- Unternehmen in Europa geben erstmals dreißigjährige Anleihen aus - Theo Stuss, 21.01.2003, 11:40
- Re: Heissa, jucheh! Und nun die Telekom - Theo Stuss, 21.01.2003, 11:42
- Re: Und nun die Telekom - Vorsicht Finanzinnovation! - susi, 21.01.2003, 12:13
- Re: Und nun die Telekom - Vorsicht Finanzinnovation! - futzi, 21.01.2003, 14:26
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- Re: Unternehmen in Europa geben erstmals dreißigjährige Anleihen aus - tas, 21.01.2003, 13:15
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Unternehmen in Europa geben erstmals dreißigjährige Anleihen aus
--> Hurra, schlagen Sie zu Herr Schramm!
Langläufer groß in Mode
Unternehmen in Europa geben erstmals dreißigjährige Anleihen aus
von Holger Zschäpitz
Berlin - Europa schließt auf zu Amerika. Zumindest am Anleihemarkt. Denn was in den USA schon längst gang und gäbe ist, hält nun auch in Europa Einzug: Unternehmensanleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren. Waren bisher höchstens zehnjährige Anleihen der Standard, debütierten mit Deutscher Telekom, France Telecom und Olivetti in der vergangenen Woche gleich drei Unternehmen mit dreißigjährigen Papieren und fanden damit reißenden Absatz. Da spielte es auch keine Rolle, dass die Telekomkonzerne nicht gerade zu den bonitätsstärksten zählen. Die Kreditwürdigkeit der Deutschen Telekom wurde erst jüngst von der Ratingagentur Moody’s zurückgestuft und liegt jetzt nur noch eine Stufe über „Ramsch-Niveau“.
„Allein die Überschussnachfrage bei der Milliardenanleihe der France Telecom reichte aus, um aus dem Stand noch eben 400 Mio. dreißigjährige Deutsche-Telekom-Papiere unter die Anleger zu bringen. Das ist ein Novum in der Bondsgeschichte“, sagt Uwe Burkert, Kreditstratege bei der Landesbank Baden Württemberg.
Keine Frage, die plötzliche Bereitschaft der Emittenten, eine Laufzeit anzubieten, mit der sich bisher lediglich amerikanische Anleger anfreunden konnten, signalisiert einen grundlegenden Wandel in den Anlagebedürfnissen vor allem institutioneller Investoren in Europa. Es geht in erster Linie darum, dass Pensionskassen verstärkt dazu angehalten werden, ihre Zahlungsverpflichtungen fristenkongruent mit gleich laufenden Papieren zu hinterlegen. Darüber hinaus reduzieren viele Institutionelle weiter ihre Aktienquote und da kommen die Dreißigjährigen gerade zur rechten Zeit, zumal die hohen Kupons nahe acht Prozent oder sogar darüber im momentanen Umfeld niedriger Renditen äußerst attraktiv erscheinen. Dreißigjährige Staatsanleihen, die es bisher auch in Europa schon gab, werfen gerade einmal 4,8 Prozent ab. „Klassische“ Unternehmensanleihen mit zehn Jahren Laufzeit und einer Bonität vom Schlage Telekom & Co. rentieren gerade einmal mit sieben Prozent. Und auch den Aktien trauen die meisten Experten in den kommenden Jahren höchstens jährliche Gewinne zwischen vier und sechs Prozent zu.
Ob die neuen Rentenpapiere aber auch in jedes Privatanlegerdepot gehören, ist unter Experten umstritten. Denn die neuen Langläufer sind nicht ohne Risiken. Zum einen kann in 30 Jahren viel passieren und niemand vermag genau vorherzusagen, wie wirtschaftlich gesund die Deutsche Telekom oder Olivetti in drei Jahrzehnten dastehen werden. Sollte der äußerst unwahrscheinliche Fall einer Pleite innerhalb der Laufzeit eintreten, wäre ein Teil des Anlagegeldes futsch. Doch nicht nur das Insolvenzrisiko ist bei Dreißigjährigen höher als bei Papieren mit niedrigerer Laufzeit. Auch die Notierungen der Anleihen schwanken wesentlich stärker. Wer die Rentenpapiere nicht bis zum Ende der Fälligkeit halten kann und vorzeitig verkaufen will, dem drohen hohe Kursverluste, sollten inzwischen die Zinsen am Markt für Unternehmensanleihen geklettert sein. „Das Zinsänderungsrisiko ist immens. Bei einem allgemeinen Zinsanstieg von einem Prozentpunkt, erleidet ein Anleger einmalig 15 Prozent Kursverlust“, rechnet Burkert vor. „Dreißigjährige lohnen sich daher nur für Anleger, die sich über die gesamte Laufzeit binden können.“
Dann können die Langläufer für Privatanleger eine ideale Ergänzung für die Altersvorsorge sein. „Welche Lebensversicherung zahlt deutlich mehr als fünf Prozent?“, fragt Burkert. Bei den neuen Unternehmensanleihen bekämen die Anleger - ausgenommen vom Pleite-Fall - jedes Jahr fast acht Prozent Rendite.
Doch auch für risikofreudigere kurzfristig orientierte Privatanleger könnten die Newcomer ein Blick wert sein. Sollte sich durch eine anziehende Konjunktur die Bonität der Telekom-Unternehmen wieder erhöhen, würden sich die jetzt noch immensen Rendite-Abstände zu Staatsanleihen einengen und damit die Kurse kräftig in die Höhe schießen. Burkert: „Alles in allem spricht einiges dafür, dass die neuen Dreißigjährigen keine Eintagsfliege sind.“
Artikel erschienen am 21. Jan 2003
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