjugend gegründet (zunächst nannte er sich Nationaler Arbeiterverband und stand unter starkem Einfluss Mussolinis), in den Jahren des Krieges arbeitete er mit den Deutschen zusammen und gab unter anderem Zeitungen in den von den Deutschen besetzten Gebieten heraus. Nach dem Krieg geriet er zusammen mit anderem Beutegut in die Hände der Amerikaner und Engländer, und im Kalten Krieg wurde er fast bis zum Tode Stalins zur Einschleusung von Spionagegruppen in die UdSSR, zur Anwerbung von Agenten und Informations-beschaffung benutzt. Da seine Gruppen aber immer wieder scheiterten, kam bei vielen der Verdacht auf, daß der KGB die NTS-Führung auf höchster Ebene infiltriert hatte.
Die Organisation wurde durch eine Spaltung 1955 praktisch zerstört. Bis in die jüngste Zeit fristeten die zwei- bis dreihundert Mitglieder ein jämmerliches Dasein und wurden als Doppelagenten- organisation sowohl vom KGB als auch von der CIA unterstützt.
Selbstverständlich hatten die meisten Mitglieder des NTS keine Ahnung von der Rolle, die ihre Organisation spielte. Davon wußte nur die Spitze, der sogenannte Führungskreis, dem ZK vergleichbar. Die Organisation hatte einen ausgesprochen konspirativen Charakter und war nach ähnlichen Prinzipien wie die bolschewistische Partei organisiert. Wie ich mich hier in der Emigration überzeugen konnte, waren die meisten Mitglieder ehrliche, oft tief religiöse Menschen, die ihren Ideen und ihrer Führung fanatisch ergeben waren. Vor allem waren das Vertreter der"zweiten Welle" der Emigration, das heißt jene, die Krieg, Gefangenschaft, die Lager für displaced persons und die Auslieferung durch die Alliierten an Stalin überlebt hatten. Für sie war der Dienst an Rußland, für seine Befreiung fast eine religiöse Sendung, und es war völlig unmöglich, ihnen zu erklären, was wirklich vorging.
Da instrumentalisiert also der Geheimdienst eine extrem oppositionelle Gruppierung. Die zahlreichen Mitglieder ahnen nicht einmal was ihre Führung wirklich treibt.
In den sechziger Jahren wußten wir das alles noch nicht. Dagegen wußte der KGB genau, was er tat. Man verstand dort sehr gut, daß wir mit dem NTS schon allein deshalb keine Verbindung haben konnten, weil wir das genaue Gegenteil von ihm waren. Während der NTS eine ausgesprochen subversive und zentralisierte Organisation war, die sich den bewaffneten Kampf gegen das Sowjetregime zur Aufgabe gemacht hatte und zur Revolution aufrief, handelten wir offen, gewaltlos, vertraten eine legalistische Position und hatten von Anfang an prinzipiell auf organisatorische Strukturen verzichtet.
Fallen da nicht gewisse Ähnlichkeiten in's Blickfeld?
Gerade deshalb wollte der KGB uns mit dem NTS in Verbindung bringen. Man konnte uns nicht schlimmer kompromittieren. Wir begriffen ziemlich schnell, was der NTS darstellte und gingen dem KGB nicht auf den Leim, und zwar vor allem deshalb, weil der KGB uns diese Verbindung allzu beharrlich aufdrängte und uns in die Umarmung des NTS stoßen wollte...
.. Ich hatte einen ersten Verdacht 1965, als ein Freund mir einen Umschlag von einem NTS-Kurier übergab. Dies erstaunte mich sehr, denn ich hatte mich nie um Kontakte mit dem NTS bemüht.
