- 1984 - orwell, 02.12.2002, 17:25
- Re: 1984 genau das ging mir durch kopf als diese Leute vor ein paar Wochen.... - dr.seidel, 02.12.2002, 20:16
1984
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Eine neue Behörde unter John Poindexter konzipiert den
Prototypen des totalsten Überwachungsprojektes der
Geschichte.
VON PETER KROTKY
Schon das Logo zeugt nicht gerade von
Geschmack. Meint die"Washington Post".
Eine 13stufige Pyramide. Darüber
schwebend das göttliche Auge, das seinen
allwissenden Blick auf den Globus richtet.
Darunter der Spruch:"Scientia est potentia"
(Wissen ist Macht). Die Wirklichkeit läßt
offenbar so manche
Weltverschwörungstheorie alt aussehen.
Das Logo ist das offizielle Zeichen des
Information Awareness Office (IAO) der
US-Regierung. Hinter dem harmlos
klingenden Namen verbirgt sich das wohl totalste
Überwachungsprojekt der Geschichte. Entstanden ist es als Reaktion
auf die Terroranschläge des 11. September 2001. Beim seit Anfang
des Jahres bestehenden IAO laufen eine ganze Reihe von Aktivitäten
zusammen, deren Ziel es ist, alle irgendwie zugänglichen Daten von
Bürgern miteinander zu verknüpfen. Weltweit und nicht auf die USA
beschränkt.
"Totale Erkenntnis"
Die offizielle Absicht: Mögliche Verbrechen oder Terrorakte schon im
Vorfeld zu erkennen und zu vereiteln. Wobei es wie bei ähnlichen
Vorhaben der Phantasie überlassen bleibt, was jene, die Zugang zu
einer solchen Datensammlung haben, damit noch anstellen könnten.
Das Projekt erhebt schon im Namen den Anspruch auf"totale
Informationserkenntnis". Und dieser Totalitätsanspruch ist denn auch
das eigentlich Neue - sowohl politisch als auch technologisch. Gegen
die darin enthaltene Orwellsche Vision verblaßt selbst das
berühmt-berüchtigte US-Abhörsystem"Echelon". Warum?
Die Stoßrichtung des Programms zielt zunächst einmal auf die
Einbindung staatlicher und privater Datenbanken weltweit:
Flugbuchungen, Kreditkartenumsätze, Bücherkäufe,
Medikamentenverschreibungen, Führer- und Pilotenscheine,
Kontobewegungen, Autovermietungen, Visa- und Asylinformationen,
Krankenkassen-Register, die Daten von Geheimdiensten und
Strafverfolgern - alles, was irgendwo und irgendwie elektronisch
erfaßt ist, jede Informationsquelle der Welt soll zugänglich gemacht,
verknüpft und automatisiert ausgewertet werden.
Doch damit nicht genug: Dazu kommt jener Bereich, der bisher
schon von"Echelon" abgedeckt ist, nämlich alles, was mit
Kommunikation zu tun hat: Telephonate, Faxe, E-Mails, Datenströme
werden - in einem weitgehend rechtsfreien Raum - abgehört,
gescannt und ebenfalls dem auszuwertenden Mega-Daten-Pool
hinzugefügt.
Wenn man solche weltweit generierten Datenmengen filtern und darin
automatisiert nach"verdächtigen" Mustern suchen will, spielen die
unterschiedlichen Sprachen freilich eine große Rolle. So verwundert
es nicht weiter, daß sich Teilprojekte im Rahmen des IAO genau
damit beschäftigen: die vollautomatisierte Umsetzung verschiedener
Sprachen ins Englische, aber auch die Verwandlung gesprochener
Worte in digital weit besser auszuwertenden Text.
Die Orwellsche Vision geht noch einen Schritt weiter: Alle Varianten
biometrischer Erkennungssysteme sollen einbezogen werden. Dazu
gehören einerseits bestehende Datenbanken - etwa mit
DNA-Informationen oder Fingerabdrücken (von Ausländern aus
bestimmten arabischen Ländern werden bei der Einreise in die USA
bereits seit Oktober vergangenen Jahres Fingerabdrücke
genommen). Ebenso sollen neue biometrische Erkennungsmethoden
weiterentwickelt und integriert werden. Eines dieser Projekte nennt
sich etwa"Human ID at a Distance". Dabei geht es um die
Identifizierung von Personen via Video-Daten, wie sie beispielsweise
bei den zahlreichen Überwachungskameras in Flughäfen oder
Geschäften anfallen.
Kathy de Bolt, vom Battle Command/Battle Lab der US-Armee meint
dazu:"Wir versuchen alle biometrischen Daten, die wir kriegen
können, von jedem Schurken zu sammeln." Wobei - siehe
Fingerabdrücke bei der Einreise in die USA - offenbar jeder ein
potentieller Schurke ist.
Das"göttliche Auge"
Der Totalitätsanspruch - sowohl hinsichtlich der Bandbreite des
Überwachungs-Spektrums als auch dessen weltweiten Einsatzes -
stellt dabei die zentrale technologische Herausforderung dar. Wenn
eben - wie die Anti-Terror-Doktrin des"asymetrischen Umfelds"
annimmt - jeder ein potentieller Terrorist sein kann, dann muß auch
jeder überwacht und belauscht werden, um das"Böse" auszufiltern.
Und einmal umgesetzt hieße das, daß Tag für Tag Milliarden von
Informationen zu verarbeiten wären, um daraus Muster generieren
zu können, die potentielle Terrorakte schon im Vorfeld erkennbar
machen.
Daher konzentrieren sich die Anstrengungen der IAO darauf, in der
Strukturierung, Abfrage und Auswertung von Informationen völlig
neue Wege einzuschlagen. Am Ende könnte eine Neudefinition dessen
herauskommen, was man heute unter"Datenbank" versteht. Und
selbst hier setzt man noch eins drauf: Die Software soll auch dazu
taugen, aus der Datenflut Vorhersagen zu erstellen und
Handlungsoptionen aufzuzeigen.
Noch ist das Ganze ein zunächst auf fünf Jahre befristetes
Forschungsprojekt mit dem Ziel der Schaffung des Prototyps eines
solch allwissenden, göttlichen Auges der USA. Fest steht aber, daß
derzeit bereits 200 Millionen Dollar jährlich dafür budgetiert sind.

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