- Ein Plädoyer gegen den Präventivkrieg. Von anno Tobak und trotzdem aktuell - Tempranillo, 24.12.2002, 17:46
Ein Plädoyer gegen den Präventivkrieg. Von anno Tobak und trotzdem aktuell
-->Über die vielen Jahre der, wie es so schön heisst, primären und sekundären Sozialisation hinweg hat sich bei mir ein Stereotyp verfestigt. Für mich waren die amerikanischen Präsidenten die, wenn auch schwer bewaffneten, Sendboten des Friedens, alle deutschen Staatsmänner, vor allem die nach 1871, blutrünstige Kriegstreiber. Besonders einen habe ich immer für die Ausgeburt des aggressiven deutschen Raubtierstaates gehalten, jene schnauzbärtige, pickelhaubentragende Seehundvisage die in früheren Zeiten Teetassen, Bierkrügen und vermutlich noch anderem Geschirr einen seltsam drohenden Anstrich gegeben hat.
Es gehört zum in jeder Hinsicht umwerfendsten, eigentlich möchte ich sagen erschütterndsten, nach der Lektüre von über 1000 Seiten Primärquellen festzustellen, dass es sich in Wahrheit genau andersherum verhält. George W. Bush - wer will schon seine Hand ins Feuer legen, dass er der erste amerikanische Präsident ist, der sich so verhält - ist dabei, einen Präventivkrieg anzuzetteln, und in den Schriften Bismarcks finde ich ein schöneres Friedens-Plädoyer nach dem anderen. Insbesondere gegen Präventivkriege ist er mit besonderem Furor zu Felde gezogen, auch wenn er sich die Möglichkeit, nach aussen hin damit zu drohen, meistens offen gehalten hat. Aber da war er in seinem Jahrhundert wahrlich nicht der einzige.
Wie sich Otto von Bismarck gegenüber Henri des Houx, Korrespondent des Pariser Matin am 24./24. April 1890 geäussert hat, verdient zitiert zu werden. Der Bezug auf Gott und die Vorsehung mag an Weihnachten weniger problematisch erscheinen als an den übrigen Tagen. Otto von Bismarck, in der Schilderung von Henri Le Houx:
"Mein Souverän sah den Kaiser (Anm. Napoleon III) 1867 bei der Ausstellung. Ein Jahr nach 1866. (...) Es war das Jahr nach der Luxemburger Affäre. In meiner Umgebung wollte jedermann den Streit benutzen, um Frankreich den Krieg zu erklären. Wir hatten vervollkommnete Waffen, Frankreich nur altes Zeug. (...)
In meiner Umgebung drängte man auf die Erklärung eines Krieges, dessen Ausgang nicht zweifelhaft war, denn sie waren nicht gerüstet, noch weniger als 1870, während wir siegesberauscht waren. Ich weigerte mich jedoch absolut, den Krieg zu erklären, da man alles friedlich beilegen könne, und das ist denn schließlich auch gelungen.
Meine Gründe - und hier hob sich die Gestalt des Fürsten, seine Augen wurden feucht, und seine Stimme wurde ernst - waren die, dass ich die notorische Inferiorität eines Volkes (!) niemals als genügenden Grund für eine Kriegserklärung gelten lassen kann. Ich sagte dem Könige, meinem Herrn, daß die Stunde der Schlacht Gott gehöre und das Geschick des Kampfes von der Vorsehung abhänge, daß aber kein Volk ein Recht habe, ein anderes anzugreifen, einzig weil es das stärkere und das andere das schwächere ist."

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