- zur Nacht: Gedanken von M.Horx - Koenigin, 08.01.2003, 23:07
- Re:z.Nacht:Gedanken von M.Horx--bitte öffnen - hier ist der Verfa sss ungsschutz (owT) - Jagg, 08.01.2003, 23:47
zur Nacht: Gedanken von M.Horx
-->buenas noches zusammen:
zur Nacht noch ein paar interessante gedanken von Matthias Horx, Inhaber des Think Tanks"Das Zukunftinstitut" (www.das.zukunftinstitut.de)/ Frankfurt
hasta manana
adios
D.Koenig
p.s. bei noch 22 Grad geht man nun auf die"Plaza" und trinkt noch einen vino tinto.
Ich stoss' an auf Eich alle an - auf das grandiose Forum.
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Mehr Energie für die Zukunft
Gastkommentar (WELT)
von Matthias Horx
Kein Welterklärungs-Topos hält sich so hartnäckig und hat so süffige Formulierungen hervorgebracht wie das der Generation. Generation Golf, Generation Ally, Generation Online, Generation Bildungsfrust - wie hätten Sie´s denn gern? Nun hat Schriftsteller Bernhard Schlink, der Vorleser, eine weitere Variante hervorgeschrieben, die gleichzeitig die Mutter aller deutschen Generationstheorien ist. Die Achtundsechziger, so heißt es in einem „Spiegel“-Artikel, seien müde, ausgebrannt, eine „erschöpfte Generation“ und damit verantwortlich für den Stillstand unserer Tage. „Der Marsch in die Institutionen hatte Erfolg. Aber zum Marsch durch sie, zu einem Ziel hinter dem, was schon ist, reicht es nicht mehr.“
Das Blöde an den Generationstypologien: Irgendwie stimmen sie immer. Aber sie sind immer auch falsch. Natürlich stimmt es, wie Schlink schreibt, dass die 68er ihre narzistischen Anteile zur Weltbeschreibung verdichtet und damit zum Resonanzboden einer reformunwilligen Gesellschaft gemacht haben. Nur: Gab es nicht auch eine „Generation Kohl“? Gab es im konservativen Lager nicht auch 68er, wie Peter Radunski, Heiner Geissler, Rita Süssmuth, Warnfried Dettling? Gibt es etwa im Kernmilieu der Konservativen, bei den Mittelständlern, nur marktliberale Menschen, die einzig die Freiheit lieben? Oder nicht auch Beton und Erschöpfung satt?
Das, was unsere gesellschaftliche Struktur heute im Kern verändert ist ja gerade, dass sich die zementartigen Gedankengebäude und Lagerbollwerke, in denen alles Stein auf Stein sitzt, auflösen. Die Generations-Schemata haben noch nie wirklich gestimmt, aber nun fallen sie endgültig der neuen Alters-Unordnung zum Opfer. 50- bis 60jährige verhalten sich immer mehr wie Frühpubertierende, 18jährige wie frühvergreist. Die Neosoziologie nennt dies „Down-Aging“ - moderne Kulturen definieren das Alter als Phase des Zweiten Aufbruchs, und die Menschen werden in Habitus, Körperhaltung und Mentalität immer jünger. Generationstheorien lassen sich leicht benutzen, und sie hindern uns beim Denken und Fühlen über das, was wirklich Zukunft ist. Dies alles ist nicht nur eine Marginalie des politischen Stils. Die Beantwortung dieser Frage entscheidet über unsere Zukunftsfähigkeit. Kein Lager, kein Milieu, keine Generation wird den kommenden Wandel allein und gegen den anderen bewerkstelligen können.
Das gilt auch für die politischen Grenzziehungen. Wie die Weltordnungs-Kategorien von „Links“ und „Rechts“ zerfallen, ist derzeit wie unter einem Brennglas zu beobachten: Kurt Biedenkopf hat seit 20 Jahren für ein Grundrentensystem plädiert - und wurde dafür unverblümt abgemeiert. Ein Haushaltsexperte Metzger flog im hohen Bogen aus den Grünen heraus - drei Monate später beschließt seine Partei, dass dessen Thesen nun die richtigen sind, um die SPD unter Druck zu setzen. In den Führungszirkeln der SPD wurde Tony Blairs „Dritter Weg“ vor Jahren, in Zusammenarbeit mit Medien wie dem „Spiegel“ als getarnter Sozialabbau verfrühstückt. Nun kommt Hartz - wenn auch nur „light“. Das ist Tony Blair pur. Wer die Modernisierungsfrage noch vor einem Jahr versuchte, ernsthaft (und das heißt: lagerübergreifend) auf die Tagesordnung zu bringen, war sui generis ein kalter „Neoliberaler“. Und zwar in allen politischen Lagern, auch und gerade bei den Apothekerbataillonen der FDP.
Die Erschöpfung, der alle in der Zukunftsfrage unterliegen, liegt vor allem daran, dass unsere Gesellschaft wie in einem Hamsterrad in die ideologischen Grabenkämpfe von vorgestern hineingezogen wird. 30 Prozent unserer Energie wird verbraucht, recht gehabt zu haben. 69 Prozent wenden wir dazu auf, die generationsideologischen Grenzen festzuzurren und nachzuweisen, dass die anderen unrecht hatten. Ein Prozent Restenergie reicht aber nicht, um die Zukunft zu bewältigen!
Gibt aus auch so etwas wie Lernprozesse? Kann unsere Gesellschaft zugeben, dass sie, all die Individuen, Parteien, denkende Ã-ffentlichkeit etc. auch einmal klüger geworden sind? Dass auch „die anderen“, gebunden in der damaligen Historie, vielleicht recht hatten? Kann man nicht, um ein Beispiel zu nennen, die lebensweltliche Liberalisierung, die die „68er“ vorangetrieben haben, goutieren, aber das Beharren des konservativen Denkens auf Grundregeln, Westbindung und liberaler Ã-konomie ebenso? Die Nachkriegszeit mit ihrer langen Periode des deutschen Kriegsgewinnlertums geht zuende. Ebenso zuende geht der Industrialismus mit seinen sozioökonomischen Strukturen, die auf Normierung von Lebenswelten, großen bürokratischen Systemen, Mentalitäten der Abhängigkeit und der Absicherungen basierten. Wir gehen in eine offenere, riskantere, aber auch vielfältigere, ja lebendigere Welt. Eine Welt, die offenes Denken erfordert. Wer geht mit? Nur das wird am Ende entscheidend sein. Nicht, wer welche Etiketten hochhält.

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