- Dr. Erhardt - US-Konjunktur - Lemmy, 19.01.2003, 10:57
- Re: Inflation - Deflation - Beides - Oder Was??? - ein Fall für dottore - André, 19.01.2003, 12:45
- bezeichnet Bethmann so etwas nicht als"Regenbogen-Inflation"?... - Ricoletto, 19.01.2003, 13:33
- Re: Inflation - Deflation - Beides - Oder Was??? - ein Fall für dottore - dottore, 19.01.2003, 14:55
- Bei Preisen für Finanztiteln jedenfalls eindeutig Deflation.. - marsch, 19.01.2003, 15:23
- Re: Inflation - Deflation - Beides - Oder Was??? - ein Fall für dottore - André, 19.01.2003, 15:55
- Re: Inflation - Deflation - Beides - Oder Was??? - ein Fall für dottore - Euklid, 19.01.2003, 16:12
- Re: Scheinchen - André, 19.01.2003, 16:30
- Re: Scheinchen - Euklid, 19.01.2003, 19:07
- Noch besser - MC Muffin, 19.01.2003, 19:26
- Re: Noch besser - D- Reymann, 19.01.2003, 23:19
- Noch besser - MC Muffin, 19.01.2003, 19:26
- Re: Scheinchen - Euklid, 19.01.2003, 19:07
- Re: Scheinchen - André, 19.01.2003, 16:30
- Re: Inflation - Deflation - Beides - Oder Was??? - ein Fall für dottore - Euklid, 19.01.2003, 16:12
- Re: Inflation - Deflation - Beides - Oder Was??? - ein Fall für dottore - André, 19.01.2003, 12:45
Dr. Erhardt - US-Konjunktur
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Weiter unkalkulierbare Kriegs- und Ã-lpreisrisiken
Das Problem aller Voraussagen für das Jahr
2003 liegt darin, daß einerseits geopolitische
Fragen eine wichtige Rolle spielen werden (deutlich
niedrigerer Ã-lpreis bei amerikanischem Kriegserfolg
bzw. deutlich höherer Ã-lpreis bei
Destabilisierung der arabischen Ã-lerzeugerregion),
andererseits sich die Weltkonjunktur in einer
Situation befindet, die in der Geschichte keine
Parallele findet.
Das klassische Konjunkturzyklus- (bzw. Börsenzyklus-)
Muster der Nachkriegszeit wurde eindeutig
durchbrochen. Jede Hausse der Nachkriegszeit
begann bei Zinshöhepunkten bzw. kurze Zeit
nach Notenbank-Zinssenkungen. Diesmal liegen
die amerikanischen Zinssätze fast auf japanischem
Tiefstniveau und die dreijährige Abwärtstendenz
ist in keiner Weise gebrochen.
Hinzu kommt noch, daß Notenbank-Präsident
Greenspan klargemacht hat, daß bei deflationären
Risiken - ähnlich wie in Japan - die Notenbank
große Anleihebestände aufkaufen wird, um auf die
Art und Weise die Liquidität im Finanzsystem
kräftig zu erhöhen und so aktiv auf höhere Inflationsraten
hinzuarbeiten, um das Gespenst Deflation
auf jeden Fall abzuwenden.
Wie immer sind solche Radikalaktionen natürlich
mit erheblichen Risiken verbunden. Die ohnehin
viel zu hohe Verschuldung würde durch solche
staatlich verordnete Erleichterung der Kreditvergabe
und Massenliquidität nochmals wesentlich
erhöht. Langfristig kann dies die Gefahren für die
US-Wirtschaft natürlich nur erheblich erhöhen.
Die Börse, die traditionsgemäß nur sehr kurzfristige
Gewinnaspekte im Auge hat, könnte auf eine
solche Massenliquidität positiv reagieren.
Bis heute ist von der von allen Seiten befürchteten
Deflation (siehe Graphik letzte FINANZWOCHE)
in den USA nichts zu spüren.
Die kräftigen Zinssenkungen haben erwartungsgemäß zu einer
Explosion der Refinanzierung von Hypotheken
geführt (Umschuldung auf niedrigere Zinssätze,
die entsprechend höhere Kaufkraft der Verbraucher
freisetzt). Eine entsprechende Entwicklung
war an dieser Stelle frühzeitig im letzten Jahr
angekündigt worden. Trotz jüngster Beruhigungszeichen
wuchs deshalb die US-Einzelhandelskonjunktur
im letzten Jahr noch mit 4,6% - abgesehen
von Großbritannien weit mehr als in jedem
anderen Industrieland.
Jene Börsenbeobachter, die im letzten Jahr im
Hinblick auf einen sogenannten"double-dip" (neuer
Konjunkturrückschlag nach dem 2001er Tief)
Aktienverkäufe empfahlen, gaben zwar den richtigen
Ratschlag, aber mit der falschen Begründung.
Trotz des kräftigen Anstiegs der Arbeitslosigkeit in
den USA (prozentual z.B. wesentlich mehr als
selbst im konjunkturell gedrückten Deutschland),
ist im Moment keine Konjunkturabschwächung
in den USA in Sicht. Im 1. Quartal jedenfalls
erscheint ein drastischer Einbruch der zuletzt vergleichsweise
robusten US-Konjunktur unwahrscheinlich.
