- Am Arbeitsgericht: Gaststättengewerbe als Schlachtfeld - Wal Buchenberg, 26.11.2002, 16:42
- Re: Gaststättengewerbe als Schlachtfeld - Und, wie ist die Schlacht ausgegangen? - Digedag, 26.11.2002, 18:18
- Du brauchst also einen fremden Richter, um dir dein Urteil zu bilden!? (owT) - Wal Buchenberg, 26.11.2002, 18:53
- Re: Ich kann mir mein Urteil sehr wohl auch allein bilden, aber wozu erzählst Du - Digedag, 26.11.2002, 19:17
- Re: Ich kann mir mein Urteil sehr wohl auch allein bilden, aber wozu erzählst Du - Wal Buchenberg, 26.11.2002, 19:39
- Ich bin zwar kein Richter, aber die Schadensersatzforderungen kann der Hotelier - LenzHannover, 27.11.2002, 02:49
- Re: Ich kann mir mein Urteil sehr wohl auch allein bilden, aber wozu erzählst Du - Wal Buchenberg, 26.11.2002, 19:39
- Re: Ich kann mir mein Urteil sehr wohl auch allein bilden, aber wozu erzählst Du - Digedag, 26.11.2002, 19:17
- Du brauchst also einen fremden Richter, um dir dein Urteil zu bilden!? (owT) - Wal Buchenberg, 26.11.2002, 18:53
- Re: Gaststättengewerbe als Schlachtfeld - Und, wie ist die Schlacht ausgegangen? - Digedag, 26.11.2002, 18:18
Am Arbeitsgericht: Gaststättengewerbe als Schlachtfeld
-->Am Arbeitsgericht: Gaststättengewerbe als Schlachtfeld
1) Fristlose Rache:
Vor Gericht erschienen jeweils mit Rechtsanwalt der Kläger F., ein junger Mann Anfang oder Mitte Zwanzig mit eingedrehten Zöpfchen im Haar, und der Hotelinhaber Sch., Anfang oder Mitte Dreißig. Anlass des Streits war eine fristlose Kündigung wegen „beharrlicher Arbeitsverweigerung“ vom 29.1.02.
Der Kläger, F. war dem Hotelchef persönlich bekannt, weil er dessen Freundin in einem Ausbildungsvertrag beschäftigte.
Herr F. war am 15.09.01. als Krankheitsvertretung des erkrankten Hotelinhabers Sch. mit einem Arbeitsvertrag auf Stundenbasis eingestellt worden, in dem der Passus mit „vier Wochen Probezeit“ um die zwei Worte „vier Wochen“ gekürzt worden war. Das hatte zur Folge, dass Herr F. mit unbegrenzter Probezeit eingestellt war und daher jederzeit ohne Grund kündbar war. Tariflich kann im Gaststättengewerbe in der üblichen Probezeit von vier Wochen täglich gekündigt werden, dann mit einer Zehntagesfrist zum Monatsende.
Herr F. hatte laut Abrechnung seines Chefs im September 348 Stunden, im Oktober 328 Stunden, im November 320 Stunden und im Dezember 249 Stunden bei einer monatlichen Regelarbeitszeit von 172 Stunden gearbeitet. Die 249 Stunden ergaben einen Bruttolohn von 3555.- Euro - ein Stundenlohn von 14,30.- Euro.
Nach diesem Arbeitsmarathon soll plötzlich ab dem 20. Januar während einer einzigen Woche die „beharrliche Arbeitsverweigerung“ eingetreten sein. Was war vorgefallen?
Der junge Mann mit Zöpfchen erzählt als erster: Er sei mit seiner Freundin, die als Auszubildende in dem Hotel arbeitete, in Dänemark bei einer Hochzeitsfeier eingeladen gewesen und es sei ausgemacht worden, dass sie dann beide eine Woche Urlaub machen könnten. Der Hotelbetrieb war Dezember und Januar geschlossen.
Nach zwei Tagen habe jedoch die Frau des Chefs angerufen und gesagt, sie sollten beide unbedingt am Sonntag, den 20.1.2002 zurückkommen, sie würden dringend gebraucht.
Er habe sich mit seiner Freundin an diesem Sonntagmorgen ganz früh auf den Weg gemacht und sei gegen Mittag im Betrieb bei Frau Sch. eingetroffen.
Nach dem Eintreffen habe seine Freundin das Ausbildungsverhältnis gekündigt wegen nicht vertragsgemäßer Ausbildungsverhältnisse. Er selber habe keine Kündigungsabsicht gehabt. Dann sei es zu einem Wortwechsel zwischen ihm und der Frau Sch. gekommen, in dessen Verlauf sie ihm fristlos gekündigt habe. Er solle sofort den Generalschlüssel des Hotels und alle Unterlagen herausgeben. Das habe er verweigert. Er habe die Kündigung nicht akzeptiert und wollte sofort mit seinem Chef sprechen, der in der Reha-Klinik war. Nach einem Telefongespräch mit ihm sei er am Sonntag Abend noch zu seinem Chef in die Klinik gefahren.
Bei diesem Gespräch am Abend wurde von keiner Seite eine Kündigung ausgesprochen. Sein Chef habe ihn aufgefordert, alles noch einmal zu überschlafen und am nächsten Tag zu ihm zu kommen. Der Chef habe ihm aber auch gesagt, er bräuchte nicht zur Arbeit kommen.
