- Jetzt gehts los: Claus Harmsen begründet seinen SPD-Austritt antisemitisch! - rodex, 13.12.2002, 14:34
- Re: Hitler, Himmler, Auschwitz und kein Ende - Tempranillo, 13.12.2002, 15:54
- Ui, ui - welch heisses Eisen - wahre Abgründe tun sich auf - Praxedis, 13.12.2002, 19:27
- Re: Jetzt gehts los: Claus Harmsen begründet seinen SPD-Austritt antisemitisch! - monopoly, 13.12.2002, 21:14
- Re: Hitler, Himmler, Auschwitz und kein Ende - Tempranillo, 13.12.2002, 15:54
Jetzt gehts los: Claus Harmsen begründet seinen SPD-Austritt antisemitisch!
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"Kotau vor dem Zentralrat"
Von David Heimburger und Michaela Schießl
Als Berliner Repräsentant des"Bundesanzeigers" ist Claus Harmsen indirekt dem Justizministerium unterstellt. Das hält das langjährige SPD-Mitglied allerdings nicht davon ab, seinen jetzigen Parteiaustritt öffentlich mit antisemitischen Argumenten zu begründen.
Berlin - Eigentlich ein ganz normaler Vorgang: Ein Austritt aus der SPD. Ein Schritt, der bei der schwindenden Popularität der Sozialdemokraten nicht verwundert. Ungewöhnlich ist es allerdings, seine Austrittserklärung nicht nur an die Parteizentrale sondern auch an die Medien zu verschicken. Einzigartig wird es, wenn der Austritt in dem Schreiben unter anderem mit der Politik der Bundesregierung gegenüber dem Zentralrat der Juden und dem Staat Israel begründet wird. Wenn man dann noch den"Bundesanzeiger Verlag" vertritt und damit indirekt dem Justizministerium untersteht, wird die Sache ganz und gar delikat.
Claus Harmsen ist Rechtsanwalt und leitet die Berliner Vertretung des"Bundesanzeigers", einem Verlag, der zu 35 Prozent dem Bund gehört und in dem Drucksachen des Bundesrats und Bundestags veröffentlicht werden. Seit 25 Jahren ist der 53-Jährige Mitglied der SPD. Herbert Wehner persönlich habe ihn im Ortsverein Hamburg-Harburg geworben. Am Dienstag hat er seinen Austritt aus der Partei erklärt.
Auf zwei Seiten listet Harmsen in seiner Austrittserklärung - die SPIEGEL ONLINE vorliegt - seinen Unmut über die Linie der Bundesregierung in entscheidenden Politikfeldern auf - Arbeitsmarkt, Steuern, Gesundheit, Soziales, Bildung und Außenpolitik. Er vermisst eine langfristige Vision, ein klares programmatisches Konzept und eine Vereinfachung des Steuerrechts. Auf einen Kritik-Punkt jedoch geht er ganz ausführlich ein.
"Damit bin ich bei den Juden. Um ganz ehrlich zu sein, neben den o. g. Fakten hat die Tatsache, dass die Bundesregierung dem Zentralrat der Juden 3,0 Millionen Euro für die Förderung des Judentums in Deutschland zur Verfügung gestellt hat, bei mir das Maß voll gemacht." Angesichts leerer Staatskassen sei dieser"Kotau vor dem Zentralrat" nicht nötig gewesen, schreibt Harmsen in seiner Austrittserklärung vom 10. Dezember an"Lieber Genosse Schröder, lieber Gerhard".
"Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Juden die bessere Lobby haben", schreibt Harmsen. Er wirft dem Zentralrat der Juden, insbesondere dem Vorsitzenden Paul Spiegel und seinem Vize,"diesem furchtbaren Herrn Friedman", vor, nicht müde zu werden, die Regierung zu kritisieren und zu beschimpfen."Die dürfen ihre politische Meinung über unser Land ja sagen, aber dann nimmt man kein Geld an", sagte Harmsen gegenüber SPIEGEL ONLINE.
Die Abneigung des Journalisten, der als Gast in der Bundespressekonferenz und im Bundestag akkreditiert ist, entzündet sich besonders an der Person des stellvertretenden Vorsitzenden Michel Friedman."Friedman ist die Personifizierung der Provokation", sagt er."Provozieren tut mich das ständige Aufwärmen und Vermitteln des schlechten Gewissens." Doch das scheint nicht alles zu sein. Seine schriftlichen Erklärungen enden mit:"Doch wenn man auf der Buchpräsentation des Herrn Sigmar Gabriel erfährt, dass er erstens Herrn Friedman duzt und sich coram publico von diesem permanent berühren lässt, dann fällt einem wirklich nichts mehr ein."
