- In der"Welt": Von Bismarck lernen - Tempranillo, 10.01.2003, 20:31
- Re: Bismarck meint auch: Was gehen uns Probleme im Ausland an? OT. - dr.seidel, 11.01.2003, 01:19
- Re: Bismarck meint auch: Was gehen uns Probleme im Ausland an? OT. - Tempranillo, 11.01.2003, 11:30
- Goetzendaemmerung - Miesespeter, 11.01.2003, 16:41
- Re: @ Miesespeter: GIGANTISCHER IRRTUM - Tempranillo, 11.01.2003, 18:29
- GIGANTISCHER IRRTUM und Politikverstaendnis - Miesespeter, 11.01.2003, 19:05
- Re: Jetzt geht` s ans Eingemachte - Tempranillo, 11.01.2003, 20:07
- Re: Jetzt geht` s ans Eingemachte - Miesespeter, 11.01.2003, 20:40
- Zusatz: Politik und Geschichte fuers Tagesgeschaeft - Miesespeter, 11.01.2003, 21:29
- Re: Bald haben wir nichts mehr, worüber wir streiten können - Tempranillo, 11.01.2003, 22:10
- Re: Jetzt geht` s ans Eingemachte - Miesespeter, 11.01.2003, 20:40
- Re: Jetzt geht` s ans Eingemachte - Tempranillo, 11.01.2003, 20:07
- GIGANTISCHER IRRTUM und Politikverstaendnis - Miesespeter, 11.01.2003, 19:05
- Re: @ Miesespeter: GIGANTISCHER IRRTUM - Tempranillo, 11.01.2003, 18:29
- Goetzendaemmerung - Miesespeter, 11.01.2003, 16:41
- Re: Bismarck meint auch: Was gehen uns Probleme im Ausland an? OT. - Tempranillo, 11.01.2003, 11:30
- Re: Bismarck meint auch: Was gehen uns Probleme im Ausland an? OT. - dr.seidel, 11.01.2003, 01:19
Re: Bald haben wir nichts mehr, worüber wir streiten können
-->>Vielleicht demnaechst in der EU. Noch ists auch kein Einheitsstaat. Also durchaus vergleichbar.
Worüber streiten wir eigentlich noch? So wie ich es jetzt sehe, haben wir beide eine gemeinsame Abneigung, den autoritären, zentralistischen Einheitsstaat, aktuell in Gestalt der EU. Auseinander sind wir in der Frage, ob es möglich ist OvB als Kronzeugen anzuführen?
> Ich halte es nicht fuer guenstig, wenn derjenige, der den ersten Schritt einleitet, voellig von der Verantwortung fuer den zweiten freigesprochen werden soll.
Die Annahme, OvB als geistigen Urheber der EU-Vereinheitlichung zu betrachten, erwischt mich wieder auf dem falschen Fuß. So habe ich es noch nicht gesehen. Das muß ich erst mal verdauen. Im Moment würde ich einwenden, dass die ersten Schritte in Richtung Einheitsstaat sicher nicht in D-Land erfolgt sind, sondern woanders. Frankreich wäre an erster Stelle zu nennen. Insofern wäre OvB eher als Mitläufer einzustufen, denn als treibende Kraft.
>Sie reden eben von europaeischer Identitaet. Also das gleiche, nur eine Territorialeinheit hoeher.
Der Einwand hat auch etwas. Mir scheint nur, die europäische Identität ist ein Konstrukt, ein Phantom. Wie im übrigen jede Definition eine Konstruktion, wenn man so will, eine Erfindung ist. Die Frage ist aber, inwieweit sich diese Konstruktionen an der Wirklichkeit bewähren, oder zumindest eine Entsprechung in der Wirklichkeit finden? Bei der Frage nach eine europäischen bzw. nationalen Identität stellt sich schnell heraus, dass die europäische v.a. in den Gehirnen gewisser Politiker existiert, wogegen die Nationalstaatsbewegung des 19. Jahrhunderts breitesten Rückhalt in der Bevölkerung hatte.
Unter demokratischem Aspekt (Mehrheit/Minderheit) kann ich also sehr wohl von einer national definierten Identität ausgehen, eine europäische dagegen als Hirngespinst abgehobener Bürokraten bezeichnen. Noch mal anders formuliert: OvB hat etwas aufgegriffen, was bereits existierte, ein deutsches Nationalgefühl. Die Eurokraten dagegen beschwören ein Phantom.
>Da habe ich mich vielleicht missverstaendlich ausgedrueckt. Ich sehe Bismarck lediglich als einen Hauptakteur der Zentraliserung.
Ja, aber mir scheint Deine Ablehnung zentralisierender, vereinheitlichender Tendenzen nicht wirklich begründet. Zum Problem wird das doch erst dann, wenn darüber Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie verloren gehen, was bei der Europäischen Einheit zwangsläufig der Fall sein muss.
Bei der nationalstaatlichen Einigung verhält es sich genau umgekehrt, weil doch erst nationalsstaatliche Strukturen - ob eher föderativ oder zentralistisch halte ich für gar nicht so wichtig - Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat, Soziale Sicherung, Innere und Äussere Sicherheit ermöglichen.