Was sich im Umschlag befand, verwunderte mich noch mehr. Er enthielt eine eng mit der Maschine geschriebene"Instruktion" für die Bildung von"Fünfergruppen" (im Untergrund tätige Gruppen von je fünf Personen - die bevorzugte Taktik des NTS) sowie einen an mich adressierten Brief mit dem Vorschlag, das Lenin-Mausoleum in die Luft zu sprengen. Es lag auch farbloses Durchschlagpapier für geheime Mitteilungen bei und eine Anweisung, wie der Kontakt mit dem NTS aufrechtzuerhalten sei. Kurz gesagt, alles, was man braucht. Wäre der KGB in jenem Moment in meine Wohnung gestürmt, wäre das für ihn ein gefundenes Fressen gewesen.
Damals mußte ich jedoch nur über die unbeholfenen Verschwörer lachen und verbrannte sogleich die unwillkommenen Geschenke, trotzdem ging mir diese Episode lange Zeit nicht aus dem Kopf. Erstens war ich gerade aus der psychiatrischen Klinik entlassen worden, was meinem ungebetenen"Instrukteur" offensichtlich bekannt war. Zweitens, für wen und zu welchem Zweck hätte das Mausoleum in die Luft gesprengt werden sollen? Wahrscheinlich für den, der sich zu dieser"Operation" bekennen würde - und für den KGB, dem vielleicht nicht gerade die Sprengung selbst, wohl aber der Versuch einer Sprengung zupaß gekommen wäre. Diese Tat hätte nicht nur mich selbst, sondern auch alle meine Freunde ins Gefängnis gebracht.
Eine ferngelenkte Gruppe beabsichtigt ein Symbol in die Luft zu sprengen zum Zwecke.. wie sich die Bilder doch gleichen..
Der Prozeß, der am 11. Dezember 1967 stattfinden sollte, wurde plötzlich ohne Angabe eines Grundes verschoben, er begann erst am 8. Januar. In der Zwischenzeit war etwas sehr Wichtiges geschehen. Wie auf Bestellung war eiligst ein NTS-Kurier mit Material"zur Verteidigung von Ginsburg und Galanskow" nach Moskau gereist. Er wurde verhaftet und trat beim Prozeß als Haupt-"Zeuge" oder lebendiger Beweis für die verbrecherischen Kontakte der Angeklagten auf. Der Trick war so offensichtlich, daß bei niemandem mehr Zweifel über die Verbindung zwischen NTS und KGB bestanden. Entweder hatte der KGB den Kurier einfach bestellt, oder er wußte zumindest von seiner bevorstehenden Ankunft und hatte den Prozeß verschoben, um auf ihn zu warten.
Reimt sich Herr Bukowski hier abstruses Zeugs zusammen? Sicherlich.. ganz sicher!
Damit war die Geschichte mit dem NTS jedoch noch nicht zu Ende. Der KGB hängte uns diese Verbindung in jedem weiteren Prozeß an, um von seinem heroischen Kampf gegen die"subversiven Zentren des Gegners" berichten zu können. NTS-Zellen zu"prophylaktischen" Zwecken wurden mitunter ganz aus KGB-Mitarbeitern gebildet , um"ideologisch unreife" Mitbürger ausfindig zu machen und gleichzeitig mit dem ausländischen Zentrum ein Spiel zu treiben.
oder doch nicht..
Zu lügen und sich fiktive Erfolge sowie Tausende nichtexistierender Mitglieder in Rußland zuzuschreiben schien dem NTS durch höhere Ziele gerechtfertigt.
Der ehemalige KGB-Oberst Jaroslaw Karpowitsch berichtete 1990 in der Presse, daß er lange Jahre Mitglied des Führungskreises des NTS gewesen sei, ihr"Mann in Moskau". Nach seinen Worten wurde diese"Operation" unmittelbar von Andropow geleitet, der dabei von Breschnew selbst kontrolliert wurde.
Diese Infiltration war demnach nicht einem psychisch kranken Hirn entsprungen sondern hatte einen ganz realen Hintergrund.
Woran liegt es nur das mir plötzlich Schlagworte wie Genua oder Seattle, NPD, RAF oder Al-Quaida einfallen?
mfG
nereus

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