- Sharon und Hitler - R.Deutsch, 26.01.2003, 11:10
Sharon und Hitler
-->Staat als Kriegsmaschine
Abraham Melzer
Anmerkungen zur Politik von Ariel Sharon
Sharon interessiert sich nicht für den Staat, versteht nichts vom Staat und hält nichts vom Staat. Sharon war sein Leben lang ein Militarist, ein Soldat, der im Staat nur eine Kriegsmaschine sieht.
Der Staatsgedanke ist viel älter als der nationale Gedanke; und Staaten sind nicht in erster Linie zum Kriegführen da, auch wenn es auf dem ersten Blick in die Geschichte, vermeintlich so aussieht. Im Gegenteil, Staaten sind zur Bewahrung und Sicherung des äußeren wie des inneren Friedens ihrer Bewohner da, ob diese nun völkisch homogen sind oder nicht; sie sind Ordnungssysteme. Der Krieg ist in der Geschichte von Staaten nur ein Ausnahmezustand und ein Staatsnotstand, auch wenn es zuweilen so aussieht, als ob die Geschichte ausschließlich aus Kriegen besteht.
Der Marxismus behauptet, dass die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen ist, also Kriege zwischen Reiche und Arme; in seinem „Mein Kampf“ spricht Hitler davon, dass Geschichte nur das Selbsterhaltungstrieb der Völker und Rassen ist und demnach nur aus Auseinandersetzungen zwischen diesen besteht. In der Geschichte der Menschheit hat es aber sowohl Klassenkämpfe wie auch Rassenkämpfe gegeben, viel häufiger aber gab es Kämpfe zwischen Staaten, Völkern, Religionen, Ideologien, Dynastien, Parteien, Stämme und Städte; es gibt wahrscheinlich überhaupt keine Menschengemeinschaft, die niemals in Konflikt mit einer anderen geraten kann - und irgendwann und irgendwo auch geraten ist.
Aber die Geschichte besteht nicht nur aus Kämpfen, im Gegenteil; Völker und Rassen, Klassen und Parteien, haben weit längere Zeit in Frieden miteinander gelebt, als im Krieg. Und eines der wichtigsten Mittel, mit denen sie das geschafft hat, ist der Staat, der eigentlich ein Ordnungsorgan ist, um Notstand und Ausnahmezustand zu vermeiden.
Israel freilich lebt schon seit seiner Gründung, seit 54 Jahren, in einem solchen Ausnahmezustand und Staatsnotstand.
Um mit solchen Ausnahme - und Notständen fertig zu werden, und um in Frieden leben zu können, haben die Staaten ihr Gewaltmonopol, ihr Militär und ihre Polizei. Armeen sind demnach eigentlich nicht dazu da, mit wenigen Ausnahmen, um einem Volk auf Kosten anderer Völker „Lebensraum“ zu erobern, oder um Herrschaft über ein anderes Volk zu gewinnen, sondern um für Sicherheit und Frieden des eigenen Volkes zu sorgen.
Um Lebensraum wurde in Europa zuletzt vor 1500 Jahren gekämpft, zur Zeit der Völkerwanderung. Alle weiteren europäischen Kriege seitdem, waren Kriege um Macht und Grenzen. Napoeleon, der vor 200 Jahren seine Herrschaft über Europa aufrichten wollte, ist damit kläglich gescheitert. Die Eroberung des amerikanischen Lebensraumes im 19ten Jahrhundert durch die weißen Europäer, war noch der letzte Akt von „Kampf um Lebensraum“, der vom Staat und seiner Armee unterstützt wurde, und es wurden dabei fast alle indianischen Stämme vernichtet und ausgerottet. Heute freilich, nach mehr als 150 Jahren, sind die weißen Amerikaner bereit und in der Lage anzuerkennen, dass es sich um ein Völkermord und um ein Verbrechen handelte. Was aber vor 150 Jahren in der Neuen Welt noch möglich war, ist in der alten Welt von heute nicht mehr möglich und der letzte, der es versucht hat, Adolf Hitler, hat sich dabei selbst verbrannt, im wahrsten Sinne des Wortes; Hitlers Versuch einer Eroberung von Lebensraum hat sich für Deutschland furchtbar ausgewirkt. Vertreibung, wie die der Deutschen aus ihren früheren Ostgebieten, war genau das, was Hitler als Sinn und Zweck seines Krieges immer gepredigt und im eroberten Polen auch schon zu praktizieren angefangen hatte.
