- Zu- oder abnehmender Grenznutzen des Geldes? - zu Bernoulli & Popeye - dottore, 05.12.2002, 15:37
- Re: Zu- oder abnehmender Grenznutzen des Geldes? - André, 05.12.2002, 16:45
- Re: Zu- oder abnehmender Grenznutzen des Geldes? - dottore, 05.12.2002, 20:09
- Re: Zu- oder abnehmender oder gleichbleibender Grenznutzen des Geldes? - André, 05.12.2002, 21:57
- Re: Zu- oder abnehmender Grenznutzen des Geldes? - dottore, 05.12.2002, 20:09
- @dottore - Kleine Anmerkung - R.Deutsch, 05.12.2002, 17:52
- Re: @dottore - Kleine Anmerkung - dottore, 05.12.2002, 19:06
- Dottore geht Baden - R.Deutsch, 05.12.2002, 21:23
- Re: Na gut, dann nehme ich den nächstbesten See zum Baden (bin kälteresistent) (owT) - dottore, 05.12.2002, 21:38
- Dottore geht Baden - R.Deutsch, 05.12.2002, 21:23
- Re: @dottore - Kleine Anmerkung - dottore, 05.12.2002, 19:06
- @dottore: 'Welcome back' (von Pumpen u.ä.) in der theoretischen Ã-konomie - Galiani, 05.12.2002, 21:06
- Re: Schönen Dank erstmal und Antwort-Versuch - dottore, 05.12.2002, 21:36
- Re: Schönen Dank erstmal und Antwort-Versuch - Galiani, 06.12.2002, 10:27
- Re: Schönen Dank erstmal und Antwort-Versuch - dottore, 05.12.2002, 21:36
- Re: Zu- oder abnehmender Grenznutzen des Geldes? - zu Bernoulli & Popeye - Pudelbirne, 06.12.2002, 03:09
- Re: Zu- oder abnehmender Grenznutzen des Geldes? - André, 05.12.2002, 16:45
Zu- oder abnehmender Grenznutzen des Geldes? - zu Bernoulli & Popeye
-->Hi,
zunächst besten Dank für den wieder entdeckten und präsentierten Bernoulli.
Ich darf dazu einige Bemerkungen machen, die ich - nach entsprchender Prüfung durch die erlauchte Corona hier - gern weiter verwursten möchte (für die berüchtige"neue Theorie", woaßt scho...).
Wenn ich mit der ursprünglichen Deutung des abnehmenden Grenznutzens durch Gossen beginnen darf, so haben wir einen unschwer überprüfbaren Sachverhalt, der sich simpel formuliert etwa so darstellt: Je mehr jemand ein Gut genutzt hat, desto geringer ist der zusätzliche Nutzen aus zusätzlicher Nutzung des nämlichen Gutes.
Der Nutzen nimmt also erst nach der ersten - bereits erfolgten! - Nutzung eines Gutes ab (einfaches Beispiel: Essen und Trinken, die zweite Mahlzeit hat einen geringeren Nutzen als die erste, dies allerdings erst, nachdem die erste Mahlzeit verspeist ist). Eine Eventual-Nutzung ist weder gemeint noch sinnvoll und letztlich auch nicht definierbar. Dies schon aus praktischen Gründen: Ich kann nicht wissen, mit welcher Mahlzeit ich starte, was ich erst aussagen kann, nachdem ich mit einer Mahlzeit gestartet bin.
Der Grenznutzen der zweiten Mahlzeit (von zwei zur Verfügung stehenden Mahlzeiten) ist also nicht geringer als erste, weil die zweite durchaus auch die erste sein kann. Die Menge von nutzbaren Gütern allein lässt keine Aussage darüber zu, welches der zur Nutzung bereiten Güter einen höheren und welches einen niedrigeren Nutzen hat.
Der abnehmende Grenznutzen (= Nutzen einer zusätzlich nutzbaren Einheit) ist immer nur für die dann konkret als nächste zur Nutzung erscheinende Einheit zu definieren, was aber bereits zumindest eine bereits genutzte Einheit voraussetzt.
Bevor also die Nutzung nicht begonnen hat und vollendet wurde, sind Aussagen über den Nutzen weiterer Nutzungen nicht möglich.
