- Hildebrand zu Platin - Popeye, 14.01.2003, 07:08
Hildebrand zu Platin
-->Unter den Edelmetallen stellen
Gold und Silber das teure Platin
in den Schatten
Ein enger Markt macht Spekulationen gefährlich /
Angebot und Nachfrage schwer abschätzbar / Bedarf
der Schmuckhersteller in Asien nimmt zu
hi. FRANKFURT, 13. Januar. Während die Anleger die
Edelmetalle Gold und Silber zunehmend in ihren Fokus
nehmen, führt Platin bisher ein Schattendasein. Dabei müßte
ihm nach dem Urteil zahlreicher Händler aus fundamentaler
Sicht eigentlich besondere Beachtung zukommen. Platin sei
das einzige Edelmetall, bei dem derzeit mit guten Gründen
von Knappheit gesprochen werden könne, heißt es. Société
Générale hält beispielsweise einen plötzlichen explosiven
Preisanstieg für möglich, wenn sich herausstellen sollte, daß
das physische Angebot nicht ausreicht, um den Bedarf zu
decken. In den nächsten Jahren dürfte die
Bergwerksproduktion weltweit zwar spürbar wachsen, doch
ist es nach Ansicht von Fachleuten noch offen, ob sich damit
die Versorgungslage nachhaltig entspannen kann.
Privatanleger mit spekulativen Absichten können für dieses
Edelmetall den Terminmarkt in New York nutzen. Auf die
Terminkontrakte dort werden auch Optionen gehandelt.
Darüber hinaus haben verschiedene Emittenten
Optionsscheine für Platin begeben, für die sie einen
außerbörslichen Markt installierten. Nicht zuletzt gibt es auch
Zertifikate. Sie verbriefen das Eigentum an einem
bestimmten Bestand von Platin, das sich physisch beim
Emittenten befindet. Die Reinform des physischen Eigentums
und Besitzes bieten Barren von unterschiedlichem Gewicht,
die Anleger jedoch immer nur von seriösen Quellen - also
normalerweise von Banken - erwerben sollten.
Der Terminhandel mit Platin ist ein gefährliches
Unterfangen. Ganz abgesehen von den ohnehin sehr hohen
allgemeinen Risiken des Termingeschäfts, die ihren Grund in
der enormen Hebelwirkung von Preisveränderungen auf das
eingesetzte Kapital haben, kommt bei Platin hinzu, daß der
Terminmarkt für dieses Edelmetall wegen meist geringer
Umsätze sehr eng ist und zu starken Preisausschlägen neigt.
Unzureichend informierten Spekulanten stehen dort
professionelle Kräfte gegenüber, die ihre Chancen zu nutzen
verstehen. Nach Palladium, einem Metall der Platingruppe,
gilt Platin beim Preis wegen der alles andere als idealen
Marktbedingungen als besonders leicht zu manipulierendes
Edelmetall.
Traditionell ist Platin das teuerste aller börsengehandelten
Edelmetalle. Außerordentliche Einflüsse können jedoch
bewirken, daß es auch einmal von Gold oder Palladium in
den Schatten gestellt wird. Im Verhältnis zu Gold war dies
phasenweise in den achtziger und neunziger Jahren der Fall,
im Verhältnis zu Palladium jedoch erst 2000 und 2001. In
manchen Marktbetrachtungen wird versucht, mit Blick auf
die Vergangenheit Preisverhältnisse zwischen Gold und
Platin zu konstruieren und daraus abzuleiten, daß das eine
oder andere Edelmetall zu billig beziehungsweise zu teuer sei.
Doch dies sind nach Ansicht von Fachleuten nur Spielereien,
denn beide Märkte haben neben ihrem Charakter als
Edelmetalle und der Tatsache, daß in beiden Fällen Südafrika
das führende Produzentenland ist, wenig Gemeinsamkeiten.
Vor allem aber hat sich Platin im Gegensatz zu Gold und
Silber nie durch eine monetäre Komponente ausgezeichnet,
deren herausragendes Merkmal die Deckungsgrundlage für
den Geldumlauf ist.
