- Nestlé fordert Millionen von Äthiopien - vladtepes, 20.12.2002, 15:08
- Äthiopien - Krokodilstränen von Gallinski - Baldur der Ketzer, 20.12.2002, 16:22
Nestlé fordert Millionen von Äthiopien
-->Nestlé fordert Millionen von Äthiopien
Streit um Entschädigung / Entwicklungshelfer angesichts der Hungerkatastrophe empört
Stephan Kaufmann
BERLIN, 19. Dezember. Eine Millionenforderung des Schweizer Nestlé-Konzerns an Äthiopien empört derzeit Entwicklungshelfer und Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO). Während Äthiopien eine Hungerkatastrophe droht, verlangt das weltgrößte Nahrungsmittelunternehmen eine Entschädigungszahlung von sechs Millionen Euro von dem afrikanischen Land."Diese Forderung ist moralisch untragbar", meint Jörn Kalinski, Sprecher der NRO Oxfam. Äthiopien zählt zu den ärmsten Staaten der Welt.
Hintergrund: Im Jahr 1975 verstaatlichte die äthiopische Militärregierung alle ausländischen Unternehmen. Unter anderem die Ethiopian Livestock Development Corporation (Elidco), eine Tochter des deutschen Wurstherstellers Schweisfurth ("Herta- Wurst"). 1986 verkaufte Firmenchef Karl Ludwig Schweisfurth seine Firma an den Nestlé-Konzern, um sich dem ökologischen Landbau zu widmen. Nestlé erwarb damit auch die Entschädigungsansprüche aus der Verstaatlichung von Elidco.
Schleppende Verhandlungen
Jahrelang stockten die Verhandlungen zwischen Nestlé und Äthiopien."Wir hatten den Betrag längst abgeschrieben", sagt Firmensprecher François Perroud. Doch nahm Äthiopiens Regierung 2001 die Entschädigungsgespräche wieder auf, um ihr internationales Ansehen bei Investoren zu verbessern.
"Dass Elidco wertvoll war, sieht man schon daran, dass Äthiopien das Unternehmen 1998 für rund neun Millionen Euro verkauft hat", sagt Perroud. Der Nahrungsmittelmulti (Jahresumsatz 2001: 85 Milliarden Euro; Gewinn 2001: 6,6 Milliarden Euro) verlangt von Äthiopien sechs Millionen Euro für Elidco. Das afrikanische Land ist jedoch nur zur Zahlung von 1,5 Millionen Euro bereit. Denn seine Wirtschaft steht am Rand einer Katastrophe. Das Pro-Kopf-Einkommen ist auf zwei Dollar pro Tag gesunken. Das vom Kaffee-Export abhängige Land leidet unter den fallenden Kaffee-Preisen.
Nach Angaben der Entwicklungshilfe-Organisation Care bahnt sich im südlichen Afrika zudem eine beispiellose Hungerkatastrophe an."Allein in Äthiopien kämpfen zurzeit acht Millionen Menschen gegen den Hungertod, und im April nächsten Jahres werden es 14 Millionen sein", berichtet Care-Mitarbeiter Carsten Völz."Auf Grund der anhaltenden Dürre sehen sich die Menschen mit einer Krise konfrontiert, die die Ausmaße der Hungerkatastrophe von 1983 und 1984 übertreffen könnte", meint Völz. Damals starben eine Million Menschen - und das trotz einer weltweiten Hilfskampagne. Doch bislang rückt Nestlé von seiner Forderung nicht ab."Gemäß den Regeln des Völkerrechts müssen enteignete Unternehmen entschädigt werden", beharrt Perroud. Seine Firma bestehe allerdings nicht auf den Betrag von exakt sechs Millionen Euro,"wir sind ja noch mitten im Verhandlungsprozess". Zudem sei Nestlé bereit, mit dem Betrag eine langfristige Investition in Äthiopien zu tätigen.
Oxfam hingegen hat Zweifel:"Das glaube ich erst, wenn es geschehen ist", sagt Sprecher Kalinski."Nestlé hat schon viel versprochen." Oxfam fordert von Nestlé, Äthiopien die Entschädigungssumme zu erlassen."Sechs Millionen Euro sind nur 0,1 Prozent des Gewinns von Nestlé", so Kalinski. Mit dem Betrag könnten dagegen vier Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgt oder 6 500 Wasserquellen in dem dürregeplagten Land gebohrt werden.
Berliner Zeitung 20.12.2002 Seite 24
<ul> ~ http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/wirtschaft/203178.html</ul>

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