Nur wenige Stunden vor seinem Austritt hatte Harmsen in Berlin die Präsentation des Buches"Mehr Politik wagen" besucht. Der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel, SPD, hat das Werk geschrieben, Michel Friedman stellte es bei der gemeinsamen Veranstaltung vor. Gegenüber SPIEGEL ONLINE bekräftigte Harmsen nochmals sein Unbehagen:"Das widerliche Angefasse, da läuft es einem kalt den Rücken runter." Besonders ärgert es ihn, dass sich Gabriel von Friedman zu dessen Selbstdarstellung nutzen lasse."Ich würde mich als möglicher Kanzler so integer halten, dass ich nicht in den Verdacht gerate, mit irgendjemanden rumzukungeln", so Harmsen.
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Gegen den ehemaligen Zentralratsvorsitzenden Ignatz Bubis, der bis zu seinem Tod ebenfalls oft in der Ã-ffentlichkeit auftrat, hatte Harmsen indes keine Ressentiments."Der hat sein Geschäft verstanden", findet er. Interessant war für ihn allerdings, dass Bubis, wie er im Handelsregister entdeckt habe, die Hotelkette Steigenberger gehört habe."Das muss man alles wissen."
Was geht in Claus Harmsen vor? Er habe nichts gegen Juden, auch nichts gegen andere Gruppen wie etwa Homosexuelle oder Sinti und Roma. Zwei seiner Großeltern seien selbst im Konzentrationslager gewesen weil sie Bibelforscher, Zeugen Jehovas waren. Aber:"Von denen hörte man keine Klagen", sagt Harmsen. Sicherlich, die Vergangenheit will auch er nicht vergessen oder beschönigen. Aber man müsse ja auch nicht ständig daran erinnern. Nach vorne müsse gedacht werden. Und nun, da die Staatskassen leer sind, sei"der Zeitpunkt nicht angemessen", so viel Geld für das Judentum in Deutschland auszugeben."Das müssen Sie mal in der Außenwirkung sehen."
Aber heute, so Harmsen,"darf man ja nichts mehr sagen." Zugegeben, die Äußerung von Hertha Däubler-Gmelin, die den US-Präsidenten Bush indirekt mit Hitler ("Adolf Nazi") verglichen hatte, sei"unglücklich" gewesen, aber letztendlich doch"eine Marginalie". Und Möllemann"ist geschasst worden, weil er die Politik Scharons kritisierte." Auch er, Harmsen, würde den"Krieg der Juden",in dem unschuldige Kinder sterben, nicht unterstützen. Man bedenke nur, dass"Israel seine Basis auf einem Völkerrechtsbruch hat". Trotz der schrecklichen Vergangenheit muss"ein kritisches Wort doch erlaubt sein", findet Harmsen.
Sein Arbeitgeber sieht das anders. Im Verlag des"Bundesanzeigers" zeigte man sich am Freitagmorgen entsetzt über das Austrittsschreiben Harmsens."Der Parteiaustritt ist seine Privatangelegenheit", sagte Geschäftsführer und Sprecher des Bundesanzeigers, Rainer Diesem."Die Passage über die Juden missbillige ich. Das halte ich für völlig daneben und persönlich halte ich es für unsäglich." Ob es zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen kommen wird? Harmsen hatte als Absender des Briefes die Adresse des Bundesanzeigers verwendet."Niemand wird den"Bundesanzeiger" repräsentieren können, der antisemitische Äußerungen von sich gibt", sagt Diesem. Auch Ministerialdirektor Gerrit Stein aus dem Bundesjustizministerium, Aufsichtsratsvorsitzender des Bundesanzeiger-Verlags, lässt den Vorgang jetzt prüfen."Es wird niemand den"Bundesanzeiger" vertreten können, der in den Verdacht kommt, antisemitische Äußerungen zu tätigen."
Claus Harmsen kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Er habe doch nur seine Meinung geäußert, sagte er am Freitagmorgen. Und bei der bleibe er.
<ul> ~ http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,226912,00.html</ul>

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