Bei der Betrachtung der statistischen Bilanz von Angebot
und Nachfrage am Weltmarkt für Platin fällt auf, daß sich
Phasen von Überschüssen und Defiziten abwechseln. Nach
der Definition der Statistiker wandern Überschüsse in private
Depots, die das Material in von Defiziten geprägten Phasen
wieder abgeben. Das Regulativ für die Depots ist der jeweils
herrschende Preis oder die Preiserwartungen. Während die
Nachfrageseite recht gut erfaßt werden kann, ist die
Angebotsseite schwer zu überblicken. Dies liegt vor allem an
Rußland, dem nach Südafrika zweitgrößten Produzenten, der
Informationen über seine Platinwirtschaft nach wie vor als
ein Staatsgeheimnis behandelt. Es ist zwar mittlerweile
beschlossene Sache, den Schleier zu lüften. Doch mahlen die
bürokratischen Mühlen in Moskau hinsichtlich des
Edelmetalls besonders langsam. Wenn Rußland in den
Statistiken als Anbieter erscheint, so ist im Gegensatz zu den
meisten anderen Ländern nicht die Produktion ausgewiesen,
sondern der geschätzte Export auf den Weltmarkt.
Ausführliche statistische Angaben über die Platinmetalle, zu
denen auch Palladium, Rhodium, Ruthenium und Iridium
zählen, kommen mindestens zweimal jährlich vom Briten
Johnson Matthey. Sie gelten als umfassend und unerreicht.
Der Raffineur und Händler schätzte zuletzt, daß das
Weltangebot an Platin 2002 gegenüber dem Vorjahr von 5,85
Millionen Feinunzen auf 5,88 Millionen Unzen gestiegen sein
dürfte. Für Südafrika wurde eine Zunahme von 4,1 Millionen
Unzen auf 4,44 Millionen Unzen angesetzt, für Rußland
hingegen ein Rückgang von 1,3 Millionen Unzen auf 950 000
Unzen. Das Angebot aus Nordamerika sollte von 340 000
Unzen auf 355 000 Unzen zunehmen.
Auf der Nachfrageseite konkurriert der Bedarf der
Schmuckindustrie seit Jahren mehr oder minder intensiv mit
dem der Hersteller abgasentgiftender
Automobilkatalysatoren. Dabei ist von Bedeutung, daß bei
den Katalysatoren wiederum ein starker Wettbewerb
zwischen Platin und Palladium herrscht. Letzteres ist jedoch
wegen seiner beispiellosen Verteuerung in den Jahren 1997
bis 2001 zunächst einmal aus dem Rennen. 2002 dürfte der
Nettobedarf für Katalysatoren nach den Erkenntnissen von
Johnson Matthey weltweit von 2,53 Millionen Unzen auf 2,52
Millionen Unzen gesunken sein. Die Wiederverwertung soll
hingegen von 530 000 Unzen auf 570 000 Unzen
zugenommen haben.
Platinschmuck erfreut sich vor allem in Japan einer sehr
starken Nachfrage, wobei zu beachten ist, daß Schmuck
dieser Art meist auch eine Form der Kapitalanlage darstellt.
Seit die Wirtschaft in anderen asiatischen Ländern
tendenziell stark wächst und in immer breiteren Schichten für
Wohlstand sorgt, nimmt die Nachfrage nach Platinschmuck
in der gesamten Region überdurchschnittlich zu. Zuletzt hat
China einen neuen, in seiner Dauer und Intensität nicht
abschätzbaren Nachfrageschub ausgelöst. Die besondere
Vorliebe der Asiaten für Platin erklären Fachleute damit, daß
dieses weiße Edelmetall auf deren Haut sehr viel
ansprechender wirke als das gelbe Gold. Johnson Matthey
schätzte den Platinbedarf für Schmuckzwecke 2002 zuletzt
auf 2,78 Millionen Unzen. Im Vorjahr seien 2,55 Millionen
Unzen für diesen Zweck verwendet worden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.01.2003, Nr. 11 / Seite 21

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