Dies ist besonders deutlich bei Geld. Da sich Geld in einander absolut gleichende Einheiten teilen lässt (z.B. Goldstücke), ist ein abnehmender Grenznutzen des Geldes, hier in Form einzelner Geldstücke, a priori nicht nachvollziehbar. Jemand kann sehr viele Geldstücke haben, bei denen schon das erste keinerlei Nutzen hat, weil er es selbst nicht nutzt, sondern buchstäblich"ungenutzt" in seinem Tresor hält.
Es kommt also darauf an, zu fragen, wann denn ein Geldstück überhaupt erst einen Nutzen haben kann. Dies ist erst der Fall, nachdem etwas eingetreten ist, was die Be-nützung des Geldstücks erforderlich macht. Dies kann nur eine Zahlungsverpflichtung sein, egal welcher Provenienz jetzt. Eine nicht existente bzw. eingetretene Zahlungsverpflichtung macht das Geld nutz-los, da es nichts gibt, wofür es genutzt werden könnte. Dass der Zweck des Geldes darin liegt, Zahlungen zu leisten, kann nicht bestritten werden.
Nun ist zu fragen, wie sich der Nutzen eines (entweder nur dieses einen oder von tendenziell vielen) Geldstücken ermitteln lässt. Ein konsumtiver Nutzen, resultierend aus einem physisch bedingten Verzehrzwang scheidet logischerweise aus.
Also kann der Nutzen eines Geldstücks nicht aus dem Haben oder Halten desselben abgeleitet werden, sondern nur aus dem Nicht-Haben desselben. Der Wert des Geldstücks (i.e. der Nutzenwert) ergibt sich demnach aus dem, was eintritt, wenn das Geldstück zum vorab festgelegten Zahlungszeitpunkt nicht hergegeben bzw. geleistet werden kann. Der Wert des Geldes (Geldstücks) resultiert nicht aus dem Geld oder Geldstück selbst, sondern kann nur ermittelt werden, indem verglichen wird, was passiert, wenn das Geld dann gegeben wird, wenn es gegeben werden muss und wenn das Geld, obwohl es gegeben werden muss, nicht gegeben wird.
Damit sind wir wieder mitten in der Sanktionstheorie des Wertes (wenn ich dies mal so bezeichnen darf, was sich seit längerem in meinem krausen Hirn so entwickelt): Der Wert einer Sache, Geld usw. ergibt sich nicht aus dieser/diesem selbst, sondern aus dem, was mir an Wert genommen wird, wenn ich die Sache / das Geld oder Geldstück nicht dann abgebe, wenn ich, da dazu verpflichtet, es abgeben muss.
Es ist also die Sanktion, die der Nichthergabe folgt, die dem herzugebenden Gut/Geld überhaupt einen Wert verleihen kann. Das einfache Beispiel einer Pro-Kopf-Steuer von einem Goldstück pro Jahr hatte ich bereits gebracht: Die Sanktion der Nichthergabe des Goldstücks kann nicht darin bestehen, danach eben ein anderes Goldstück zu verlangen, weil überhaupt kein Goldstück vorhanden ist (und selbst wenn: es eben nicht herausgerückt wird).
Also muss die Sanktion auf etwas anderes lauten, dies kann eine vorgeschriebene und terminierte Arbeitsleistung sein (siehe Schuldknechtschaft für genau vorgeschriebene Dauer) oder die Ablieferung einer anderen Ware, die ebenfalls konkret beschrieben sein muss (z.B. dreijähriges Rind) oder eine Warenauswahl (Getreide, Vieh, Grund und Boden usw. - jeweils entsprechend vorab in Menge, Qualität usw. festgelegt).
Der Wert des Geldes definiert sich demnach nicht aus dem Geld selbst, sondern aus dem Wert der Leistungen bzw. Güter, die erbracht werden müssen, wenn das Geld selbst nicht erbracht werden kann, obwohl es erbracht werden muss.
Hinzu kommt ein Weiteres: Der Grenznutzen des Geldes, sofern wir es wie oben definieren, also als etwas, das seine Nutzenfunktion erst entfalten kann, nachdem feststeht, dass es abzugeben oder zu leisten (be-zahlen) ist und dies nach Menge (Summe) und Termin, nimmt bezogen auf die einzelnen Geldstücke nicht etwa ab, sondern zu.
