- Werden wir bald einem schwachen Euro nachtrauern? - Frank1, 01.10.2000, 13:12
- Re: Werden wir bald einem schwachen Euro nachtrauern? - PeMo, 01.10.2000, 13:46
Werden wir bald einem schwachen Euro nachtrauern?
Hier Artikel Nr. 1 der Sonntagszeitung (CH) von heute:
Die grösste Sorge gilt dem Dollar
Gefährlicher als ein schwacher Euro wäre für die Weltwirtschaft ein Absturz der US-Währung
Zürich - Seit Monaten jammern Politiker, Notenbanker und Ã-konomen über den schwachen Euro. Mit dem Nein der Dänen zum Euro-Beitritt kochen Befürchtungen um einen freien Fall erneut hoch. Doch wirklich gefährlich ist etwas ganz anderes: ein sinkender Dollar.
Der US-Finanzminister Lawrence Summers bekräftigt immer wieder sein Interesse an einem starken US-Dollar. Dass auch die US-Notenbank Fed die Intervention der Notenbanken der G-7-Staaten zu Gunsten des Euro vor einer Woche unterstützt hat, kam deshalb für viele überraschend. Denn die USA und mit ihnen die Weltwirtschaft haben von einem schwachen Dollar nichts Gutes zu erwarten.
Der starke US-Dollar ist die Folge des überaus kräftigen Wachstums der US-Wirtschaft in den Neunzigerjahren. Unternehmer und Anleger investierten ihr Kapital in den USA, weil sie sich davon die besten Chancen versprachen. Die wachsende Wirtschaft und der starke Dollar sorgten für einen anhaltenden Kapitalfluss in Richtung Amerika, und das stärkte wiederum den Dollar und schwächte den Euro. Seit Einführung des Euro flossen laut einer Untersuchung von Merryll Lynch aus Euroland netto 261 Milliarden Dollar - über 4 Prozent des Bruttoinlandprodukts - in die USA, die Hälfte davon an die Börsen.
Beginnt der Dollar zu fallen, kehrt sich dieser Prozess um und setzt eine unheilvolle Spirale in Gang: Die Investoren erzielen tiefere Renditen und sorgen sich zunehmend um ihr Dollar-Engagement - die Kurse von Aktien und Obligationen fallen. Dies schwächt den Dollar weiter, was wiederum Kapitalabflüsse aus den USA nach sich zieht. Damit verteuert sich die Kapitalbeschaffung für US-Unternehmen, die Investitionen gehen zurück. Der tiefere Dollar bringt gleichzeitig importierte Inflation und zwingt die Notenbank zu Zinserhöhungen. Womit die Gefahr einer Rezession steigt.
Für die Weltwirtschaft ist ein schwacher Dollar derzeit wesentlich gefährlicher als ein schwacher Euro. Das weltweite Wachstum stützt sich wesentlich auf die Exporte in die USA und damit auf den starken Dollar. Das anziehende Wachstum in Europa und Japan könnte den Ausfall der US-Wirtschaftslokomotive nicht ersetzen.
Die USA spielen also mit dem Feuer, wenn sie wie in der letzten Woche Interventionen zu Gunsten des Euro unterstützen. Schon heute halten die meisten Ã-konomen den Dollar für überbewertet. Das enorme Handelsbilanzdefizit und die Tatsache, dass Europa und Asien wachstumsmässig aufholen, macht ihn anfällig. Die Devisenmärkte können ihre Meinung blitzartig ändern und eine Währung in die entgegengesetzte Richtung jagen. So hat sich zwischen 1980 und 1985 der Wert des Dollars gegenüber der DM, dem Herz des Euro, von 1.70 auf 3.45 DM verdoppelt, vor allem als Folge des starken Wachstumsschubs in den USA. Die Intervention der Zentralbanken auf Grund des Plaza-Abkommens schickte den Dollar auf steile Talfahrt. Bis die Zentralbanken 1987 sich im Louvre-Abkommen dazu entschlossen, den Dollar zu stützen, fiel er wieder auf 1.70 DM zurück.
Wechselkurse steigen und fallen. Damit kommt die Realwirtschaft, zum Beispiel die Exporteure, in der Regel gut zurecht. «Schwierig wird es erst, wenn sich die Wechselkurse sehr rasch verändern, weil sich die Wirtschaft dann nicht schnell genug anpassen kann», sagt Bernd Schips, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). Die KOF hat ausgerechnet, dass der Euro bis auf 60 Cents sinken müsste, wenn er im gleichen Masse schwanken würde wie vorher die DM. Im Vergleich zu den Vorgängerwährungen zeigt der Euro, trotz des Rückgangs gegenüber dem Dollar um gegen 25 Prozent, bisher also eine erstaunlich hohe Stabilität.
Der schwache Euro war denn auch höchstens ein politisches oder psychologisches, aber kein wirtschaftliches Problem. «Die Schweizer Exportwirtschaft hatte vor der Einführung des Euro viel grössere Probleme mit den Schwächeperioden der europäischen Währungen», relativiert Schips die Tragweite der viel beschworenen Euro-Schwäche.
Wird der Franken zur Fluchtwährung, hat die Schweiz ein Problem
Sorgen macht sich dagegen das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). In einer nur auf dem Internet veröffentlichten Analyse versucht es die Frage zu beantworten, «ob die jüngste Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro Anlass zur Sorge gibt». Die Antwort ist nicht ganz klar: Zwar lasse ein Vergleich mit früheren Aufwertungsphasen «keine Alarmstimmung aufkommen». Doch es gebe «wachsende Risiken»: «Bei gleichzeitiger Höherbewertung des Frankens gegenüber Euro und Dollar könnte die Aufwertung rasch ein für die Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft gefährliches Mass annehmen.» Die Autoren der Studie halten die Situation für umso kritischer, als es zurzeit gewichtige Risiken einer Wachstumsabschwächung der Weltwirtschaft gebe, wie etwa eine harte Landung der US-Konjunktur, weitere Ã-lpreissteigerungen, Inflationsdruck in Europa und als Folge davon ein Anziehen der Geldbremse durch die Europäische Zentralbank.
Wenn in einem solchen Szenario der Franken wieder zur Fluchtwährung avanciert wie letztmals 1993 bis 1995, hat die Schweiz tatsächlich ein Problem. Wer jetzt über einen schwachen Euro jammert, könnte ihm schon bald nachtrauern.
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