- Strategiespiele - rocca, 24.01.2003, 18:35
- Re: Strategiespiele - Willkommen! - susi, 24.01.2003, 19:52
- Re: Strategiespiele - Baldur der Ketzer, 24.01.2003, 20:23
- Re: Was wir den USA so alles verdanken - Tempranillo, 24.01.2003, 21:16
- .... auch unterschreiben würd.... (owT) - Praxedis, 25.01.2003, 05:13
- Kann ich unterschreiben - welcome rocca. (owT) - Zardoz, 25.01.2003, 00:01
- @Rocca - für ein 1-Finger-System aber ein ganz schön langer Text!!!! owT - Toby0909, 25.01.2003, 09:16
Strategiespiele
-->Hi,
ich bin jemand der seit langer Zeit hier mitliest, manchmal das Bedürfnis hatte mitzudiskutieren, mich allerdings immer wieder zurücknehmen konnte. Ich habe auch nicht das Bedürfnis mich täglich zu melden da mein 1 Finger System dafür einfach nicht ausgelegt ist. Ich möchte mal eine neue Sicht in das Hauptthema der letzten Zeit bringen.
Strategiespiele
Meldung:
Frankreich und Russland müssen sich einem US-Senator zufolge an einem Angriff auf Irak beteiligen, wenn sie von irakischem Ã-l profitieren wollen. Paris und Moskau müssten sich sowohl"an den militärischen Anstrengungen" als auch an den Kosten beteiligen, die zu einem Machtwechsel in Bagdad nötig seien, sagte ein Sprecher des republikanischen Senators Richard Lugar am Donnerstag in Washington. Nur dann könnten sie Zugang zu irakischem Ã-l und entsprechenden"Konzessionen" bekommen. Die US-Regierung wolle vor einem möglichen Krieg im übrigen"so viele Verbündete wie möglich" um sich scharen, betonte der Sprecher. Aber wenn es nötig sei, könne Washington auch alleine gegen Irak vorgehen.
Dies ist eines der krassesten Beispiele dafür dass alle Welt davon ausgeht dass es den USA in Wirklichkeit nicht um die Beseitigung eines Drohpotentials, sondern um das irakische Ã-l geht.
Den Strategen im Pentagon wird´s wohl recht sein.
Sunzi sagt:
Die Kunst des Krieges ist für den Staat von entscheidender Bedeutung. Sie ist eine
Angelegenheit von Leben und Tod, eine Straße, die zur Sicherheit oder in den Untergang führt. Deshalb darf sie unter keinen Umständen vernachlässigt werden.
Und weiter:
Das höchste Ziel bei allen taktischen Entscheidungen muß sein, sie geheimzuhalten; halte deine Entscheidungen geheim, und du bist sicher vor den Augen der geschicktesten Spione und vor den Ränken der klügsten Köpfe.
Was viele nicht verstehen, ist, wie der Sieg mit Hilfe der Taktik des Feindes selbst errungen werden kann.
Alle Menschen können die einzelnen Taktiken sehen, die eine Eroberung möglich machen, doch fast niemand kann die Strategie sehen, aus welcher der Gesamtsieg erwächst.
Und noch:
Deine Pläne sollen dunkel und undurchdringlich sein wie die Nacht, und wenn du dich
bewegst, dann stürze herab wie ein Blitzschlag. Wenn du ein Land plünderst, dann lasse die
Beute unter deinen Männern verteilen; wenn du neues Land besetzt, dann teile es in Parzellen
und gib sie deinen Soldaten.
Überlege jede Bewegung ganz genau. Siegen wird, wer den Kunstgriff der Täuschung
beherrscht. Dies ist die Kunst des Manövrierens.
Was bedeuted das?