Am Mittwoch habe es ein weiteres Gespräch mit dem Chef gegeben. Da hatte er ihm eine Stelle als „Restaurantsleiter ohne Papierkram“ angeboten und gesagt, er solle am Freitag zurückkommen. An einem verringerten Aufgabenbereich hätte er jedoch kein Interesse gehabt.
Am Freitag gab es ein neues Gespräch mit dem Chef, bei dem es vor allem um Geldforderungen ging. Der Lohn von Dezember und Januar stand noch aus sowie eine Steuerrückzahlung aus dem Lohnsteuerjahresausgleich, den das Unternehmen anstelle des Finanzamts für ihn durchgeführt hatte. Sein Chef verweigerte die Auszahlung mit der Begründung, dass Herr F. im September einen Unfall mit dem Firmenwagen verursacht habe, und er erst die Schadenssumme mit dem Lohn verrechnen wollte. Außerdem bestritt er die Korrektheit der Arbeitsstunden im Dezember und wollte vor Auszahlung des Dezemberlohns erst einen detaillierten Stundennachweis. Der Chef sagte vor dem Arbeitsgericht, er fordere von seinem ehemaligen Angestellten „um 3 bis 4000 Euro“ für den Autoschaden und eine vermasselte Absprache mit einem Reiseveranstalter, wo Herr F. einen fehlerhaften Kostenvoranschlag erstellt hatte. Wegen dieser gegenseitiger Geldforderungen laufen derzeit noch zwei unterschiedliche Verfahren vor anderen Gerichten.
Am 27.01. also eine Woche nach Ausbruch des Konflikts, hatte Herr F. schließlich den Generalschlüssel und die Hotelunterlagen übergeben.
Am 28.01. schrieb Herr Sch. eine fristlose Kündigung mit seitenlanger Begründung, unter anderem wegen Arbeitsverweigerung.
Der Richter weist vorsorglich darauf hin, dass eine „beharrliche Arbeitsverweigerung“ als Grund für eine fristlose Kündigung entfällt, wenn gegenseitige Forderungen in der Diskussion sind, und deshalb ein Lohnarbeiter Arbeitsleistungen verweigert.
Der Richter und seine beiden Beisitzer ziehen sich zur Beratung zurück.
Anschließend meint der Richter, der Sachverhalt „ist für mich nicht ganz deutlich.“ Er schlägt vor, dass die fristlose Kündigung in eine fristgerechte umgewandelt wird mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.02. mit Zahlung des Gehalts und Abgeltung aller Urlaubsansprüche.
Herr F. erklärt sich mit diesem Vergleichsvorschlag einverstanden. Sein Chef beharrt jedoch auf der fristlosen Kündigung mit der Begründung: „Herr F. hat mich im Stich gelassen als ich krank war!“ Das Urteil erging am selben Tag. (25.11.2002)
Stadthalle M.
Vor Gericht erschienen der Pächter der Stadthalle von M. mit Rechtsanwalt als Beklagter und sein gekündigter Koch, Mitte Vierzig, mit Rechtsanwalt als Kläger.
Der Beklagte hatte ab 1.9.1999 für zehn Jahre die Stadthalle M. als Gastronomiebetrieb mit Kegelbahnen zu Bedingungen gepachtet, die nicht rentabel waren. Daher kündigte er am 14.02.02 den Pachtvertrag mit der Stadt zum 30.6.02. und kündigte am 27.02. auch seinen sieben Lohnarbeitern mit den tariflichen Kündigungsfristen, darunter dem Koch, der nun auf Weiterbeschäftigung klagte.
Tatsache ist nämlich, dass der Pächter den Gastronomiebetrieb weiterführte, wenn auch mit verändertem unternehmerischen Konzept. Gegenüber der Stadt und gegenüber der Ã-ffentlichkeit tritt er weiterhin als Pächter und als Betriebsleiter auf, aber der tägliche Betrieb der Kegelbahnen und die Bewirtung von Gesellschaften und Veranstaltungen in der Halle hatte er mit Einverständnis der Stadt an einen Unterpächter abgetreten. Dieser Subunternehmer beschäftigt seine eigenen Lohnarbeiter bzw. bezieht seine Essen von einem Catering-Unternehmen.
Der Richter befragt ausführlich den Unternehmer und interessiert sich nicht für die Klagegründe des Kochs. Der Pächter weist darauf hin, dass alle sieben Gekündigten in erster Instanz ihre Kündigungsklage verloren hatten, nur der Koch habe Berufung eingelegt.
Nach einer kurzen Beratungspause führt der Richter aus, dass der Pächter fest entschlossen gewesen sei, zum 30.6. den Betrieb stillzulegen. Dass er nach der Kündigung seiner Angestellten in einem Telefonat mit der Stadtverwaltung seine Pacht-Kündigung wieder zurückgenommen hatte, ändere nichts an der Zulässigkeit und Wirksamkeit der Kündigungen gegenüber seinen Mitarbeitern. Das Unternehmenskonzept sei völlig verändert. Der Betrieb werde nun ohne Restaurantbetrieb weitergeführt und die Tätigkeit eines Kochs sei damit entfallen. Ein Wiedereinstellungsanspruch des Kochs komme nicht in Betracht.
Wo Lohnarbeiter zu wenig Profit bringen, da ist es einem Kapitalisten nicht zumutbar, Lohnarbeiter zu beschäftigen. (25.11.02.)
Wal Buchenberg, www.marx-forum.de

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