Wie für Hitler, so ist auch für Sharon der Ausnahmezustand des Staates die Norm. Der Staat ist für den Krieg da. Und es ist kein Krieg zweier Staaten gegen einander, sondern eines höheren Volkes gegen ein minderwertiges Volk, ein Krieg von Herrenmenschen gegen Untermenschen. Und es geht nicht nur um Lebensraum, sondern auch um das Überleben der völkischen Gemeinschaft, des Volkes. Auch den Ultrarechten um Sharon geht es um das Überleben des jüdischen Volkes. Aber genauso wie Hitler, ist auch Sharon im Irrtum. Und genauso wie Hitler wird er es noch bitter erfahren und wenn nicht er, dann seine Nachkommen.
In der Staatenwelt, wie sie ist, werden Kriege immer für einen Frieden geführt; Verteidigungskriege sowieso, aber auch Angriffskriege, sofern sie überhaupt einen Sinn haben sollen. So gesehen war der Angriffskrieg der Israelis, im Jahre 1967, eigentlich ein Verteidigungskrieg, der aber nie beendet worden ist. Die Angriffskriege Hitlers und der, der Japaner - in beiden Fällen ging es um Herrschaft und Lebensraum - waren sinnlos und von vornherein zum Scheitern verurteilt. Jeder Krieg endet mit einem Friedensvertrag und einem neuen Friedenszustand, der meistens viel länger dauert als der vorangegangene Kriegszustand. Krieg war immer und ist und bleibt: Ausnahmezustand. Wenn der Krieg zu Ende gekommen ist, muss Friede geschlossen werden, sonst hat der Krieg keinen Sinn gehabt. Dass Sharon (und die Israelis) das nicht sieht, nicht sehen will, oder vielleicht auch nicht sehen kann, führte immer wieder zu verhängnisvollen Fehlern.
Für Sharon und der israelischen Militärkaste sind Kriege immer nur Verteidigungskriege, mit dem Ziel der Gewinnung von Lebensraum und Sicherheit für Israel und der dauernden Unterwerfung (oder Vernichtung) der Besiegten.
Das ist allerdings eine im Grunde irrtümliche, dumme und verhängnisvolle Konzeption. Es lohnt sich nämlich im zwanzigsten Jahrhundert gar nicht mehr, um Lebensraum zu kämpfen. Schon lange wird Wohlstand, Macht und Sicherheit eines Volkes nicht mehr am Umfang des von ihm bewohnten und beackerten Areals gemessen. Die industrielle Revolution des 19ten und 20ten Jahrhunderts haben bei solchen Menschen wie Sharon scheinbar keine Spuren hinterlassen, es sei denn das Wissen um die fortschrittliche militärische Technologie. Wohlstand und Macht hängen heute, im 21sten Jahrhundert, nur noch vom Stand der Technologie. Für diese ist aber die Größe des Lebensraums belanglos. Einige der reichsten und sichersten Staaten der Welt sind winzig klein.
Mit dieser „Blut und Boden“ Ideologie und Lebensraumtheorie leben die Israelis noch ganz und gar im vorindustriellen Zeitalter. Sie haben die Ghettos des 19ten Jahrhunderts zwar längst verlassen, aber das 19te Jahrhundert und die Ghettos sind immer noch in ihrem Kopf.
Der Glaube, dass die Westbank als Sicherheitsgürtel für Israel notwendig ist, stammt noch aus Strategien des vorletzten Jahrhunderts. Selbst die konservativsten Militärs in Israel geben inzwischen zu, dass dies Unsinn ist, angesichts von Scudraketen und einer fortschrittlichen technologischen Industrie, über die Israel verfügt. Schon vor 10 Jahren standen Likudwissenschaftler auf und wiesen auf den ungeheuren Unsinn, der in dieser Landeroberungs-Politik liegt, die alle Ressourcen des Landes verbraucht, und das Land aber immer tiefer in den Schlamasel führt. Schon damals wurde das Beispiel Singapur genannt.
