- Empfehlung - Jacques, 14.12.2002, 20:01
- Re: Empfehlung - Firmian, 14.12.2002, 20:08
- Re: Empfehlung / Deflationsphobie - ganzer Text - Toni, 14.12.2002, 20:21
- Re: Empfehlung / Deflationsphobie - ganzer Text / merci vielmals! (owT) - - ELLI -, 14.12.2002, 20:25
- Re: Empfehlung / Deflationsphobie - Zusatz: Fisher, Keynes, Reflation - Toni, 14.12.2002, 20:30
- Danke! - da muss ich ja keine Zusammenfasung mehr schreiben...- Deflationsphobie - BillyGoatGruff, 14.12.2002, 21:06
- Link zum Jubeljahr (schwieriger Text) (owT) - BillyGoatGruff, 14.12.2002, 21:40
- Danke! - da muss ich ja keine Zusammenfasung mehr schreiben...- Deflationsphobie - BillyGoatGruff, 14.12.2002, 21:06
- Hallo Toni: Herzlichen Dank fuer das Hereinstellen dieses Artikels!~! - Josef, 14.12.2002, 20:46
- Re: Hallo Toni: Herzlichen Dank fuer das Hereinstellen dieses Artikels!~! - Toni, 14.12.2002, 21:01
- Phobien weg in 2 Minuten:-) - Tobias, 14.12.2002, 22:23
- Re: Phobien weg in 2 Minuten:-) / Deflationsphobie auch? - Toni, 14.12.2002, 22:45
- Re: Phobien weg in 2 Minuten:-) / Klasse, Tobias! So viel Unfug findet man... - -- ELLI --, 15.12.2002, 23:22
- Re: Empfehlung - Chrizzy, 15.12.2002, 01:02
Re: Empfehlung / Deflationsphobie - ganzer Text
-->...
>Ich darf allen Lesern hier empfehlen, sich die Artikel von Herrn Christoph
>Fehr auf Seite 26 (Ausgabe vom 14. Dezember) zu lesen.
>Headline"Frisches Geld löst realwirtschaftliche Probleme nicht"
>darüber
>Ein Diskussionsbeitrag: Wie schädlich sind eine kleinere Geldmenge und tiefere Preise? - Die sozialen Folgen der Deflationsphobie (Teil 2)
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Hier der Text:
Ein Diskussionsbeitrag: Wie schädlich sind eine kleinere Geldmenge und tiefere Preise? - Die sozialen Folgen der Deflationsphobie (Teil 2)
Frisches Geld löst realwirtschaftliche Probleme nicht
Von Christoph Fehr
Wachstumsdeflation, Deflation infolge grösserer Bargeldhaltung, Deflation der Bankkredite und konfiskatorische Deflation mögen alle dieselbe Folge haben, nämlich eine Erhöhung der Kaufkraft des Geldes. Doch ist es - wenn man Fehlschlüsse mit bedeutenden negativen sozialen und politischen Folgen vermeiden will - unabdingbar, die verschiedenen Ursachen der Deflation zu kennen.
Ein Kernproblem, das der Versachlichung der Debatte über die Deflation entgegensteht, ist das Vorhandensein einer eigentlichen Deflationsphobie. Sie hat zur Folge, dass krampfhaft versucht wird, das Preisniveau zu stabilisieren. Solche Versuche hat es immer wieder gegeben. Grossen Auftrieb haben sie in den Dreissigerjahren erhalten. 1933 wurde in den USA das Committee for the Nation to Rebuild Prices and Purchasing Power gegründet, das zum Ziel hatte, die Preise wieder auf das Niveau von 1929 zu bringen.
Das Komitee bestand nicht aus irgendwelchen «Wirtschaftsweisen», sondern aus gestandenen Geschäftsleuten respektive Personen, die den entsprechenden Kreisen nahe standen. Diesem Kreis zugetan waren auch die, die dem Silber wieder eine Rolle in der Währungsordnung geben wollten. Insgesamt bildeten sie eine starke Koalition, die eine inflationistische Politik forderte. Mit der Elimination des Goldstandards durch Roosevelt im April 1933 und der Konfiskation nahezu allen Goldes in privaten Händen wurden wichtige Punkte des Programms des Committee for the Nation erfüllt. Wie so oft hat auch dieses Komitee unter den Wirtschaftsprofessoren einen gefunden, der das theoretische, «objektive» Rüstzeug für die Rechtfertigung des Programms lieferte, nämlich den Yale-Professor Irving Fisher (vgl. Textkasten).