Fangen wir mal bei dem kleinsten Nenner an:
Deutschland
1. Es ist oft beschrieben worden dass Deutschland zwar ein wirtschaftlicher Riese, aber ein politischer Zwerg ist. Warum?
a. Fischer irrt (wie gewöhnlich) wenn er in Entgegnung zu Rum(m)sfelds Aüsserungen dagegen hält dass die europäischen Staaten älter (und deshalb auch klüger?) sind als die USA. Das gilt zwar für fast alle europäischen Staaten, aber wie ein Blick in die Geschichtsbücher erkennen lässt nicht für Deutschland!
b. Im Grunde genommen hat es eine nahtlose einheitliche deutsche nationale Politik seit Gründung des deutschen Reichs nie gegeben. (auch und gerade nicht in den in vielen Köpfen reduzierten deutsche Vergangenheit von sagenhaften 12 Jahren der Nazis)
c. Heute gibt es schon gar keine (was eigentlich selbstverständlich sein sollte) deutsche oder nationale Politik. (Gibt es noch Deutsche oder nur noch Mitteleuropäer?) Heute gibt es eine sogenannte EUROPÄISCHE (Union und FDP) und eine SOZIALISTISCHE und eine GRÜNE Interessenpolitik. Dabei wird von diesen Interessengruppen (mehr ist da nicht) gerne übersehen dass ein innenpolitisch nur durch Wohlstand zusammengehaltenes, aussenpolitisch amateurhaft lavierendes, und keine auch nur in Ansätzen nationale Politik vertretendes und verteidigungspolitisch schwaches Land über kurz oder lang seine gerade wiedergewonnene Einheit gefährdet. (für die Populisten: national hat nichts mit rechts, rechtsradikal oder nazistisch zu tun)
2. Frankreich:
a. In Frankreich ist das politische Spektrum durchaus nicht kleiner, sondern erheblich grösser und auch radikaler als in Deutschland, von den linksradikalen Kommunisten bis zum rechtsradikalen Le Pen. Hier gilt allerdings: Diese Leute haben zwar weit auseinander liegende Interessen, aber alle sind sie in erster Linie Franzosen!
b. Frankreich ist nun wirklich ein alter und auch sehr zentralistischer Nationalstaat. Hier werden die nationalen Interessen Frankreichs ausgelotet und im Rahmen der Möglichkeiten durchgesetzt. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren dass der Schulterschluss zwischen Frankreich und Deutschland hauptsächlich dadurch zustande gekommen ist weil die französischen Interessen im Irak bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Bei einer neuen, besseren Ausgangslage für Frankreich wird es zwar nicht radikal, aber doch merklich von seiner jetzigen Position abrücken und die deutschen Herren der Ringe Schröder und Fischer im Regen und in Erklärungsnot stehen lassen!
c. Frankreich hat im Gegensatz zu Deutschland nicht nur nationale und europäische, sondern im Rahmen seiner Möglichkeiten geostrategische Interessen. Für Frankreich könnte die unsägliche Strucksche Aussage über die Interessen am Hindukusch zutreffen wenn es denn in dieser Gegend wirklich Intressen für sie gäbe.
3. UK
a. GB hat, wenn man es nüchtern analysiert, gar keine andere Möglichkeit als den Vorgaben aus den USA zu folgen, zumal die Interessen sich ergänzen und sie absolut vom Wohlwollen der USA abhängen, wollen sie im Rest ihres ehemaligen Empires noch eine gewisse Rolle spielen. Die Royals machen sich zwar in den Gazetten und im TV noch ganz gut und geben auch eine gute Show, aber bei nüchterner Betrachtung ist der Glanz doch arg verblasst.
b. Auch hier gilt, es ist eine alte Nation, die immer und ohne Bedenken der humanen Situation ihre nationalen Interessen mit allen Mitteln durchgesetzt hat. Man sollte sich nicht täuschen: Keine Nation hat den 2. Weltkrieg so schwer bezahlt wie UK. Sie haben zwar den Kriege mit gewonnen, dafür aber das bis dahin grösste bestehende Imperium nach und nach verloren. Von einer Weltmacht sind sie zu einer mittleren Grossmacht geschrumpft. Heute sind sie nicht mehr in der Lage ihre Interessen ohne logistische und militärische Hilfe der USA durchzusetzen wie schon solch ein kleiner regionaler Konflikt wie der Falklandkrieg für den aufmerksamen Beobachter gezeigt hat.
c. GB wird sich jedoch über kurz oder lang entscheiden müssen ob sie eine gewichtige Rolle in Europa spielen, oder als Möchtegern Grossmacht ihre weltweiten Interessen von Gnaden der USA weiterhin abhängig machen wollen. Hier steht ein Interessenkonflikt an über dessen Ausgang spekuliert werden darf.
4. USA
a. Dass die USA die einzige (es liegt in der Sache dass es immer nur eine einzige geben kann) Weltmacht sind ist zur Genüge diskutiert worden. Nicht ganz verständlich ist der abgrundtiefe Hass auf die USA! Es gibt meines Wissens kein Imperium das die eroberten oder besetzten Gebiete jemals so human behandelt hat wie gerade die USA! Wenn ein Mindestmass der Interessen der USA gewahrt wird konnte bisher jedes Land die ihm adäquate Regierungsform, egal ob Demokratie oder Diktatur, im gewissen Rahmen wählen. Das unterscheidet sie ganz erheblich von den vergangenen oder den roten Imperien. Mich würde mal interessieren wie sich die USA-Hasser unter einem roten, chinesischen, fundamental christlich- oder islamischen Imperium fühlen würden. (wenn dann überhaupt noch eigene Meinungsäusserung möglich wäre)
b. Die Herren der Ringe hier in Berlin haben vor lauter persönlichen Eitelkeiten und wahltaktischen Gründen (wie bekannt will der eine gerne Kommissionspräsident werden und dem anderen ist der Job wohl zu stressig) die Interessen und das Wohl ihres Landes völlig aus den Augen verloren, obwohl das bei diesen „Herren“ noch nie oberste Priorität hatte. Als Diplomaten völlig ungeeignet probieren sie den Zwergenaufstand in wilhelminischer Manier und bekommen von grossen Teilen der erbärmlich kurzsichtigen und gefühlsbetonten Wählerschaft frenetischen Beifall. Leider ist es so dass z. Zt. Weder hier noch jenseits des Atlantiks diplomatische Tugenden gefragt sind sondern die Rumsköpfe den Ton angeben.
c. Ein paar Gedankenspiele von mir: Wer jemals einen Atlas zur Hand genommen hat und über die Töne aus Washington sinniert hat, dem kann eines nicht verborgen geblieben sein: der Irak ist ein wichtiger, wenn auch nicht der wichtigste Teil der strategischen Planung des Imperiums. Er dient dazu das eigentliche Ziel, den Iran in die Zange zu nehmen! Wer Iran besitzt beherrscht komplett den mittleren Osten, die ehemaligen südlichen Kolonien der UDSSR und die Südflanke Russlands! Bereits heute sind in Kirgistan, Usbekistan; Georgien usw. amerikanische Militärbasen oder zumindestens Militärberater anwesend. Ausserdem sind von hier aus z.B. die Kasachischen Olfelder zu beherrschen. Ist der Iran unter amerikanischen Einfluss ist der Südgürtel für Russland von Europa bis China geschlossen! Und da der Iran jetzt forciert mit Russlands Hilfe Atomkraftwerke baut, findet sich in Zukunft bestimmt ein Grund!
d. Der technologische und wirtschaftliche Vorsprung und die daraus resultierenden Recourcen der USA sind im Moment so gross dass sie es sich einfach erlauben können ihre Interessen durchzusetzen!
e. Vielfach wird (nicht nur in diesem Forum) den Amis vorgeworfen sie wären ein bisschen doof. Andererseits wird kolportiert sie hätten die Deutschen in beide Weltkriege getrieben um als Weltmacht aufzusteigen. Wat denn nu? Doof oder glänzende Strategen?
Was für eine Konsequenz hat das für Deutschland?
Wie hat ein Herr Putin vor kurzem bemerkt? Deutschland ist kein ernsthafter Gegner! Sollte der Druck an der Südflanke zu stark werden ist womöglich anderswo ein Druckausgleich vorgesehen?
Das Dutzend ist voll! Allmählich sollte die Abrüstungseuphorie nach der Wiedervereinigung verflogen sein. Die Amerikaner haben schon längst angemahnt dass wir unsere Streitkräfte modernisieren und effektiver organisieren sollen. Wo ein machtpolitisches oder militärisches Vakuum ist wird es über lang oder kurz beseitigt! Es ist eine unbedingte Notwendigkeit die Verteidigungskraft so weit zu stärken dass es sich jeder Angreifer genau überlegen muss ob er ein solches Risiko eingeht. Auf absehbare Zeit sind wir schlicht und einfach darauf angewiesen ein gutes Verhältnis zu Amerika zu pflegen. Zum Glück besteht Amerika nicht nur aus Bush und Rummsfeld. Und Deutschland nicht nur aus den Herren der Ringe! Dies jetzige Verhalten der Politgarde wurde mal zutreffend als Hahnrei bezeichnet!
WGR

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