- EU als Mogelpackung - Turon, 13.12.2002, 03:14
- Re: EU als Mogelpackung - Miesespeter, 13.12.2002, 06:59
EU als Mogelpackung
-->ein Beispiel dafür ist der Bericht der Welt:
„Polen kämpft bis zum Schluss“
Während der Premier um EU-Gelder feilscht, droht Streik in Oberschlesien
von Gerhard Gnauck
Gerhard Gnauck von einer der objektivsten Zeitungen Deutschlands hat vergessen zu erwähnen, daß die Kumples bereits am Montag Ihre Urabstimmung
über Streiks ausgezählt haben.
Eindeutiges Ergebnis:
über 90% der Kumpels sind für einen Streik. Über 95% der Kumpels sind von jetzt an definitiv europafeindlich.
Herr Gnauck! wenn Sie hier beabsichtigen die Welt für dumm zu verkaufen, ich glaube - diese Masche zieht nicht.
Warschau - „Wir wollen nicht mehr Bürger eines Landes sein, das uns für schwere Arbeit kein Geld zahlt“, sagt eine protestierende Krankenschwester des Breslauer Rydigier-Krankenhauses. Seit zwei Monaten kein Gehalt, das Krankenhaus von der Schließung bedroht, das defizitäre Gesundheitswesen in der Dauerkrise - wieder einmal gehen Krankenschwestern in Polen auf die Straße.
Gründe sind ganz einfach. Polnische Ärzte haben sich in dem Westen verliebt.
Wo man für gutes Geld die absurdöse Naivität der Patienten bestens auszunutzen versteht.
Diesmal sind sie nicht nur zu den Präsidenten Rau und Kwasniewski vorgedrungen, als diese kürzlich in Breslau waren, sondern jetzt auch zum Honorarkonsul der Niederlande. Sie gaben ihre Personalausweise ab und baten ihn um Asyl.
Davon ist nichts in Polen zu hören. Polen zahlt bisher, nach meinem Kenntnisstand sehr wohl alle Löhne und Gehälter, doch für den Arzt, sind die
Zahlungen scheinbar zu wenig.
Grabesstimmung auch 150 Kilometer weiter, im oberschlesischen Industrierevier. Ein Gewerkschaftssprecher der Kumpel schimpfte gestern in die Mikrofone, dass ganz Polen es hören konnte: „Das geht doch nicht, ein Leben für netto 1300 Zloty!“ Das sind umgerechnet 330 Euro, immer noch viel für die Krankenschwester - sie verdient höchstens die Hälfte. „Sollen wir auch nach Holland ausreisen wie die Krankenschwestern? Soll gar keiner mehr hier bleiben?“, fragt der Gewerkschafter.
Das ist etwa 300 Zloty über dem Durchschnitt!
Während in Kopenhagen Polens EU-Beitritt besiegelt wird, wächst die Zukunftsangst unter den immer noch mehr als 100 000 Bergarbeitern in Oberschlesien. Dort will die Regierung nach dem bereits erfolgten Abbau von 100 000 Arbeitsplätzen im Bergbau in den letzten Jahren jetzt noch einmal 35 000 Stellen streichen.
Das ist falsch: Eigentlich will polnische Regierung etwa 17 von den aktiven
20 Kohlegrubben beseitigen. Es handelt sich also direkt um mehr als 100.000
Arbeitsplätze, indirekt um etwa 300.000.
Am Freitag ging die große Mehrheit der Beschäftigten zur Abstimmung, 92 Prozent stimmten für Generalstreik.
Die Bergewerke werden so oder so geschlossen, da kann man auch streiken. Das weiß in Polen selbst 3-jähriges Kind.
Wenn Polens Regierungschef Leszek Miller morgen ins Regierungsflugzeug steigt, um zum EU-Gipfel zu fliegen, schalten Kumpel und Eisenbahner in Oberschlesien auf Streikbereitschaft.
Die Krankenschwester und der Kohlekumpel dürften den EU-Beitritt ihres Landes mit gemischten Gefühlen sehen. Der Krankenschwester könnte er Gutes bringen: Fünf EU-Staaten, darunter die Niederlande, wollen die von Deutschland und Ã-sterreich durchgesetzte Übergangsfrist (bis zu sieben Jahre) für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern auf ihren Arbeitsmarkt von Anfang an nicht anwenden. Krankenschwestern und Pflegekräfte sind gefragt in den überalterten EU-Gesellschaften, in Deutschland können sie auf Grund einer Sonderregelung schon heute eingestellt werden, und die Nachfrage wird wachsen. Schlechter sieht es dagegen für den Kohlekumpel aus. Brüssel kritisiert die mangelnde Produktivität der polnischen Gruben.
Brüssel - das größte Bordell der Welt, sollte eigentlich selbst auf eigene
Agrarpolitk schauen. Die Gruben sind zwar nicht produktiv, allerdings immer noch wesentlich günstigere Alternative für Polen, als Rohprodukte wie Stahl
und Kohle bei der EU überteuert (um mehr als 50%) einzukaufen.
