- Der amerikanische Traum funktioniert - wenn auch nur für einen unter 1000.... - Koenigin, 29.01.2003, 22:50
- Das ist der Satz... - Zardoz, 30.01.2003, 00:34
- Re: Das ist der Satz... - rodex, 30.01.2003, 11:45
- Re: Das ist der Satz... - Euklid, 30.01.2003, 12:12
- Re: Das ist der Satz... - Cujo, 30.01.2003, 13:27
- Re: Das ist der Satz... - Euklid, 30.01.2003, 14:11
- Re: Das ist der Satz... - Cujo, 30.01.2003, 13:27
- Wenn das so ist... - Zardoz, 30.01.2003, 12:34
- Re: Wenn das so ist... - rodex, 30.01.2003, 13:20
- Re: Wenn das so ist... - Euklid, 30.01.2003, 14:08
- Nette Diskussion... ;-) - Zardoz, 30.01.2003, 14:24
- nur um mich mal wieder zu erinnern... - silvereagle, 30.01.2003, 14:26
- Re: nur um mich mal wieder zu erinnern... - rodex, 30.01.2003, 15:17
- Richtig! Die Reichen bestimmen dann,daß die Erbschaftssteuer abgeschafft wird! (owT) - Luigi, 30.01.2003, 15:25
- Re: Ich kann zwar nicht so akademisch formulieren, aber - Luigi, 30.01.2003, 15:17
- Re: nur um mich mal wieder zu erinnern... - rodex, 30.01.2003, 15:17
- Re: Wenn das so ist... - rodex, 30.01.2003, 13:20
- Re: Das ist der Satz... - Euklid, 30.01.2003, 12:12
- Re: Das ist der Satz... - rodex, 30.01.2003, 11:45
- Das ist der Satz... - Zardoz, 30.01.2003, 00:34
Der amerikanische Traum funktioniert - wenn auch nur für einen unter 1000....
-->Spielbergs neuer Streifen kriegt nicht nur hier gute Kritiken
Mit „Catch me if you can“ düst Steven Spielberg sorglos durch die Wolken amerikanischer Träume
von Hanns-Georg Rodek
„Dieser Film,“ scherzte Tom Hanks bei der Premiere von „Catch me if you can“ in Berlin, „wurde maßgeschneidert für das Neue Europa“ - und damit hatte er im Herzen von Rumsfelds Alt-Europa die Lacher auf seiner Seite, obwohl niemand so recht wusste, was gemeint war.
Jedenfalls handelt „Catch me“ durch und durch vom „Alten Amerika“, wo Leonardo DiCaprio als minderjähriger Hochstapler Frank Abagnale eine Pilotenuniform erschwindeln und jahrelang Freiflüge erschleichen kann. Heute wäre das eine Schnellfahrkarte nach Guantanamo Bay, in den arglosen Sechzigern landete Abagnale stattdessen mühelos als Arzt an einem Krankenhaus.
Heute schützen sich Kliniken mit allen Mitteln gegen falsche Doktores, kann doch ein einziger Kunstfehler sie ruinieren.
Steven Spielbergs sorglosester Film seit „Indiana Jones“ beweist, welch grandioser Schauspieler-Inszenator er sein kann, wenn ihn keine Spezialeffekte überwältigen; er beschwört ein Land herauf, in dem - so der Regisseur - „niemand seine Tür verschloss“, das Amerika, bevor es seine Unschuld verlor.
Nun datieren manche nämlichen Akt auf den 11. 9., was wohl zu spät angesetzt ist; die meisten nennen die Sechziger, und Scorseses „Gangs of New York“ siedelt den Bruch noch 100 Jahre früher an. „Catch me“ spielt explizit zwischen 1963 und 1969, scheint aber weder von Vietnam gehört zu haben noch von Rassenunruhen noch von toten Kennedys - denn das würde den beschwingten Grundton von „Fang mich doch“ stören (warum übersetzt eigentlich keiner mehr Filmtitel?).