Wenn die Medizin falsch ist...
Die Deflationsphobie führt dazu, dass unabhängig von der Ursache der Deflation eine Reflation gefordert wird. Ein Prototyp dessen, was gewünscht ist und wie analysiert wird, ist folgende Passage aus der Feder eines Investmentbankers in der «Financial Times» vom 4.November:
«Viele Leute sind hinsichtlich einer möglichen Deflation beunruhigt. Eine massive Deflation wie in den früheren Dreissigerjahren ist katastrophal, eine milde Deflation, wie sie gegenwärtig in Japan vorhanden ist, könnte selbstverstärkend werden. Darüber hinaus gibt es Ähnlichkeiten zwischen Japan in den frühen Neunzigerjahren und einigen Teilen im heutigen Europa: gedrückte Aktienkurse, Banken, die unter Druck sind, und eine tiefe Konsumentenstimmung. Wir haben Grund, beunruhigt zu sein. Aber das Vertrauen in Regierungen und Zentralbanken sollte unsere Sorgen dämpfen, ist doch ein fallender Ausstoss von Gütern und Dienstleistungen kombiniert mit fallenden Preisen nahezu das einzige ökonomische Problem mit einer offensichtlichen Lösung. Fallende Produktion mit Preisinflation stellt die Wirtschaftspolitik vor schwierige Alternativen. Aber auf Preisdeflation und fallende Produktion gibt es nur eine angemessene Antwort: Stimulierung der Nachfrage durch die Kombination von Fiskal- und Geldpolitik.»
Nicht nur die Stossrichtung, wie die Deflation kuriert werden soll, entspricht dem, was allgemein vorgetragen wird. Es sind weitere grundlegende Gemeinsamkeiten mit dem Hauptharst der Analysten festzustellen: Es wird ausgeblendet, weshalb es überhaupt zu deflationären Erscheinungen kommt. Somit fehlt eine Klassifizierung, um welche Form der Deflation es sich handelt. Auf die Beobachtung von fallendem Ausstoss mit nachgebenden Preisen wird eine Kur verschrieben, ohne eine Ursachenanalyse vorzunehmen. Deflation muss man an und für sich meiden wie der Teufel das Weihwasser. Als «Beweis» für die universelle Gefährlichkeit wird die Depression der Dreissigerjahre angeführt.
Wer die Ursachen nicht korrekt analysiert, kann den Deflationstypus nicht richtig klassifizieren und wird daher auch eine falsche Politik betreiben. Man stelle sich vor, ein Patient geht mit einem blauen Fleck auf der Stirn und einem grünen auf dem Hinterteil zum Arzt. Ohne zu untersuchen, ob die Flecken von einer Schlägerei, einem Unfall, einem nicht entfernten Rest einer Ganzkörpertätowierung, einer Allergie oder einer Infektion stammen, wird eine Packung Penizillin verabreicht. Es ist offensichtlich, dass wir einem Mediziner, der mit solchen Methoden arbeitet, bald das Vertrauen entzögen. Eine korrekte Analyse der Deflation respektive deren Typisierung muss bei der Frage ansetzen, was denn vorher «aufgeblasen» wurde und jetzt in sich zusammenfällt oder wer die Deflation ausgelöst hat.
Die Beantwortung bedingt nicht zuletzt eine Analyse der Ursachen der Wirtschaftszyklen und somit eine kritische Beurteilung der Rolle von Zentralbank und Staat. Beschreitet man diesen richtigen Weg, kommt man zum Schluss, dass in allen Deflationstypen ausser der Wachstumsdeflation Staat und Zentralbanken oft eine unrühmliche Rolle spielen. Die Folgerung, dass die Zentralbanken eine wesentliche Ursache des Übels sind, wird nun aber nicht gezogen, sondern die Zentralbanken und die Regierungen werden als diejenigen gepriesen, die die «Sorgen dämpfen». Sie werden als «weisse Ritter» der Wirtschaft beschworen, die dem Drachen Deflation Paroli bereiten sollen. Aber die Nationalökonomen der österreichischen Schule haben überzeugend aufgezeigt, dass gerade die üppige Versorgung des Bankensystems mit neuen Reserven durch die Zentralbank verbunden mit ihrer Funktion als letzte Liquiditätsquelle in Krisenzeiten (Lender of last resort) eine zentrale Ursache von Zyklen sind.