>Du machst wieder den Fehler, das Prinzip nicht auf heutige Zustaende zu uebertragen. Heute wuerde Bismarck sagen: 'Ich sehe keine Verantwortung fuer aussereuropaeische Zustaende' und wuerde dich sehr wohl dazu bewegen, fuer spanische und polnische Bauern zu bezahlen, vorausgesetzt Berlin wuerde den Haupteinflussfaktor in der EU darstellen. Der europaeische Unionsprozess ist von seinem Wesen in keiner Weise vom deutschen Reichsprozess zu unterscheiden.
Doch. Der deutsche Reichsprozess hat eine Reihe von Problemen gelöst:
- Klärung des preußisch-österreichischen Dualismus
- Sicherheit nach aussen
- Unabhängigkeit von ausländischen Einflüssen
- Einrichtung von Systemen der Sozialen Sicherung
- Erste, wenn auch zaghafte Demokratisierung (Parlament)
- Grundlage wirtschaftlichen Aufschwungs (Zollverein)
- Befriedigung des vom Volke getragenen Wunsches nach nationaler Einheit
Welches Problem sollte die Europ. Einigung lösen?
- Nicht eines, alles nur Phrase
Ob ich zu Zeiten von OvB dazu bewegt worden wäre, für spanische und polnische Bauern zu zahlen, ist rein hypothetisch. Ich gehe davon aus, dass OvB unauflöslich mit dem nationalen Rahmen verküpft ist. Fällt dieser Rahmen weg, bin ich natürlich schachmatt. Aber das Recht, die Reichweite von Eingungsbewegungen zu definieren, lasse ich mir natürlich nicht nehmen. Dass das eine Definition, wenn Du so willst, eine dogmatische Setzung ist, ist klar. Aber wenn ich darauf verzichte habe ich nur noch die Wahl zwischen einem weltweiten, zentralistischen, diktatorischen Einheitsstaat und einer"Gesellschaft" - der Begriff paßt jetzt überhaupt nicht mehr - völlig zusammenhangloser, atomisierter Individuen.
Das Problem, das Du im Zusammenhang mit Zentralisierung und nationaler, von mir aus übernationaler Einigung beschreibst, kann man glaube ich lösen, ohne das Kind mit dem Bade, den staatlichen Rahmen mit der Freiheit, auszuschütten. Man muss die vereinheitlichenden Tendenzen striktest in den Dienst demokratischer Prinzipien stellen. Auf der nationalen Ebene hat das doch, wenn auch mit erheblichen Schwächen, funktioniert.
Im übernationalen Rahmen muss das alles, und zwar zwangsläufig, verloren gehen. Davon gibt uns die EU hervorragendes Anschauungsmaterial.
>Auch ob Deutschland damals mit seiner kleinstaatlichen Freiheit ueberhaupt etwas haette anfangen koennen, will ich lieber nicht beurteilen.
Erst nach Abschaffung der Kleinstaaterei begunnen zarte Freiheitspflänzchen zu sprießen.
>Dennoch halte ich ihn als Vorbild fuer die heutige geschichtliche Situation fuer voellig untauglich.
Kein Vorbild, aber eine wunderbare Anregung. So viele schöne Argumente, mit der man die Absurdität der EU darstellen kann. Warum sollte ich auf so eine Quelle verzichten. So gesegnet sind wir in D-Land mit grossen Politikern weiß Gott nicht. Ob OvB dann wieder, gewissermaßen als Ironie der Geschichte, eine Tendenz verkörpert, die sein eigenes Werk dann ad absurdum geführt hätte, ist eine hochinteressante Frage, die leider den Nachteil hat, dass sie Spekulation bleiben muß. Wenn ich was finde, werde ich es sofort posten. Interessiert mich sehr!
>Insofern waere mir Wilhelm Tell als historisches Leitbild allemal lieber als Bismarck.
Ja, wenn er denn gelebt hätte. Was mich an OvB so fasziniert, ist nicht die Rolle als Leitbild, mich fasziniert es, zu sehen, wie man am Beispiel OvBs eine ungeheure Gehirnwäsche darstellen kann. So ziemlich alles, was man von ihm zu wissen glaubt kann man ins Gegenteil verkehren, und ist dann der Wahrheit bei weitem näher als wenn man in den seichten Gewässern der Konvention schippert. Ich habe den Eindruck, dein Urteil ist viel zu streng. Was Du über OvB schreibst, kommt mir in weiten Teilen so bekannt vor. Als wär`s ein Stück von mir. Ich gebe aber zu, dass meine Sympathie sehr viel mehr auf seine Reden Schriften und Briefe zurückgeht als auf sein Handeln.
>Leider haben wir nur Frau Landrätin Kerstin Kassner.
Ja,ja hart im Raume stoßen sich die Sachen, oder so.
Das war mal eine interessante Diskussion, voller Anregungen.
Danke
Tempranillo

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