In Anbetracht erheblicher volkswirtschaftlicher
Verschuldungserhöhung (Deflationen
sind durch rückläufige Kreditgewährung,
wie in Japan, gekennzeichnet), explosiver Zunahme
der Geldmenge, rekordtiefer Zinssätze
und deutlicher Steuersenkungen (jetzt will man
erneuter Nachfrageschub für
US-Konjunktur: Refinanzierung
von Hypotheken auf
Wochenbasis (gestrichelte Linie)
60% über Jahresdurchschnitt
auch noch die Doppelbesteuerung bei Dividenden
abschaffen, so daß US-Dividenden beim Aktionär
nicht besteuert werden - von dieser Maßnahme
profitieren die ausländischen Anleger übrigens voraussichtlich
nicht), dürfte eine baldige Konjunkturabschwächung
in den USA kaum in Sicht
sein.
Angesichts voraussichtlich weiter steigender
US-Inflationszahlen und möglicherweise nochmaliger
Zinssenkungen, wirkt auch der hohe negative
Realzins (z.B. im Gegensatz zum hohen positiven
deutschen Realzins) für die Konjunktur expansiv.
Erkauft wird diese Entwicklung zwar durch ein
Zwillings-Defizit (Staats- und Handelsbilanzdefizit),
unverändert sehr niedrige US-Sparquote
und ständig steigende Verschuldung, was auf
eine bloße zeitliche Verlagerung der Probleme
hinausläuft, kurzfristig dürfte es aber unverändert
zu früh sein, in den USA Deflation oder doubledip
vorauszusagen.
Angesichts dieser alles andere als"soliden" Situation
und eines früher oder später unvermeidlichen
Endes neuer Verschuldungsmöglichkeiten, ist es
verständlich, wenn die US-Konjunkturpolitik zusätzlich
zur Wirtschaftsbelebung einen niedrigeren
Ã-lpreis anstrebt. Die augenblickliche Ã-lpreissteigerung
wirkt sich weltweit wie eine Steuererhöhung
aus und ist nachhaltig konjunkturdämpfend,
besonders in Europa, wo die Benzinpreise am
höchsten sind. Würde der Ã-lpreis fallen, wäre die
Konjunkturbelebungswirkung in den USA und
Asien andererseits am höchsten, da dort die Steueranteile
am Benzinpreis insbesondere im Vergleich
zu Europa verschwindend gering sind.
Der Ã-lpreis hängt nun eindeutig von den bekannten
geopolitischen Problemen ab. Während zunächst
Kanzler Schröder mit seiner Ablehnung
des Irak-Kriegs international isoliert dastand,
scheint sich eine solche Isolation jetzt eher für
Bush abzuzeichnen. Niemand weiß, wer in der
Kraftprobe zwischen den USA und dem Rest der
Welt in Sachen Irak-Krieg die Oberhand behalten
wird. Die Auswirkungen eines Gesichtsverlusts
der USA (im Ausland, bei den eigenen Soldaten
und den eigenen Bürgern) sollten aber nicht unterschätzt
werden.
Die Beliebtheit des US-Präsidenten, die bei seiner
Wahl bei unter 50% lag, stieg im Zuge des"Krieges
gegen den Terror" auf ca. 90%, um zuletzt wieder
auf 58% (z.B. wegen steigender US-Arbeitslosigkeit)
zu fallen. Bush braucht also außenpolitische
Aktionen, um von den Problemen im
eigenen Land abzulenken. Auch Schröder gewann
letztlich mit Außenpolitik die Wahl, trotz
miserabler Wirtschaftserfolge. Da niemand halbwegs
sicher voraussagen kann, wie sich die Irak-
Krise (bzw. der Ã-lpreis) weiter entwickeln wird,
hängt hier nach wie vor über den Börsen ein
erhebliches Damoklesschwert, das Prognosen
in nie gekannter Weise (neben den ohnehin schon
gegebenen Wirtschaftsproblemen - verursacht
durch über 10-jährige Dauerstimulierung der amerikanischen
Notenbank) erschwert.
Börsenanalytiker und Fondsmanager stecken also
in einer noch nie gekannten Problemsituation zwischen
dem Zwang, vorangegangene Verluste wieder
aufzuholen, aber andererseits die unberechenbaren
Risiken im Auge zu behalten. Für
den Anleger kann dies eigentlich nur heißen, sich
nicht voll am Aktienmarkt zu engagieren (viele
verkünden, wie in den letzten Jahren, jeweils zum
Jahresanfang schon wieder das Schlagwort"voll
investiert"), sondern zunächst abzuwarten.
Im optimistischen Falle kann es, wie vor dem
Jahreswechsel 2000, richtig sein, sich vor dem
gefürchteten Ereignis zu engagieren. Für eine
Beruhigung der Situation bzw. positive Aktienmärkte
spräche beispielsweise eine inzwischen
überfällige Konsolidierung beim Gold (rein technisch
gesehen auch beim Ã-l).
Es besteht aber
nach wie vor die Möglichkeit, daß die geopolitischen
Faktoren die eigentlich überfällige technische
Reaktion am Aktienmarkt - wie schon
zweimal im letzten Jahr - zunichte machen.

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