- Irak, was wissen wir eigentlich? + ein bischen philosophieren..... - R1, 25.12.2002, 14:06
- Philosophieren? - stocksorcerer, 25.12.2002, 18:28
- Re: Irak, was wissen wir eigentlich? + ein bischen schon.... - dr.seidel, 26.12.2002, 00:18
- Re: Irak, was wissen wir eigentlich? + ein bischen schon.... - Jagg, 26.12.2002, 01:46
Philosophieren?
-->Hallo R1,
zu Weihnachten hat man sicher immer solche Phasen, in denen man über Dinge philosophiert, die jenseits des Horizontes liegen.
Wenn ich bemerke, dass ich zu wenig Informationen, bewegte Bilder, schriftliche Hintergrundberichte aus Afrika, Asien, etc. erhalte, dann schreibe ich das mittlerweile nicht mehr den jeweiligen Ländern zu, sondern dem eigenen.
Die größten Filter sitzen hier vor unserer Nase. Im Bereich der Publizistik nennt man das Gate-Keeping. Irgendjemand entscheidet (, einfache Journalisten, Herausgeber, Chefs vom Dienst, Chefredakteure, Rundfunkräte..pp), entweder selbsttätig, indem er sich selbst und seine eigene Meinung als Kommunikator für wichtig hält, oder indirekt, indem er probiert zu entscheiden, welche Nachrichten für die Rezipienten wichtig sind, welches Agenturmaterial er benutzt und welches nicht. Und das ist nur eine Schaltstelle, an der wichtiges Material dem Publikum vorenthalten wird.
Ich gehe einen Schritt weiter: es ist teils auch politisch einfach nicht erwünscht, wenn gewisse Regionen und gewisse Aspekte der Außenpolitik des eigenen und"befreundeter" Länder diskutiert werden. Auch hier entscheiden oft politische und ethnische"Saubermänner" im Hintergrund, was thematisiert wird. Weiter.
Du schreibst.
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Irak, Iran, Sierien, Indonesien, all diese islamischen Länder im nahen Osten, fernen Osten, Afrika...etc muss man dafür eintreten, daß der Islam oder besser gesagt der Islam, der von den mächigen politischen und religiösen Führern zutiefst mißbraucht wird stark zurückgedrängt wird, die Menschen aufgeklärt werden, und sozusagen befreit werden?
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Warum? Jedes Land und jede Bevölkerung hat es in der Hand, sein Schicksal selbst zu bestimmen. Im übrigen gibt es noch eine Menge Monarchien, die uns überhaupt nicht"stören". Es gibt auch eine Menge Republiken oder Demokratien, die Schindluder treiben, wie derzeit die gewählten Vertreter Amerikas und Englands. In Saudi-Arabien herrscht die legitimisierte Fahd-Familie über den allgemeinen Willen der Bevölkerung hinweg. Solange die Ã-lvorräte riesig waren und die Familie das Volk im Griff zu haben schien, hat Amerika das nie gestört. Man hat die Vorteile aus der Situation gezogen.
Die Vorteile hat Amerika auch aus den Situationen im Irak gezogen. Vor 1990 war Saddam Hussein ein braver Verbündeter, der der Machtzunahme eines"verbrecherischen Iran" Einhalt gebot. Soweit alles prima. Amerika will keinen Kurden-Staat. Das mal am Rande, wenn noch jemand behauptet, dass Amerika da Polizei spielt. Amerika ist keine Weltpolizei, sondern ein Räuber. Nach wie vor. Nur schlimmer denn je.
Das Volk im Irak wird unter dem Krieg leiden. Millionen werden sterben, weil das auch opportun ist. Ein Land mit wenig Einwohnern ist gut im Griff zu halten. Und das ist umso wichtiger, wenn es über massige Bodenschatzvorkommen verfügt.
Ein Land wird nie"befreit". So nennen die Sieger das bloß. Nach WK1 hätte sich das deutsche Volk seines Kaisers ohnehin entledigt. Der Kaiser ist der Nummer nach dem Aufstand der Marine in Kiel bloß zuvorgekommen. Da hätte gar niemand mehr kommen müssen, um Deutschland vom Kaiser zu befreien und für eine Demokratie einzutreten. Also streichen wir"befreien" besser mal aus unserem Wortschatz. Ausserdem ist"Aufklärung" ein Wort, dass mir mißfällt. Es ist kulturell geprägt. Und in Syrien und Jordanien und anderen Länden in Nahen und Mittleren Osten herrscht eine völlig andere Art von Kultur, die wir von hier in unseren Sesseln nicht begreifen können.
Wer sagt, was falsch und richtig ist? So etwas maßen sich bloß George Bush und religiöse Splittergruppen zu. Christen in Amerika?....puuuh... Da gibt es ganz schlimme Ausprägungen. Hatten wir reichlich Texte hier am Board.
Kultur und Lebensweisen lassen sich nicht beurteilen von Menschen, die nicht beides erlebt haben. Es gibt wenig Kategorien, anhand denen man so etwas tun könnte. Was ist besser, was ist schlechter. Immer eine Frage des Standpunktes und des Sich-selbst-Begreifens. Ich maße mir das nicht an. Ich schaue bloß zu und probiere, die wahren Intentionen zu erkennen. Und beim Irak-Krieg gibt es im Irak selbst erst einmal bloß Verlierer.
Die UN selbst halte ich auch bloß für eine Verhinderungs-Organisation westlicher Prägung. Es gibt eine Organisation, die für sich in Anspruch nimmt, die Belange aller Völker zu regeln. Und dadurch verhindert sie die Gründung eines"fairen" runden Tisches, mit verschiedenen Rechten auf demokratischer Basis, wenn man so will. Das VETO-Recht einiger weniger macht eine Organisation in ihrer Findung niemals gerecht. Ich halte (auch wenn man das so eigentlich gar nicht nebeneinander stellen darf) die UNO für besser als die NATO, aber gerecht ist auch sie nicht. Und die UN hat gerade jetzt wieder mal eine Bewährungsprobe, die sie versauen wird. Man darf schließlich nicht vergessen, dass die UN auf Druck und Willen der USA überhaupt mal entstanden ist. So gibt sich die Weltmacht Nummer eins einen internationalen Anstrich. Leider bloß Tarnfarbe.
winkääää
stocksorcerer

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