- @dottore - Irak und Deutschland - Turon, 23.01.2003, 13:05
- Re: @dottore - Irak und Deutschland - dottore, 23.01.2003, 15:00
Re: @dottore - Irak und Deutschland
-->Lieber Turon,
besten Dank für die ausführliche Replik. Vielleicht einige Gedanken dazu:
>Die wirtschaftliche Bedeutung des möglichen Irakkrieges ist unverkennbar.
>Zu Deinen Ausführungen möchte ich noch hinzufügen, daß USA demnächst die alleinige Herrschaft über die Ã-lfelder Iraks anstrebt - damit wären doch durchaus die europäischen Querköpfe Deutschland und Frankreich ohnehin Zahler.
Wenn es so wäre, dann konnte das Vorgehen Schröders nicht im Interesse Deutschlands gewesen sein.
Nehmen wir noch dazu, dass die britischen Großkonzerne BP und Royal Dutch / Shell (die Niederländer verhalten sich auffallend still, kann aber durchaus mit den Wahlen zu tun gehabt haben, im Wahlkampf, soweit mir bekannt, keine Irak-Thematisierung) mit am Siegertisch säßen, dann würde es im worst case für Deutschland nicht konfortabel: Frankreich kann sich immer noch mit Algerien arrangieren und den frankophonen Ã-l-Staaten, Deutschland müsste sich dann dringend mit Russland arrangieren, um nicht gänzlich ins Abseits zu geraten. Dabei säße (Energielieferungen, wir selbst haben abschaltbereit KKWs und 14.000 Windräder - außerhalb jeglicher Kostenrechnung - und etwas teure Kohle, die pro Kumpel und Jahr mit ca. 30.000 € subventioniert wird!), dabei säße Deutschland also nicht auf einem Spitzenplatz.
(...Kwasniewski...)
>Das hat zwar keine Bedeutung - dennoch denkt man in weiten Teilen Polens
>ähnlich wie in Deutschland.
Es geht, glaube ich, weniger um das, was gedacht, sondern um das was und vor allem wie ausgesprochen wird. Ein Bruch Polen/USA erscheint mir äußerst unwahrscheinlich, allerdings weiß ich nicht, was Kwasniewski und Bush vor kurzem in Washington besprochen haben. Höchst unschön wäre für Deutschland die Konstellation: Polen in der EU und das mit billigeren Arbeitskräften und billigerer Energie als Deutschland.
(...)
>Sehr gut: dann tippe ich eher auf teueres Ã-l - es geht um Umsätze in Dollar -
>und wie um Himmels Willen sollen höhere Dollarumsätze zu Stande kommen, wenn er
>plötzlich 5 Dollar/Barrel kostet?
Die Umsätze in Ã-l sind de facto US-Binnenumsätze. Da im Irak zu 0,5 $ das Fass gefördert werden kann, würde die Kostensenkung durchaus mit einer hohen Profitabilität vereinbar sein. Wichtiger als der Erlös ist der Ertrag.
>Die deutsche Bundesregierung erkennt zwei Sachen sehr gut: wenn der Krieg vorbei ist, kriegen Europäer Erdölengpässe - und müssen mit Rußland koalieren - ein weiterer Angriffspunkt für US-Außenpolitik, die Beziehungen mit Europa abkühlen zu lassen.
Russland kann bei dem Ganzen kaum verlieren.
>Obendrein kann man davon ausgehen, daß der Boom der alternativen Energien den Euro noch weiter erhärten wird.
Die alternativen Energien rechnen sich (noch?) nicht. Bevor wir an den Euro denken, sollten wir vielleicht an die kommenden Steuerbelastungen denken, falls Deutschland komplett auf alternative Energien umsteigen müsste.
>Man wird also die
>frischgedruckten Dollarblüten nach Europa transferieren. Amerikaner kennen diplomatisch eben auch nichts bis eigenes Versagen in der Welt zu zerstreuen. Obendrein setzen sie doch selbst ganz klar auf Konfrontation - das kann Deinen
>wachen Augen doch gar nicht entgangen sein - auf die Art und Weise kann man eben vor amerikanischen Volk in Zukunft rechtfertigen, daß man aufgrund der Sicherheit mehr Waffen bauen muß.