...treten Nebenwirkungen auf
Wenn nun - weil die Ursachenanalyse ausgeblieben ist - die Zentralbanken und ihre Macht, neues Geld zu schaffen, als Rettung beschworen werden, muss das in einem Desaster enden. Das ist etwa so, wie wenn ein Patient zum Arzt geht und über Schmerzen in der Lebergegend klagt. Der Arzt nimmt die notwendigen Tests vor und verkündet: «Herr Fehr, sie saufen zu viel. Ihre Leber ist angegriffen, das löst die Schmerzen aus.» «Was nun?», fragt der Patient. «Am besten saufen Sie noch mehr, dann spüren Sie die Schmerzen weniger.» Es ist offensichtlich, dass hier das Image der Medizin nicht gerade gepflegt würde. Aber vielen Ã-konomen und Analysten lässt man das heutzutage einfach so durchgehen. Dem Ruf nach «frischem Geld» wird in aller Regel applaudiert.
Was geschieht, wenn eine Zentralbank z.B. als Antwort auf eine Kreditdeflation - auf die wir in der Schweiz mit Siebenmeilenstiefeln zusteuern - einfach mehr Geld ins System einschiesst? Der Ã-konom Frank Shostak hat dies in seinem Aufsatz «Recovery or Illusion?» aufgezeigt.
In der realen Welt muss ein jeder zuerst einmal Produzent werden, bevor er konsumieren kann. Man muss also irgendetwas Nützliches produzieren, um dann etwas anderes zu erhalten, das man selbst haben möchte. Die Brote, die beispielsweise ein Bäcker herstellt, sind sein Pool, mit dem er sein Geschäft und seinen Konsum unterhält. Produziert er mehr Brote, als er für sich benötigt, kann er z.B. einen weiteren Ofen kaufen und seine Produktion und damit auch seinen Konsum ausweiten. Solange er also seine Produktion steigert, kann er seinen Lebensstandard erhöhen. Die Ersparnis des Bäckers ist jedoch nicht nur für die Erhöhung des Kapitalstocks, sondern auch für dessen Unterhalt notwendig. Das Geld dient als Tauschmittel und vereinfacht diese Prozesse, ändert aber nichts am Sachverhalt, dass die tatsächliche Fundierung der ökonomischen Aktivität die Güter sind.
Geld hat jedoch zwei zentrale Funktionen: als Tauschmittel und als Medium, in dem Ersparnisse gehalten werden. Mit Geld können die Individuen reale Ersparnisse so kanalisieren, dass sie anderen Wirtschaftsteilnehmern ermöglichen, tätig zu sein. Die für den Bäcker «überschüssigen» Brote erlauben es dem Schuhmacher, seine Tätigkeit auf seinem Gebiet auszuführen, ohne sich gross um seine Nahrungsversorgung zu kümmern. Wenn nun die Notenbank aus Angst vor einer Deflation die Notenpresse betätigt, schafft sie keine realen Werte. Geld wird sozusagen aus dem «Nichts» geschaffen, und somit wird gemäss Shostak ein Prozess in Gang gesetzt, in dem zuerst «nichts für Geld und dann Geld für etwas getauscht wird. Ein Austausch von nichts für etwas resultiert letztlich in Konsum, der nicht durch Produktion gestützt wird.»
Umverteilung via Notenpresse
Konsum, dem keine Produktion vorausgegangen ist, entzieht dem realen Pool Reichtum. Gelddrucken verwässert diesen Pool. Die Gelddruckerei «verschiebt die realen Ersparnisse, welche die Produktion von Gütern und Dienstleistungen der ursprünglichen Produzenten wirtschaftlichen Reichtums unterstützen». Das führt dazu, dass der Ausstoss eines solchen Produzenten unterminiert wird, und somit auch seine effektive Nachfrage nach anderen Gütern. Damit wird das wirtschaftliche Wachstum gebremst.
