- FTD: Frankreich hebelt Stabilitätspakt aus - Tempranillo, 22.01.2003, 11:28
- Frankreich war mir schon immer sympathisch... - Zardoz, 22.01.2003, 11:44
- Re: Frankreich war mir schon immer sympathisch... - Euklid, 22.01.2003, 12:18
- Re: Deutsche und französische Ehrlickeit - Tempranillo, 22.01.2003, 14:13
- Re: Mir auch, aber mehr noch ohne Euro und EU (owT) - Tempranillo, 22.01.2003, 13:40
- Re: Frankreich war mir schon immer sympathisch... - Euklid, 22.01.2003, 12:18
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FTD: Frankreich hebelt Stabilitätspakt aus
-->Wann endlich brennt die Hütte? Das ist doch nicht mehr auszuhalten, weil alles so kommt, wie seit Jahr und Tag von den Euroskeptikern beschrieben, die sich dafür auch noch als D-Mark-Nationalisten, Populisten, sprich als latent faschistisch und Ewig-Gestrige verunglimpfen lassen mussten.
Aus der FTD vom 22.1.2003
Frankreich hebelt den Stabilitätspakt aus
Von Claus Hulverscheidt und Florian Güßgen, Brüssel
Die übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) haben die Haushaltspolitik Frankreichs scharf kritisiert und dem Partnerland vorgeworfen, die Stabilität des Euro zu gefährden. Paris hält derzeit nichts von Ausgabekürzungen.
Bei einem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel hieß es am Dienstag, Frankreichs Weigerung, die vereinbarten Ziele zur Budgetkonsolidierung und zum Defizitabbau einzuhalten, sei"schädlich" für den Euro und die gesamte Union. Der Pariser Ressortchef Francis Mer hatte zuvor deutlich gemacht, dass er sich an frühere Zusagen seines Landes nicht mehr gebunden fühlt. Er wird nun einen blauen Brief aus Brüssel erhalten.
Mit ihrem Vorgehen hebelt die Regierung unter Präsident Jacques Chirac und Premierminister Jean-Pierre Raffarin den in Frankreich seit jeher unbeliebten EU-Stabilitätspakt faktisch aus. Er verpflichtet die Euro-Länder dazu, so bald wie möglich auf Kredite zur Haushaltsfinanzierung zu verzichten. Dies soll die Stabilität des Euro gewährleisten. Bislang galt die Vorgabe, dass alle EU-Länder ihre gesamtstaatlichen Haushalte bis spätestens zum Jahr 2006"nahezu" ausgleichen müssen.
Undiplomatische Reaktionen
Während Bundesfinanzminister Hans Eichel in Brüssel trotz schwieriger Haushaltslage entsprechende frühere Zusagen bekräftigte, erklärte Mer, dies sei für Frankreich"unmöglich". EU-Finanzkommissar Pedro Solbes sagte daraufhin, Paris könne"nicht einfach ignorieren, dass wir im Zuge der Einführung unserer gemeinsamen Währung alle miteinander bestimmte Verpflichtungen eingegangen sind". Es sei die Pflicht der Regierung Raffarin,"ihren Beitrag zur Beibehaltung und zur Stärkung des Vertrauens in den Euro zu leisten". Der österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser sagte, er habe erhebliche Zweifel daran, dass Frankreich noch zu den Zielen des Stabilitätspakts stehe.
Die auffallend undiplomatischen Reaktionen auf das Verhalten Frankreichs machen deutlich, wie sehr sich das Land innerhalb der Europäischen Union ins Abseits manövriert hat. 14 der 15 EU-Staaten stimmten im Finanzministerrat dafür, erstmals in der über vierjährigen Geschichte der Währungsunion eine"Frühwarnung" gegen ein Mitgliedsland auszusprechen. Mer enthielt sich.
Der Minister erklärte, er sei"einer der leidenschaftlichsten Verfechter des Stabilitätspakts", sehe sich derzeit aber nicht in der Lage, die darin vereinbarten Schritte zur Haushaltskonsolidierung fristgerecht umzusetzen."Wenn man die wirtschaftliche Situation betrachtet, dann ist dies nicht der Moment, um über Ausgabenkürzungen Bedingungen herbeizuführen, die die Konjunktur abwürgen", sagte er."Das Datum 2006 ist mit unserem Wachstumsprogramm schlicht nicht vereinbar."
Eichel übt Zurückhaltung
Frankreich war mit einem Haushaltsdefizit von 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bereits 2002 nur knapp unter der vereinbarten Obergrenze von drei Prozent geblieben. Auch in den kommenden Jahren soll die Neuverschuldung nur in kleinen Schritten sinken - 2003 auf 2,6, bis 2006 auf ein Prozent. Zudem hält Paris an den angekündigten Steuersenkungen fest, die mindestens vorübergehend zu Einnahmeausfällen und damit zu einem höhren Defizit führen werden. Mer betonte, es bestehe in Europa Einvernehmen darüber, dass die Verschuldung reduziert werden müsse. Es sei jedoch wie bei einem Radrennen, bei dem die Verfolger Deutschland und Frankreich die Spitzengruppe einholen müssten. Dabei habe jeder"seinen eigenen Rhythmus, um auf den Gipfel zu gelangen". Was zähle, sei die Richtung und nicht die"symbolische Zahl" von drei Prozent.
Mers EU-Amtskollegen mochten sich diesen Ausführungen nicht anschließen und übten - teils hinter verschlossenen Türen, teils vor laufenden Kameras - Kritik. Eichel dagegen wollte sich am Vorabend der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags zu keiner negativen Äußerung hinreißen lassen. Er sagte lediglich, jeder, der sich bei der ersten Abstimmung enthalten habe, werde noch Gelegenheit bekommen,"sich beim nächsten Mal der Meinung der Mehrheit anzuschließen".
Mer hatte im Vorfeld des Brüsseler Treffens versucht, die ebenfalls unter Druck stehende Bundesregierung für die Position Frankreichs zu gewinnen. Eichel lehnte jedoch ab: Angesichts der laufenden Haushaltsberatungen in Berlin kommt dem Minister der Spardruck aus Brüssel gerade recht. Er verwies allerdings auch darauf, dass die EU Deutschland bei einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums nicht zu zusätzlichem Sparen verpflichtet habe.

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