Und wenn er seine Stelle verliert, dürfte er nirgends in Europa in diesem Beruf mehr Arbeit finden - Bergbau ist keine Zukunftsindustrie.
In diesem Forum sollte man desöfteren auf die Kondriateffzyklen einen Blick
werfen. Die von der EU, glauben es sei immer noch alles anders als früher.
Zwei Menschen, zwei Schicksale. Polen durchleidet nach den erfolgreichen neunziger Jahren mit Wachstumsraten von bis zu sieben Prozent die schwierigste Wirtschaftslage seit der Wende. Das Wachstum krebst bei etwa einem Prozent, die Binnennachfrage ist eingebrochen, die Arbeitslosigkeit ist auf dem Rekordstand von 17 Prozent.
Richtig. Polen wird jetzt schon nicht mehr als EU Partner ernst genommen.
Deutsche und generell ausländische Firmen, haben hier vorwiegend die erste Stufe
des deflationären Abbaus bereits vollzogen (gilt für Tschechien etc. ebenfalls)
Die Mitarbeiter erfolgreicher Firmen, die noch vor zwei Jahren großzügig entlohnt wurden, erhielten in den vergangenen Monaten bis zu 40 Prozent weniger auf die Hand.
s.oben.
Mir sind persönlich mindestens drei Fälle bekannt, wo die Pleite des Mutterunternehmens, mit der Produktivität in Polen erfolgreich ausgeglichen wurde. Folge davon. Schießungen der Filialen in der EU, das Unternehmen
lebt aber eingeschränkt in PL weiter.
Die BRE-Bank entließ zehn Prozent ihrer Angestellten - manche erfuhren am Morgen, dass sie am Abend den Bus nehmen müssen, weil der Dienstwagen ihnen nicht mehr zur Verfügung steht. Wer auch früher schon wenig verdiente, freut sich, dass er überhaupt Arbeit hat -
ich kann mir nicht vorstellen, daß bei der westlicher Raubwirtschaft in Polen, irgendjemand froh sein kann, einen Job zu haben - doch das ist eher ein Dauerzustand.
auch wenn er sich bei östlichem Gehalt die westlichen Preise vieler Waren nicht leisten kann.
Etwa 40% der Bevölkerung lebt in etwa - immer noch - auf dem westlichen Niveau. Tatsache aber ist, daß mehr als 75% davon die Fundamente dieses Erfolges
bereits zu Kommunistenzeiten gelegt worden sind.
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Um es kurz zu machen:
Wer Opprtunist und zugleich ein absoluter Vollidiot ist, kann der EU was abgewinnen. Alle anderen, die tatsächlich was drauf haben, können sich gleich -
am besten gestern als Satiriker profilieren. Letzte Hämde, Steuerlieder, Staatsverachtung - das alles sei hoch in Kommen.
Noch mal eine kleine Ergänzung: die ersten Firmen die legal das Arbeitsvermittlung für EU aufgenommen haben, vermeldeten lediglich sehr träges Interesse der westlichen Arbeitgeber. Es kommt nicht mal darauf an, was man so drauf hat - es gibt noch nicht mal für die polnische Intelligenzia im Bereich Physik, Chemie, Bio, Mathe - genügend Nachfrage.
Ich frage mich eigentlich schon seit etwa 2 Monaten, woher dieser glorreicher Aufstieg der EU kommen soll. Polen gehört - was Arbeitsrecht angeht, zu den absolut liberlarsten Länder Europas. Kaum/kein Kündigungsschutz, geringste
arbeitsrechtlichen Schranken, steht dagegen nahezu Steuerfreiheit gegenüber.
(für Existenzgründer). Für Möchtgerntheoretiker wie ein FDP Politiker es gerne für Deutschland fördert, wäre es wohl das Eldorado der Gründer.
Tatsache aber ist, daß dieses Modell hier eben nicht funktioniert, und wer daran zweifelt, darf mal sich als Hausaufgabe das polnische Steuerrecht wie
auch die Humanressourcen vorstellen. Dann wird vermutlich erstmalig alles klar.
Der Streik der Kumpels - tja - das ist mehr weniger ein guter Witz. Eigentlich muß man sich das so vorstellen:
Jeder von Euch kriegt eine Kündigung, und geht in einen Streik hinüber. Weil man seine Arbeitsstelle beseitigen will.
Noch etwas zu den Wachstumsraten in Polen. Wenn ich ehrlich sein soll, ist hier generell nichts wirklich gewachsen. Ja - ein paar wenige haben es tatsächlich geschafft - dem Rest dagegen geht es wesentlich schlechter.
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Was die EU den Polen anbietet ist letztendlich die Wiedereinführung des Sozialismus - genau zu dem Zeitpunkt, wo es Polen abgelegt hat. Und ominöserweise, liegt der Entwicklungspunkt wesentlich tiefer, als noch 1989.
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Gruß.
P.S.: Ich bin fest davon überzeugt, daß Polen nur ein kleiner Vorbote der gesamter Katastrophe sein wird. Aber es lehrt. Es lehrt die Dinge anders zu sehen. Wesentlich differenzierter nämlich.

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