Falls 100 Geldstücke zu leisten sind, hat das erste geleistete (also benützte und genutzte) Geldstück den geringsten Nutzen (es ist erst eine minimale"Anzahlung" und weit entfernt davon bereits die Be-Zahlung zu sein) und das letzte den höchsten. Denn es ist erst genau das letzte Geldstück, das die Zahlungsverpflichtung definitiv aus der Welt schafft (weshalb bis heute die fehlenden"Spitzen"-Finanzierungen am teuersten sind, was jeder Hauskäufer bestätigen kann: die I. Hypothek ist am günstigsten und wenn der Bauherr die letzten Ziegel auf dem Dach schließlich mit Hilfe der Ausschöpfung seines Dispos finanzieren muss, ist diese"Abschlussfinanzierung" am kostspieligsten).
Das Arm/Reich-Beispiel von Bernoulli scheint zwar auf den ersten Blick plausibel:
"...es ist hier nämlich der Wert einer Sache nicht aus ihrem bloßen Preise (Geld- oder Tauschwert) zu bestimmen, sondern aus dem Vorteil, den jeder einzelne daraus zieht. Der Preis (Geld- oder Tauschwert) bestimmt sich aus der Sache selbst und ist für alle gleich; der Vorteil aber hängt von den Verhältnissen des Einzelnen ab. So muß es zweifellos für einen Armen mehr wert sein, tausend Dukaten zu gewinnen, als für einen Reichen, obschon der Geldwert für beide der gleiche ist."
Es führt indes gleich zweimal in die Irre.
1. Es geht nicht um den zu ziehenden"Vorteil", der hier interpersonell gezogen wird. Tatsächlich kann eine Grenznutzenbetrachtung sich immer nur auf eine Person und nicht auf zwei oder mehrere beziehen.
2. Dieses Manko ist auch nicht dadurch auszuräumen, dass der Arme, da wenig oder kein Geld habend als jemand hingestellt wird, der mehr Nutzen von zusätzlichem Geld hat als der Reiche, da ein Mehr an Geld überhaupt nichts darüber aussagt, ob der Reiche das Geld nicht vielleicht schon einen Tag später abgeben muss, weil er eine am Tag des Arm/Reich-Vergleiches bereits bestehende Verpflichtung in Höhe der besagten 1000 Dukaten hat.
Es liegt nun mal in der Natur des Geldes,"Zahlungsmittel" zu sein (egal jetzt, ob öffentlich- oder privatrechtlich vereinbart). Oder umgekehrt: Was nicht Zahlungsmittel ist, kann auf keinen Fall Geld sein.
Beim Zahlungsmittel kommt es einzig und allein auf die Zahlung an. Oder umgekehrt: Sind keine Zahlungen zu leisten, kann es auch kein Zahlungsmittel geben. Denn was sollte ein Zahlungsmittel ohne Zahlung(en) sein?
Zur Zahlung gehört nun unabdingbar der Zahlungstermin. Denn ohne Termin zur Zahlung kann es keine Zahlung geben. Ob also jemand Geld als Geld hat oder nicht, spielt absolut keine Rolle. Es kommt einzig und allein darauf an, ob er es hat, wenn er damit bezahlen muss.
Das Geld definiert sich durch die Zahlung. Der Geldwert definiert sich durch die Konsequenz (Sanktion) bei Nichtzahlung. Die Zahlung definiert sich durch den Zahlungstermin. Ohne Termin keine Zahlung und ohne Zahlung kein Geld.
Schönen Dank fürs Lesen und in Vorfreude auf kritische Anmerkungen (hoffentlich ist kein Hinweis auf die theoretisch längst erledigte Keynes'sche"Trouvaille" von der"Liquiditätsprämie" darunter, von der bisher noch kein Mensch erleben durfte, wer diese Prämie eigentlich an wen bezahlt bzw. wer sie von wem jemals kassiert hätte, usw.) bestens und mit nochmaligem Dank an Popeye und auch an Galiani für seinen souveränen Ergänzungsbeitrag grüßend!

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