Rezessionen, die im Kern die Korrektur bzw. Liquidation früherer Fehleinschätzungen sind - und nicht einfach zwei Quartale «negativen Wachstums» -, sind so lange unproblematisch, als sich der reale Pool verfügbarer Ressourcen ausweitet. Solange dies geschieht, können die Regierungen und die Zentralbanken behaupten, ihre Massnahmen zur «Krisenbekämpfung» seien von Erfolg gekrönt. Aber Shostak mahnt: «In Realität verhindern oder verlangsamen solche Aktivitäten nur die Liquidation fehlgesteuerter Aktivitäten, führen somit dazu, dass die Umverteilung von Mitteln von jenen, welche Reichtum generieren, zu jenen, welche ihn konsumieren, fortgesetzt wird.»
Allerdings wird die Illusion, dass Gelddrucken Reichtum schafft, gedämpft, wenn der Pool, der die Wirtschaft fundiert, schrumpft. Wenn dies geschieht, kann sich eine Rezession (verstanden als Anpassungsprozess) durchaus in eine Depression verwandeln. Dann nützt auch die aggressivste Lockerung der Geldpolitik nichts, denn Geld kann nicht das Brot ersetzen. Im Gegenteil: «Anstatt den Fall zu bremsen und letztlich umzudrehen, wird eine Lockerung der Geldpolitik den Fluss der Ersparnisse unterminieren, somit die Produktionsstruktur weiter schwächen und damit die Produktion von Gütern und Dienstleistungen behindern.» Dieser reale Pool an Mitteln kann nicht durch Geld ersetzt werden. Sonst hätten wir ja alle wesentlichen wirtschaftlichen Probleme schon längst durch die erhöhte Geldproduktion lösen können. Geld hat bis heute noch keinen Stein in Brot verwandelt.
Heikle offene Fragen
Nun stellt sich die Frage, weshalb die Ã-konomenzunft andere Aspekte als die Verteufelung der Deflation und das Allheilmittel Reflationierung - und wenn auch das im Kampf gegen die Deflation nichts fruchtet zusätzliche fiskalpolitische Massnahmen - beharrlich ausblendet. Das Problem könnte darin liegen, dass man nolens volens halt auch einmal Schuldige nennen müsste, mit denen man sich nicht ungern auf guten Fuss stellt.
Dass man nicht gern einer mächtigen Institution wie dem Staat oder der Zentralbank auf die Zehen tritt, mag nicht zuletzt seine Ursache in der Verflechtung von privatwirtschaftlichen Interessen mit denen des Staates, aber auch institutionellen Verknüpfungen von Notenbanken und dem Bankensystem haben. Die Banken sind die «Transmissionsriemen» der Zentralbankpolitik, die wiederum der verlängerte Arm staatlicher Wirtschaftspolitik ist. Dafür hält die Zentralbank ihre schützende Hand über das Bankensystem, indem sie ihre Rolle als Lender of last resort und Hüterin der Systemstabilität wahrnimmt.
Tut sie nun im Fall der Kreditdeflation v.a. letzteres - und in der Schweiz kann man sich des leisen Eindrucks, dass systemische Fragen eine zusehends wichtigere Rolle im Kalkül der Nationalbank spielen, nicht ganz erwehren -, stellt sich nicht nur die Frage nach den gesamtwirtschaftlichen Kosten der Erhaltung von im Boom konstruierten Kreditgebilden. Es taucht noch eine andere, vielleicht politisch gesehen heiklere Frage auf. Durch die Gelddruckerei, mit der die Kreditdeflation verhindert werden soll, werden Mittel von Reichtumsproduzenten zu Reichtumskonsumenten umgeleitet. Doch wer bezahlt die realwirtschaftliche Zeche der Deflationsbekämpfung? Welche gesellschaftliche Gruppierungen sind das? Wir alle oder nur einige «erwählte» Schichten?
Vielleicht wollen wir aber diese Fragen gar nicht so genau beantwortet haben. Würde denn dies nicht den «sozialen Frieden» stören? Müsste man dann nicht weiter bohren und fragen, ob man das Geld nicht völlig «neutralisieren» müsste, um den sozialen Frieden zu sichern? Das würde letztlich die Frage nach dem Sinn und Unsinn einer mit dem Banknotenmonopol ausgestatteten Institution Zentralbank und des Papiergeldsystems aufwerfen.

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