- Dr.Niquet über das"Elend des Robert Prechter" - marocki4, 06.01.2003, 11:32
- Re: Dr.Niquet über das"Elend des Robert Prechter" - TESLA, 06.01.2003, 11:38
- danke für den hinweis - hier die aktuelle ausgabe...wen es wirklich interessiert - marocki4, 06.01.2003, 11:54
- Re: Das Elend des Dr.Niquet - Ecki1, 06.01.2003, 11:55
- wo ist bei dem artikel dein problem? - Bart, 06.01.2003, 13:35
- Re: Dr.Niquet über das"Elend des Robert Prechter" - TESLA, 06.01.2003, 11:38
Dr.Niquet über das"Elend des Robert Prechter"
-->aus dem Doersam-Brief vom 29.12.2002. Da bisher hier nicht besprochen (vielleicht auch weil außer mir auch andere Urlaub hatten...) zur Info:
(oder gab es doch schon Meinungen zum Thema?)
Das Elend des Robert Prechter
Von Dr. Bernd Niquet
Ausgerechnet am Heiligen Abend brachte der Nachrichtendienst
"Bloomberg" einen langen Bericht ueber den Elliottwellen-Theoretiker
Robert Prechter und dessen Prognose fuer die naechsten Jahre: Dow Jones
unter 1000 Punkte, Immobiliencrash sowie weltweit wackelnde
Staatsschulden. Ein neuer Heiland scheint geboren, der allerdings
schon 53 Jahre alt ist, doch Wunder gibt es immer wieder - insbesondere
wenn es sich wie Weihnachten um transzendente Geschichten handelt.
Was mich an solchen Prognosen stets am meisten beeindruckt,
ist die Selbstgewissheit derer, die sie abgeben. Wie kann jemand heute
schon wissen, was nicht nur morgen, sondern bereits uebermorgen
passieren wird? Will man sich also mit Prechter und seinen Prognosen
beschaeftigen, dann hat das nichts mehr mit Wirtschaft zu tun, sondern
nur noch mit Philosophie und Psychologie. Denn wie kommt jemand
zu solchen Prognosen, das ist die Frage. Und vor allem: Wie kommt er
dazu, sie dann auch noch selbst zu glauben?
Ich persoenlich denke, dass es durchaus moeglich ist, beim Roulette
zehn bis zwanzig Mal hintereinander zu gewinnen, ohne auch nur
einmal zu verlieren. Es ist daher denkbar, dass zwanzig Mal hintereinander
rot kommt, und es ist ebenso moeglich, dass man zwanzig Mal hintereinander
dieses Ereignis richtig prophezeit. Doch was sagt uns das ueber die Welt?
Nichts! Es sagt uns nur, dass wir zwanzig Mal den Zufall richtig prognostiziert,
also zwanzig Mal Glueck gehabt haben.
Nun wird die Wirtschaft jedoch keinesfalls vom Zufall bestimmt,
sondern vielmehr von den Handlung der Menschen. Aendert dies nun
etwas an der Situation? Ja, aber es macht die Sache keinesfalls leichter,
sondern vielmehr schwerer. Denn waehrend die Roulettekugel kein eigenes
Bewusstsein hat und damit zu jeder Sekunde den selben Gesetzmaessigkeiten
unterliegt, koennen die Menschen ihr Verhalten an jedem Tag veraendern.
Sie werden neue Erkenntnisse gewinnen und neues Wissen
aufbauen, welches wiederum ursaechlich fuer ihre zukuenftigen
Handlungen sein wird.
Wuerde Prechter bei seinen Prognosen also auf etwas anderes
als aufs Glueck setzen, dann haette das zur Konsequenz, dass er
daran glauben muesste, dass unser zukuenftiges Schicksal nicht
nur bereits heute festgelegt ist, sondern dass es darueber hinaus
sogar heute bereits wissbar ist. Dass wir heute bereits wissen
koennen, was wir morgen erst wissen. Prechter glaubt also, mit
seiner Elliottwellen-Theorie sowie seinem sonstigen Instrumentarium
ein Werkzeug zu besitzen, Gesetzmaessigkeiten im geschichtlichen
Ablauf entdecken zu koennen. So etwas nennt man"Geschichtsgesetze"
und die"Methode des Historizismus", die jedoch, wie gesehen, schon
einer rudimentaeren logischen Pruefung nicht standhaelt.
Das fuehrt nun sofort zur Psychologie und damit zur Fragestellung,
wie man dazu kommt, dass man das, was eigentlich unwissbar ist,
doch zu wissen glaubt. Bleiben wir, weil immer noch Weihnachtszeit ist,
einmal sehr vorsichtig und wohlwollend, dann koennen wir sagen,
dass Prechter einen starken psychologischen"Bias" aufweist,
was man nicht zuletzt auch daran erkennt, dass er in der Vergangenheit
nur richtig gelegen hat, wenn es abwaerts ging, nicht jedoch,
als es aufwaerts ging.
Doch auch hierfuer hat Prechter eine plausible Erklaerung. Denn als
der grosse Bullenmarkt nach dem Crash von 1987 erst richtig Fahrt
aufnahm, zeigte sein persoenlicher Chart, so erzaehlte er Bloomberg,
gerade das Ende einer fuenften (Aufwaerts-) Welle, so dass klar war,
dass seine gute Zeit erst einmal ihr Ende finden wuerde.
Das bedeutet: Prechter wusste zu dieser Zeit nicht nur, dass es
mit ihm abwaerts ging, sondern auch, dass er ueberhaupt nichts
dagegen tun konnte. Erstaunlich so etwas. Ich muss jedenfalls bei
Prechter immer an Friedrich Nietzsche und seinen Zarathustra hoch
oben auf dem Berg denken, wobei Nietzsche natuerlich sowohl genialer
als auch sicherlich psychologisch noch extremer gelagert war.
Vielleicht hat das aber auch alles nur etwas damit zu tun, dass,
wie ich heute in der Zeitung lese, sich ploetzlich ueberall die Kirchen
wieder fuellen, weil die Menschen in Zeiten grosser Verunsicherung
stets etwas brauchen, an das sie glauben koennen.

gesamter Thread: