- Die Army macht Schule - Sushicat, 09.01.2003, 14:13
Die Army macht Schule
-->Hallo zusammen,
in der ZEIT steht heute ein sehr interessanter und lesenswerter Artikel über High Schools in Problemstadtteilen, deren Schüler mit der Hilfe des Militärs auf den"rechten Weg" [ups] zurückgeführt werden.
Klingt alles sehr vernĂĽnftig, aber bei mir macht sich beim Lesen ein ungutes GefĂĽhl breit.
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AuszĂĽge:
[...]Das gilt umso mehr nach dem 11. September 2001. Derzeit befinden sich 1,4 Millionen Amerikaner in aktivem Dienst. Viele Militärexperten glauben, dass dies im „Krieg gegen den Terrorismus“ nicht reiche. Doch die Terroranschläge auf New York und Washington haben zur Überraschung der Armeeführung keinen Ansturm auf die Kasernentore ausgelöst. Jetzt locken die Streitkräfte mit höherem Sold, stattlicheren College-Stipendien, Werbespots im Stil von MTV, Action-Videos aus dem Einsatz in Afghanistan. Sie können außerdem auf die Kooperation der lokalen Schulbehörden zählen.
Diese sind seit kurzem verpflichtet, Namen, Adressen und Telefonnummern aller Elft-und Zwölftklässler an das Militär weiterzugeben. Eine entsprechende Passage ist in einem Gesetz zur Schulreform mit dem schönen Namen No Child Left Behind Act (Kein Kind wird zurückgelassen) versteckt. Das Pentagon will damit Zugang zu jenen 15 Prozent „Problemschulen“ erzwingen, die keine Rekrutierungsoffiziere in die Klassen lassen. Sollten diese weiterhin eine „antimilitärische Haltung“ einnehmen, werden ihnen die Bundeszuschüsse gestrichen, was bei den derzeit leeren Kassen der Einzelstaaten und Kommunen eine empfindliche Strafe ist. [...]
[...]Das klingt, als sei hier in selbstloser Weise die Heilsarmee am Werk. „Wir haben in unserer Geschichte nie Grund zur Skepsis gegenüber dem Militär gesehen“, sagt Catherine Lutz, Anthropologin an der University of North Carolina und eine der wenigen Sozialwissenschaftlerinnen, die sich mit der Rolle des Militärs in der amerikanischen Gesellschaft befassen. Die amerikanische Armee führe nach ihrem Selbstverständnis nur „gute Kriege“ und leiste nur „Gutes an der Heimatfront“, sagt Lutz. An diesem Mythos ist, wie so oft, Wahres dran; das Militär hat in den USA einen besonders hohen Stellenwert. I am joining the army - ich geh zur Armee - ist im kollektiven Gedächtnis der Amerikaner keine Chiffre für den Zug in die Schlacht, sondern für den Beitritt zu einer sozialstaatlichen Agentur. [...]
[...]Der Sozialstaat sei akzeptiert, meint Catherine Lutz, solange er im Kampfanzug daherkommt. Deshalb gebe es auch kaum Misstrauen, wenn das Militär zunehmend in zivile Bereiche vordringt oder zivile Institutionen das militärische Modell übernehmen.[...]
[...]Allerdings wird das Jugendcorps nicht überall so herzlich begrüßt wie in Chicago. In Albany im Bundesstaat New York blätterten die Mitglieder des lokalen Schulausschusses bei der Beratung über ein JROTC-Programm in den Textbüchern der Streitkräfte und fanden vieles zu beanstanden. Einige Passagen sind aus den neueren Auflagen gestrichen worden wie zum Beispiel ein Absatz über die „glücklicherweise erfolgreiche Politik, die Indianer westwärts zu treiben und auszurotten“. In einem Kapitel über die „Funktion des Gehirns“ lernen Kadetten bis heute, dass Weiße ihre linke Hirnhälfte stärker beanspruchten und deshalb „logisch, rational und kritisch“ agierten. Schwarze und Asiaten seien dank einer aktiveren rechten Hirnhälfte hingegen „intuitiv, kreativ und spontan“. Über das Verhältnis des Bürgers zum Staat heißt es im „Leadership-Training 1“: „Bürger schulden ihrer Regierung Treue. Diese wiederum gewährt ihnen Rechte und Privilegien der Führung.“ Was sich die Autoren beim zweiten Satz gedacht haben, bleibt unklar; der erste ist schlicht reaktionär. [...]
[...]Die Uniform symbolisiert die Fahrkarte aus dem Ghetto. In der South Side gibt es dafür eine Redewendung, in der die ganze Zwiespältigkeit dieser Chance zum Ausbruch enthalten ist: „Join the army and you are a safe negro.“ Soll heißen: Ein Schwarzer, der Uniform trägt, gilt den Weißen als „ordentlicher Neger“.
<ul> ~ hier der ganze ZEIT-Artikel</ul>

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