- Zahlengebäude auf schwankendem Grund: Der Bundeshaushalt für 2003 - Palstek, 03.12.2002, 10:32
Zahlengebäude auf schwankendem Grund: Der Bundeshaushalt für 2003
-->Neue Steuerdebatte
Zahlengebäude auf schwankendem Grund
Der Bundeshaushalt für 2003, den Finanzminister Hans Eichel heute einbringt, beruht auf zu positiven Annahmen
Von Marc Beise
Einmal im Jahr ist Haushalts- Hauptberatung im Bundestag; es waren dies einmal die wichtigsten Parlamentstage des Jahres. Diese Woche ist es wieder soweit: Am heutigen Dienstag bringt Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) im Plenum den Entwurf des Haushaltsgesetzes für 2003 ein, woran sich ein Schlagabtausch zwischen Eichel und dem CDU-Wirtschaftsexperten Friedrich Merz anschließen wird; tags darauf kreuzen Kanzler Gerhard Schröder und Oppositionsführerin Angela Merkel die Klingen. Die Eckdaten des Etatentwurfs 2003 sind seit dem entsprechenden Beschluss des Bundeskabinetts bekannt: Ausgaben von 247,9 Milliarden Euro (1,8 Prozent weniger als im Vorjahr) sollen Einnahmen von 229 Milliarden Euro gegenüberstehen. Womit ein Loch von 18,9 Milliarden Euro bleibt, das durch neue Schulden aufgefüllt werden muss. Fragt sich nur, wie ernst man diese Zahlen überhaupt nehmen kann.
Die geplante Neuverschuldung von 18,9 Milliarden Euro läge um eine Milliarde höher als noch im rot-grünen Koalitionsvertrag von Mitte Oktober vorgesehen. „Nur“ eine Milliarde, ist der Beobachter geneigt zu formulierenangesichts der Geschwindigkeit und des Ausmaßes, mit denen Eichels Finanzdaten derzeit nach oben schnellen. Alarmierend ist der Blick auf den Nachtragshaushalt 2002, der zeitgleich mit dem Etat für 2003 eingebracht wird. Danach muss Eichel jetzt noch einmal 13,5 Milliarden Euro zusätzlich am Kapitalmarkt aufnehmen, um immer neue und immer höhere Ausgaben im laufenden Jahr auszugleichen. Zusammen mit den ursprünglich geplanten 21,1 Milliarden Euro summiert sich die Neuverschuldung 2002 auf 34,6 Milliarden Euro - das sind 60Prozent mehr als zunächst geplant und der zweithöchste Betrag in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Neuverschuldung liegt weit über der Summe der Investitionen (25 Milliarden Euro). Womit der Haushalt nach Artikel 115 Grundgesetz eigentlich verfassungswidrig wäre, wenn die Bundesregierung nicht von einer Ausnahmeregel Gebrauch gemacht und die „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ ausgerufen hätte.
Das deutsche Defizit wird in diesem Jahr voraussichtlich 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen, deutlich mehr als die zulässige Drei- Prozent-Grenze des EU-Stabilitätspakts. 2003 will Eichel den Pakt wieder einhalten, um trotz des bereits eingeleiteten EU-Strafverfahrens Sanktionen in Milliardenhöhe zu vermeiden. Das freilich nimmt dem früheren „Spar-Star“ kaum noch jemand ab. Eichels Planung hält mittlerweile nicht nur die Opposition für umfassend unsolide.
Der Finanzminister selbst fühlt sich unfair behandelt. Der Ausreißer für 2002 liege schließlich an der unerwartet schlechten Konjunkturlage: Zu Buche schlügen die starken Steuerausfälle und die Mehrausgaben wegen der hohen Zahl der Arbeitslosen.Abgesehen davon, dass zu beidem die Wirtschaftspolitik der Regierung maßgeblich beigetragen hat (ein Teil der Steuerausfälle ist eine logische Konsequenz von Eichels Unternehmensteuerreform), ist der Minister auch handwerklich dafür verantwortlich, dass sein Renommee gelitten hat: Eichel pflegt seine Haushalte nach eigener Aussage „auf Kante zu nähen“ - was eine Umschreibung dafür ist, dass er die Einnahmen zu hoch anzusetzen pflegt, um nicht frühzeitig viel sparen zu müssen.
Auch im Etat für 2003 finden sich wieder zweifelhafte Annahmen: ein unrealistisch hohes Wachstum etwa, entsprechend vermutlich viel zu optimistische Steuererwartungen, ein Sparpaket, das der Bundesrat womöglich teilweise verhindert, und ein „Steuervergünstigungsabbaugesetz“, das nach Ansicht zahlreicher unabhängiger Experten in der Summe viel weniger bringen wird als einplant. 3,6 Milliarden Euro will Eichel durch die Änderung von Steuermaßnahmen bereits 2003 einnehmen (bis 2005 sollen es wegen der schrittweisen Wirksamkeit 17,3 Milliarden sein) - einige Maßnahmen werden entweder wegen berechtigter Einsprüche gar nicht erst wirksam oder von einfallsreichen Steuerberatern flugs umgangen werden. Umgekehrt würde eine Ausweitung der steuerlichen Förderung von Mini-Jobs auf alle Branchen, wie das die CDU/CSU betreibt, oder eine Vorzugsbehandlung für Kleingewerbler in den so genannten Ich-AGs den Etat zusätzlich belasten.
Das Haushalt für 2002 gilt selbst manchem Mitglied der Regierungskoalition als Desaster. Dass es im Jahr 2003 besser werde, glauben nur unverbesserliche Optimisten.
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