- Ã-ffentliche Arbeitgeber lehnen Schlichterspruch ab - Popeye, 06.01.2003, 06:30
Ã-ffentliche Arbeitgeber lehnen Schlichterspruch ab
-->Ã-ffentlicher Dienst steuert auf Streik zu
Zuletzt aktualisiert: 06 Januar 2003 03:20 CET
Bremen (Reuters) - Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes
haben am Montagmorgen einstimmig den Schlichterspruch im
Tarifstreit abgelehnt. Obwohl die Schlichtungskommission mit
knapper Mehrheit den Kompromiss annahm, werden damit die
Weichen für den ersten bundesweiten Streik im öffentlichen
Dienst seit zehn Jahren gestellt.
"Wenn sich nichts ändert an der Haltung der Arbeitgeber zur
Ost-Angleichung und zur Vergütung, dann stehen die Zeichen
auf Streik", sagte Kurt Martin, Vorstandsmitglied der
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nach dem Ende der
Schlichtung. Die Tarifverhandlungen sollen am kommenden
Mittwoch fortgesetzt werden. Ein Gewerkschaftssprecher sagte:
"Da hilft nur eine Intervention von weiter oben, um noch was zu
bewegen."
Der Vorschlag der Schlichter sah eine zweistufige
Lohnerhöhung von 2,4 Prozent ab dem 1.1.2003 und von 0,6
Prozent ab dem 1.1.2004 vor. Die Laufzeit sollte 18 Monate
betragen. Außerdem sollten die Löhne in Ostdeutschland bis
Ende 2007 auf Westniveau angehoben werden. Im Gegenzug
sollten die Beschäftigten des Ã-ffentlichen Dienstes in
Ostdeutschland erstmals in ein Altersvorsorgewerk einzahlen.
Für die Monate November und Dezember 2002 sollten die
Beschäftigten im Westen einen Festbetrag von maximal 216
Euro, die im Osten von höchsten 194,40 Euro erhalten.
Außerdem schlugen die Schlichter vor, dass die Tarifparteien
Verhandlungen über eine Modernisierung des Tarifrechts im
öffentlichen Dienst aufnehmen sollten.
KOSCHNICK: KNAPPE, ABER AUSREICHENDE
MEHRHEIT
Schlichter Hans Koschnick (SPD) sagte, der Schlichterspruch
sei mit knapper, aber ausreichender Mehrheit angenommen
worden. In der Schlichtungskommission sitzen jeweils neun
Vertreter von Arbeitgebern und -nehmern sowie die Schlichter
Koschnick und Hinrich Lehmann-Grube. Außer Lehmann-Grube
haben alle Kommissionsmitglieder Stimmrecht.
Ein Vertreter der Arbeitgeber von Bund, Länder und
Gemeinden sagte, die öffentlichen Haushalte würden bei einer
Verwirklichung des Schlichterspruchs mit 2,5 Prozent belastet.
Die Arbeitgeber hatten vor dem Scheitern der regulären
Tarifverhandlungen vor Weihnachten Einkommenserhöhungen
um 0,9 Prozent von Januar bis September 2003 und ab Oktober
1,2 Prozent für weitere neun Monate angeboten. Die
Gewerkschaft hatte mindestens drei Prozent mehr gefordert und
wollte zudem erreichen, dass die Osteinkommen bis 2007 den
im Westen gezahlten Löhnen und Gehältern voll angeglichen
werden.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte in einem
Interview des Magazins"Der Spiegel", der Tarifstreit dürfe
nicht politisch entschieden werden."Ich setze auf Vernunft und
auf ein Schlichtungsergebnis, das für beide Seiten akzeptabel
ist." Er hoffe, dass ein Streik vermieden werden könne.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte der"Berliner
Zeitung":"In der derzeitigen miserablen wirtschaftlichen Lage
und bei über vier Millionen Arbeitslosen wäre ein
Arbeitskampf das Letzte, was Deutschland braucht." Ein Streik
würde die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Besserung enorm
belasten.
VERDI WILL STREIK VORBEREITEN
Verdi-Vorstandsmitglied Martin sagte, die Gewerkschaft werde
organisatorisch alles vorbereiten, um bei einem Scheitern der
Tarifverhandlungen für einen Streik gewappnet zu sein. Ein
Arbeitskampf könnte nach Einschätzung von Volkswirten die
ohnehin lahmende Konjunktur weiter schwächen.
Zuletzt war 1992 im öffentlichen Dienst gestreikt worden.
Damals setzte die Verdi-Vorgängerin Ã-TV nach zwölf Tagen
Ausstand lineare Lohn-Gehaltserhöhungen um 5,4 Prozent
durch. Gefordert hatte die Gewerkschaft damals 9,5 Prozent.
1974 setzte die Ã-TV in einem dreitägigen Streik
Einkommenserhöhungen von elf Prozent durch, was damals mit
zum späteren Rücktritt von SPD-Kanzler Willy Brandt führte.
Quelle: Reuters

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