- Kunst im Ruhrpott oder: Geiz ist geil - netrader, 15.12.2002, 22:06
Kunst im Ruhrpott oder: Geiz ist geil
-->Auktionator hatte es nicht leicht
"Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten!" - und alles für die gute Sache. Gestern war´s mal wieder soweit. In den Kammerspielen stieg die alljährliche Kunstauktion zu Gunsten von amnesty international (ai).
Den Hammer schwang einmal mehr der rührige Gastronom und Kunstfreund Thom Pokatzky. Im knallroten Jackett und karierten Schlips machte der sonst eher in Existenzialisten-Schwarz gekleidete"Oberfloh" vorm Mikro am Stehpult eine souveräne Figur. Angesichts der - zumindest um die Mittagszeit - spärlichen Kulisse in den Kammerspielen war das keine leichte Übung. Gerade 100 Interessierte hatten sich, wenn überhaupt, ins kleine Schauspielhaus verlaufen.
Auf der Bühne, ums Stehpult drapiert, lagerte das Kunst- und Kulturgut, das für den guten Zweck unter die Leute sollte. Thom Pokatzky hatte die Exponate - Bilder, Bücher, Skulpturen, CDs - zusammen getragen. Nachdem sie eine Woche im Schauspielhaus hatten begutachtet werden können, sollten sie nun, zum Beispiel als ausgefallene Weihnachtsgeschenke, Karriere machen.
Das klappte nicht immer, wie das eher zähe Anfangsdrittel dieser 2002er ai-Auktion bewies."Laili", Zinkdruck auf Büttenpapier von M. Reza Ghafariha (200 Euro);"Feierabend", digitale Komposition von Oliver F. Hanstein (75 Euro);"China", Mischtechnik von Birgit Litsch (280 Euro) - das waren so die Exponate, die"leider ohne Gebot" gleich wieder hinterm Vorhang verschwanden. Der Auktionator war angesichts der Biet- und Kaufzurückhaltung nicht zu beneiden."Dieses Buch muss jetzt weg, sonst lesen wir daraus vor", warnte er einmal. Viel genützt haben solche charmanten Mahnungen nicht. Was ging, waren eher kleinpreisige Sachen wie"Fünf Kunstdrucke aus der Bergwelt", signiert von Reinhold Messmer für 65 Euro;"Die vierte Hand" von John Irving (signiert) für 20 Euro oder Ferdinand Seibts"Die Begründung Europas", ebenfalls signiert, für 32 Euro. Was gar nicht oder kaum ging, waren Bilder von vergleichsweise unbekannten Größen ab 450 Euro Mindestgebot - oder auch Exotika wie"7. Paragraph der Bilderordnung" von Bernd de Payrebrune, Stabilo point auf selbstgeschöpftem Papier mit zerstäubtem Wasser..."Na, super!", kommentierte der Sitznachbar des WAZ-Reporters so leise wie lustlos, und legte die Auktionsliste stumm zur Seite. Immerhin brachte dieses aus dem Abseits der Kunstwelt ins Rampenlicht der Kammerspiele gestäubte Werk 25 Euro, fünf mehr als das Mindestgebot.
Angesichts der Zurückhaltung darf man gespannt sein auf den Reinerlös des Tages, der heute bekannt gegeben werden soll. Gut möglich natürlich, dass sich am Nachmittag - die Auktion lief bis 20 Uhr - ein Umschwung doch noch eingestellt hat. Der guten Sache, der Unterstützung der Menschenrechtsorganisation, wäre es selbstverständlich zu wünschen. Und Thom Pokatzky im nächsten Jahr ein zwingenderer Fundus für seine Auktion.
15.12.2002 Von J. Boebers-Süßmann

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