- SZ: Frankreich greift Stabilitätspakt an - Tempranillo, 18.01.2003, 00:21
- es wird zeit für dollar calls*LOL* (owT) - patrick, 18.01.2003, 01:06
SZ: Frankreich greift Stabilitätspakt an
-->Es kommt wie schon vor Jahren in einem SPIEGEL-Beitrag Winfried Didzoleits zu lesen war, Frankreich will den Stabilitätspakt aushebeln. Was sich keiner vorstellen konnte, die Bundesregierung macht mit. Ich wette, der deutsche Michel wird auch diese Zumutung, wie so viele zuvor, widerstandslos schlucken, und die Hütte wird garantiert nicht angezündet werden.
Süddeutsche Zeitung:
Spannung vor dem Treffen der EU-Finanzminister
Frankreich greift Stabilitätspakt an
Regierungsmitglied stellt Defizitkriterium erneut in Frage / Vertrauensverlust für Euro befürchtet
Von Alexander Hagelüken und Simone Boehringer
Brüssel - Frankreich plant nach SZ- Informationen eine neue Initiative zur Aufweichung des Stabilitätspakts. „Die EU-Kommission darf nicht so sklavisch am Defizitziel von drei Prozent festhalten“, wird ein hochrangiges französisches Regierungsmitglied in Brüssel zitiert. Ziel ist, die EU-Sparvorgaben zu lockern, um die Konjunktur zu stimulieren. Währungsexperten befürchten einen Vertrauensverlust für den Euro.
Die Regierung werde ihre Änderungswünsche womöglich bereits nächste Woche beim EU-Finanzministertreffen oder bei der 40-Jahr-Feier des deutsch-französischen Vertrages vorbringen, war zu erfahren. Präsident Jacques Chirac, Premier Jean-Pierre Raffarin und Finanzminister Francis Mer seien über einen harten Kurs gegen Brüssel einig.
Im Wirtschafts- und Finanzausschuss, der die Treffen der EU- Finanzminister (Ecofin) vorbereitet, leisteten die Franzosen diese Woche Widerstand gegen zwei Wünsche aus Brüssel. Sie weigern sich, ihr Haushaltsdefizit bis zum Jahr 2006 nahe Null zu drücken. Auch die Vorgabe, das um konjunkturelle Einflüsse bereinigte Defizit dieses Jahr um 0,5 Prozent zu reduzieren, passt den Franzosen nicht. Mit dieser Haltung hatte Paris im Oktober im Ecofin-Gremium eine schmerzliche, auf EU-Ebene höchst seltene Niederlage erlitten. Alle anderen elf Finanzminister der Eurozone stimmten für die Brüsseler Vorschläge zum Defizitabbau. Seitdem waren aus Paris moderatere Töne zu hören gewesen.
Doch inzwischen drängt die konservative Regierung mit Macht darauf, die Brüsseler Sparvorgaben abzuschütteln. Zwar will Finanzminister Mer beim Ecofin-Treffen am Dienstag offenbar nicht die geplante Haushalts-Frühwarnung der Kommission blockieren. Brüssel soll aber Frankreich und Deutschland erlauben, 2003 ein Defizit von mehr als drei Prozent zu produzieren. „Die Maastrichter Kriterien sind nicht heilig“, sagt ein Regierungsmitglied.Die Regierung ist der Ansicht, die Einhaltung der im Vorfeld der Währungsunion 1992 in Maastricht beschlossenen Stabilitätskriterien werde das schwache Wachstum zusätzlich dämpfen und eine Spirale nach unten auslösen. Staatspräsident Chirac hatte kürzlich gesagt, es sei jetzt nicht der Moment, „eine rezessive Budgetpolitik zu führen. Die Konjunktur zwingt uns im Gegenteil, das Wachstum zu unterstützen und die Abgaben weiter zu senken, um die Wirtschaft anzukurbeln“.
Deutsche Meinung zählt
Die Regierung verfolgt zunehmend offensiv einen keynesianischen Ansatz zur Stärkung der Nachfrage und Verbesserung der Angebotsbedingungen. Chirac versprach im Wahlkampf, Steuern und Abgaben bis 2007 um 30 Milliarden Euro zu senken. Regierungskreise verweisen auf die USA, die ebenfalls auf massive Steuersenkungen und Ausgabensteigerungen setzt. Paris ist diesbezüglich bisher nicht auf einer Linie mit Berlin, glaubt aber, einen Richtungswechsel bei den Deutschen feststellen zu können.
Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte am Donnerstagabend nach einem Treffen mit Premier Raffarin, beide stimmten überein, „dass das Defizitziel wichtig ist, aber nicht das einzige Ziel“. Deutschland und Frankreich seien erfreut, dass in der EU-Kommission ein „Prozess des Nachdenkens in Gang gekommen ist, dass einzelne Ziele des Stabilitätspakts, den wir erhalten wollen, nicht verabsolutiert werden“. In Berlin wird jedoch dementiert, dass Schröder damit einen Kurswechsel einleite. Er hatte Anfang der Woche eine Erhöhung der Neuverschuldung, die zur Verletzung des Drei-Prozent-Ziels führen könnte, entschieden abgelehnt. Finanzminister Hans Eichel verfolgt die Pariser Versuche zur Aufweichung des Pakts mit Argwohn.
Finanzmarktkreise beurteilen den Vorstoß der Franzosen zum jetzigen Zeitpunkt als relativ geschickt, weil sich die unmittelbaren Auswirkungen auf den Euro-Kurs nach Meinung der meisten Experten in Grenzen halten werden. „Langfristig ist der Stabilitätspakt für das Vertrauen in den Euro unabdingbar, aber derzeit wird die Diskussion völlig von der Dollar belastenden Lage im Irak überschattet“, meint Bastian Hepperle, Währungsexperte bei der WestLB. Seit Wochen befindet sich der Euro deshalb schon im Aufwind. Bis Freitag 18 Uhr stieg der Euro auf 1,0654/64 Dollar.
„Mittelfristig ist der Stabilitätspakt das wichtigste Korrelat für eine gleichgerichtete Fiskalpolitik der Euro-Länder. Fehlt diese unabdingbare ökonomische Grundlage, wäre das ein großer Vertrauensknacks für die junge Währung“, sagt Martin Hüfner, Chefvolkswirt der HypoVereinsbank. „Als unverzichtbar für das Funktionieren der Währungsunion“ bezeichnet auch Thomas Mayer, Chefvolkswirt bei der Deutschen Bank, den Pakt.
Über eine Verbesserung der Stabilitätskriterien, die teils sehr willkürlich festgelegt wurden, könne man sicher diskutieren, so Hüfner. Der Vorstoß dürfe aber nur von Ländern kommen, die die Verschuldungsgrenzen souverän einhielten, weil sonst ein fader Beigeschmack bleibe. Frankreich gehört neben Deutschland derzeit zu den Euro-Ländern mit den größten Haushaltsproblemen.

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