Zwei Stunden lang spürt man den befreiten Atem Spielbergs; dies ist kein Herzblut (wie „Schindlers Liste“), keine Wiedergutmachung („Amistad“), keine Verbeugung vor einer Generation („Der Soldat James Ryan“), keine Zentner-Erblast („A.I.“) und keine düstere Prophezeiung („Minority Report“). „Catch me“ ist binnen zweier Monate an 140 (!) verschiedenen Drehorten entstanden, ein Leichtfuß, aus dem in jeden Moment Freude am Verspieltsein spricht und keine Sekunde unziemliche Eile.
Dabei könnte alles leicht ins Tragische umschlagen, hätte Spielberg das gewollt. Frank Abagnale und sein verbissener FBI-Nachspürhund Carl Hanratty tragen die Samen von Jean Valjean und Inspektor Javert in sich oder die von Salieri und Mozart, denn das Wild ist frei wie der Wind, und sein verbitterter Jäger wäre es gerne auch. Doch Spielberg ist nach Komödie zumute, und so erinnern Leonardo DiCaprio (nie besser besetzt) und Tom Hanks (noch ein Farbton seiner unerschöpflichen Palette) eher an den listenreichen Road Runner und den ewigen Zweiten Wile E. Coyote.
Spielberg wäre nicht Spielberg, steckte tief im Kern nicht der kleine Junge auf der Suche nach Nestwärme. Der Robo-Boy in „A.I.“ sehnt sich nach seiner Mutter, Abagnale nach einem wahren Vater; wie „E.T.“, der heimtelefoniert, ruft Frank an jedem einsamen Weihnachtsfest seinen Verfolger an. Bei den Stichworten Weihnacht, heimatlos und Spielberg schrillen sonst sämtliche Alarmglocken der Rührseligkeit; nicht hier, denn das Tempo von „Catch me“ erstickt Sentimentalität im Keim, und genaueres Hinhören entdeckt ziemlich garstige Untertöne, eine veritable Chronik sozialen Abstiegs.
Die Familie Abagnale kann ihr Haus im Grünen nicht halten, muss den Straßenkreuzer verkaufen, die Mutter empfängt gewisse Herren, und der Vater verstrickt sich immer tiefer in sein Lügengespinst, weil es das einzige ist, woran er Halt findet.
Das bringt den Junior erst auf die Idee, seinen gottgegebenen Charme für gottlose Zwecke einzusetzen, und wenn dieser Film nicht beschlossen hätte, sein Gemüt konsequent auf sonnig zu schalten, ließen sich auf Frank Abagnales Joyride jede Menge beunruhigender Beobachtungen anstellen: eine Gesellschaft, die auf dem schönen Schein fußt statt auf dem soliden Sein; eine respektable Familie, die lieber ihre Tochter verbannt als den Golfpartner des Vaters, der sie geschwängert; junge Damen, die so wenig vom Leben erwarten, dass sie die Aussicht auf einen Job als Stewardess bejubeln, als hätte ihnen Rockefeller jr. die Heirat angetragen.
„In diesem Film wird keiner umgebracht,“ betonte Spielberg - aber seinen Protagonisten bleibt auch die Erlösung durch Liebe versagt. „Catch me if you can“ hat ein Motto, und er wiederholt das Gleichnis von den zwei Mäusen, die in einen Krug voll Sahne fallen, mehrmals. Eine ertrinkt, weil sie aufgibt, die andere jedoch strampelt, bis sich die Sahne in Butter verwandelt.
Spielberg sympathisiert mit denen, die strampeln, und belohnt Abagnale mit einem Happy-End, das dessen Charakter diametral widerspricht - aber was nützt es, dagegen zu argumentieren, wenn man aus dem Anspann erfährt, dass genau dies dem realen Frank Abagnale widerfahren ist.
Der amerikanische Traum funktioniert, wenn auch nur für einen unter tausend.

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