Dass alles in Richtung Konfrontation treibt, ist unübersehbar, selbst für mich. Die Frage ist nur, ob man bis zur Konfrontation denkt oder noch darüber hinaus. Ich habe Zweifel, ob die Anti-USA-Allianz (falls sie denn zustande käme und auch trüge) mit den sich dann post festum ergebenden Konsequenzen gut genug bedacht war.
Für mich sieht es nach wie vor so aus, dass Herr Schröder aus wahltaktischen Gründen gehandelt hat und handelt und nicht aufgrund einer sorgsam überlegten Strategie. Wenn sich deutsche Politik etwas sehr genau überlegen muss, dann die Frage, ob man zu den USA auf Konfrontation gehen soll.
So etwas kann man natürlich machen, aber es auf diese Art und Weise (Landtagswahlkampf!) endgültig und schon fast unumkehrbar zu machen, verleiht dem Ganzen einen Haut Gout. Wir haben es bei Herrn Schröder nicht mit einem altbewährten und berechenbaren Moralisten à la Ströbele zu tun, sondern mit einem klassischen Machtmenschen, der nach hoch verlorenen Wahlen in Niedersachsen und Hessen politisch an der Wand stünde.
(...)
>Für mich bedeutet es logischerweise nur eins: selbst wenn Europa mit USA Seite an Seite den Saddam bekämpft, wird USA etwaige wirtschaftliche Vereinbarung mit Europa - als direkte Folge des Sieges in Irak - für eigene Zwecke so zurechtschneiden, daß Europa leer ausgeht. Wie es in übrigen schon einmal der Fall war. Europäische Mineralölkonzerne haben in jedem Fall den Wettbewerb
>um OPEC Ã-l bereits in Südeuropa verloren, und im Irak werden sie es genauso
>tun.
Dagegen spricht die britische Haltung eine klare Sprache, siehe bitte oben.
(...)
>Das Ziel heutiger Politik USA ist keineswegs etwa Frieden zu stiften, und schon gar nicht die freundschaftliche Linie mit der EU
>aufrechtzuerhalten. Ganz im Gegenteil. USA weiß ganz genau, daß derzeitiger Pakt
>für USA nur Nachteile und faule Kompromisse bedeutet. Das Ziel ist eindeutig
>Abkühlung und letztendlich Ausstieg aus der NATO. Es soll möglichst so erfolgen, daß Europa dann ins wirtschaftliche Chaos verfehlt oder zumindest weltweite Bedeutungslosigkeit.
Das ist gut möglich. Nur ist dann den europäischen Nationalstaaten jedem das Hemd näher als der Rock. Ein"Europa" in dem Sinne, dass dann alle gemeinsam ihr trauriges Brot kauen und ins Elend fallen, gibt es nicht. Bavor das eintritt, würden EU, Euro usw. platzen.
>Ich begrüße daher eindeutig die klare Meinung Deutschlands und Frankreichs
>zu dem Krieg in Irak - mehr Schaden kann man von heutigen Standpunkt aus den Amerikanern nicht antun - man stellt sie weltweit als Agressoren dar.
Schon, schon. Nur bleibt die Frage: Was hat Deutschland davon?
>Das von Dir besagte Euro bei 1,5 Dollar wird man nämlich so oder so
>anstreben - für USA geht das doch gar nicht anders. USA kann sich damit wirtschaftlich länger über Wasser halten, in dem man unsere Wirtschaft
>wettbewerbsmäßig zu Grunde richtet.
Ein wirtschaftlich brechendes Amerika würde uns ohnehin nichts Gutes verheißen.
(...)
>Wird Europa mit in den Irakkrieg ziehen, wird sie zu Agressorallianz gehören
>obendrein wird sie einen hohen Anteil der Kriegskosten zu berappen haben.
Sind die Kosten wirklich so genau gegeneinander abgewogen worden? Ich kann es mir kaum vorstellen.
(...)
>Ich finde daher: es gibt nichts mehr was Europa und USA wieder auf gemeinsamen Nenner bringen kann. Läßt Europa zu, mit eigenen Ja zu daß Amerikaner in Irak einmarschieren, verliert sie. Der einzige Sieg Europa dagegen ist: man erreicht, daß sich USA aus Kriegsträumen verabschiedet.
Nochmals: ich sehe nicht, dass es dieses"Europa" gibt. Im Fall der Krise ist sich jeder selbst der nächste.
Gruß!

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