Was einmal als Witz gedacht war, ist heute erdrückende und gefährliche Wirklichkeit geworden. Israel sei nicht ein Staat, der eine Armee hat, sondern eine Armee, die einen Staat hat. Das spürt man in sämtlichen Lebensbereichen des Staates, in denen die Armee das Sagen hat, entweder direkt, oder dadurch, dass diese Bereiche von ehemaligen Generäle geführt werden. Und bei dem riesigen Ausstoß an Generälen wird es bald keinen zivilen, privaten und öffentlichen Bereich geben, der nicht von der Armee beeinflusst ist, direkt oder indirekt.
Das militärische Denken wird in Israel schon in der Schule gelehrt und die meisten Jugendlichen sind schon in ihrer Schulzeit in Paramilitärischen Organisationen erfasst. Das höchste Ansehen in der israelischen Gesellschaft genießen nicht Künstler, Wissenschaftler oder erfolgreiche Manager, und schon gar nicht Rabbiner oder Politiker, sondern erfolgreiche Generäle, wobei die Erfolge auch bescheiden sein dürfen: Hauptsache man hat zwei, drei Sterne auf der Schulter oder eine Visitenkarte auf der „General a.D.“ steht. Das führt zu einer Arroganz der Macht, zu einer durch und durch von der Macht der Panzer und Kanonen verblendete Gesellschaft, deren Verwerflichkeit nicht nur darin besteht, dass sie ein anderes Volk beherrscht und schamlos unterdrückt, sondern vielmehr darin, dass man sich nichts dabei denkt und es weder für falsch noch für unmoralisch betrachtet. Die Unterdrückung eines anderen Volkes ist kein Thema für die israelische Gesellschaft, es sei denn, es geht um ihre eigene Sicherheit. Man hat kein schlechtes Gewissen, keine Scham und keine Reue. Und man ist eher bereit seine Sicherheit blindlings dem Militär anzuvertrauen, als einer vernünftigen Politik, die freilich nicht in Sicht ist. Und jeder verzweifelte Akt des Widerstandes seitens des unterdrückten Volkes, stärkt die Israelis in ihrem Hass und ihrer Verachtung und in ihrem Glauben, sie seien im Recht, weil sie die Opfer sind. Israelische Opfer haben immer Vornamen und Nachnamen und eine vollständige Lebensgeschichte, welche die Zeitungen über Seiten beschreiben. Palästinensische Opfer sind für die Israelis nur als Zahlen in der Statistik erfasst, man kennt nicht ihre Namen und ihr Leben sowieso nicht.
So denken fast alle Israelis und es ist deshalb schwer zu unterscheiden zwischen fanatischen Nationalisten und anderen, weil selbst die liberalsten davon ausgehen, dass sie Opfer der Palästinenser sind und nicht umgekehrt. Zu welchen irrationalen und geradezu abenteuerlichen Auswüchsen das führt, hat uns vor wenigen Tagen Israels Staatspräsident Katzav demonstriert, als er in aller Naivität und festen Überzeugung davon sprach, dass der desolate, unsichere Zustand den Israelis von den Palästinensern „aufgezwungen“ wird.
Und weil sie alle sich so im Recht fühlen, können sie Kritik nicht verstehen und nicht ertragen und jeder, der sie zur Rede stellt wird kurz mit den immer wieder selben Stereotypen abgefertigt: Antizionist und Antisemit.
Es versteht sich von selbst, dass fast alles, was ich hier den Israelis vorwerfe, auch auf die Palästinenser passt. Auch sie sind noch in ihrem Denken im 19ten Jahrhundert verankert. Auch sie sollten sich ein Beispiel an Singapur nehmen, wo es auf kleinstem Raum eine blühende Wirtschaft gibt, die Wohlstand und Sicherheit den Bürgern bringt. Sie Palästinenser täten gut daran, wenn sie die „Blutrache“ Ideologie schnellstens verließen und endlich im 21ten Jahrhundert ankommen, wo man mit ganz anderen Mitteln um seine Freiheit und Unabhängigkeit kämpft und wo man auch ohne Land eine prosperierende Wirtschaft und Industrie aufbauen kann.
Die Golfstaaten sind auch ein Beispiel dafür, wie man auch ohne Industrie, nur durch Handel, reich werden und friedlich leben kann. Und das geflügelte Wort, das mir dort und in Jordanien immer wieder begegnet ist, war: Why are the Israelis so stupid, together we could eat the world.
<ul> ~ Quelle</ul>

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