- Welche Beweise werden vorgelegt werden? - Euklid, 31.01.2003, 12:25
- Trojaner - HB, 31.01.2003, 12:50
Trojaner
-->Diesmal braucht man zwar etwas handfesteres, aber es könnten sich zumindest Analogieschlüsse ziehen lassen, wie man jemanden etwas unterschiebt: Victor Ostrovsky beschreibt in"Geheimakte Mossad", wie eine solche Kommandoaktion abläuft:
....................
Ein Trojaner war ein besonderer Kommunikationsapparat, der
von Marinekommandos tief im Feindesland angebracht wurde.
Der Apparat fungierte als Relaisstation für Mitteilungen, die von
der Desinformations-Abteilung des Mossad, kurz LAP genannt,
ausgesandt wurden, um den Gegner in die Irre zu führen. Die
Konserven-Aufnahmen wurden von einem Schiff der israelischen
Marine auf dem offenen Meer ausgesendet. Es benutzte eine nicht
entschlüsselbare digitale Übertragung, die nur von dem Trojaner
empfangen werden konnte. Der Apparat sendete dann die Meldung
erneut auf einer anderen Frequenz, die für offizielle Angelegenhei-
ten im Feindesland benutzt wurde. Sie wurde dann von amerikani-schen
Horchstationen in England oder sonstwo aufgefangen.
Die Amerikaner gingen mit Sicherheit davon aus, daß sie eine
echte (in diesem Fall libysche) Meldung aufgefangen hatten, von
daher der Name Trojaner — m Erinnerung an das Trojanische Pferd
aus der Mythologie. Der Inhalt der Botschaften bestätigte nach der
Dechiffnerung Informationen anderer Geheimdienstquellen, ins-besondere
die des Mossad. Der Trojaner selbst mußte so nahe wie
möglich an der üblichen Quelle solcher Meldungen plaziert wer-den,
weil die Amerikaner durch ausgeklügelte trigonometrische
Berechnungen die Quelle verifizieren konnten.
Zwei Eliteeinheiten der Armee waren für die exakte Plazierung
des Apparates zustandig, die Matkal-Aufklärungseinheit und die
Flotilla 13, das heißt die Marinekommandos. Bei dieser Operation
plazierte die Flotilla 13 einen Trojaner in Tripolis, Libyen.
In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar waren zwei israelische
Flugkörper-Schnellboote, die »SAAR 4« der Moledet-Klasse, be-stückt
mit Boden-Boden-Raketen vom Typ Harpoon und Gabriel,
dem Anti-Raketen-System »Vulcan Falanx«, 20-mm-Maschinen-kanonen
und 0.5'-Kanonen, sowie die »Geula« der Hohit-Klasse
mit einer Helikopterplattform und Helikoptern sowie der regulä-ren
»SAAR-4«-Bewaffnung auf einer scheinbar routinemäßigen
Patrouille im Mittelmeer Richtung Sizilien unterwegs. Sie fuhren
wie üblich gerade außerhalb der libyschen Teritonalgewässer. Die
Kriegsschiffe drosselten mitten in der Nacht nördlich von Tripolis
ihre Geschwindigkeit auf vier Knoten. Da sie für das Radar sowohl
in Tripolis als auch auf der italienischen Insel Lampedusa sichtbar
waren, verlangsamten sie ihre Fahrt so lange, bis ein Team von
zwölf Kampfschwimmern in vier sogenannte nasse U-Boote, die
dicht unter der Wasseroberfläche fuhren, sogenannte »Schweine«,
und zwei Schnellboote mit niedriger Silhouette, sogenannte »Vö-gel«
übersetzen konnten. Die »Schweine« konnten jeweils zwei
Kampfschwimmer in voller Ausrüstung transportieren. Die »Vö-gel«,
ausgerüstet mit einem 7.62-Kaliber-MG und einer Reihe
tragbarer panzerbrechender Raketen, konnten je sechs Kampf-schwimmer
aufnehmen und die leeren »Schweine« ins Schlepp
nehmen. Sie brachten die Kommandos so nahe wie möglich an die
Küste heran, wodurch die Distanz, die die »Schweine« zurücklegen
mußten, erheblich reduziert wurde. Die »Schweine« waren ver-senkbar
und sehr leise, aber relativ langsam.
Die libysche Küste war dreieinhalb Kilometer entfernt. Im Süd-westen
glitzerten die Lichter von Tripolis Acht Kampfschwimmer
stiegen in die »Schweine« um und nahmen Kurs auf die Küste. Die
»Vogel« blieben an einem festgelegten Treffpunkt zurück, zu »ge-walttätigen
Aktionen« bereit, sofern es die Situation erforderte. Die
acht Kommandos, in ihren Gummmaßanzügen bis an die Zähne
bewaffnet, gingen an Land Die Einheit ließ ihre wie Zigarren
geformten Transporter im flachen Wasser abgesenkt zurück und
marschierte landeinwärts Zwei Mann trugen den Trojaner, einen
1,80 Meter langen dunkelgrünen Zylinder von 18 Zentimeter
Durchmesser
Ein grauer Lieferwagen stand am Straßenrand, etwa 30 Meter
vom Strand entfernt Es war die Schnellstraße von Tripolis nach
Sabratha und Bengasi. Um diese Zeit gab es kaum Verkehr Der
Fahrer des Wagens schien einen Platten zu reparieren Als sich das
Team näherte, horte er mit seiner Arbeit auf und öffnete die
rückwärtige Tür des Lieferwagens Er war ein Mossad-Kampfer.
Ohne ein Wort sprangen vier Mann in den Wagen und fuhren
Richtung Stadt. Die anderen vier kehrten zum Strand zurück und
nahmen bei ihren abgetauchten »Schweinen« eine Verteidigungs-stellung
ein. Ihre Aufgabe war es, eine Fluchtroute für das andere
Team offenzuhalten, falls Probleme auftauchen sollten.
Gleichzeitig war ein israelisches Geschwader südlich von Kreta
mit aufgetankten Maschinen einsatzbereit. Es war in der Lage,
Bodenkräfte von der Kommandoeinheit fernzuhalten und ihnen
einen nicht ganz sauberen Abgang zu sichern Zu jenem Zeitpunkt
war die kleine Einheit in drei Gruppen geteilt, was sie extrem
verwundbar machte. Sollte eine Gruppe auf feindliche Kräfte sto-ßen,
war sie angewiesen, mit größter Zurückhaltung zu agieren,
bevor der Feind zum Angriff überging.
Der Lieferwagen parkte hinter einem Appartementgebäude an
der AI Jamhunyh-Straße in Tripolis, keine drei Blocks von der Bab-al
Azizia-Kaserne entfernt, von der man wußte, daß sie Gaddafis
Hauptquartier und Residenz war. Die Männer hatten inzwischen
Zivil angelegt Zwei blieben bei dem Wagen zurück, um Schmiere
zu stehen, die anderen beiden halfen dem Mossad-Kämpfer, den
Zylinder in den obersten Stock des fünfstöckigen Gebäudes zu
schaffen Der Zylinder war in einen Teppich gewickelt.
In dem Appartement wurde die Kappe des Zylinders geöffnet
und eine kleine tellerahnllche Antenne entfaltet, die vor dem Fen-ster
in Nordrichtung angebracht wurde. Der Apparat wurde einge-schaltet,
und damit war das Trojanische Pferd an seinem Platz.
Der Mossad-Kämpfer hatte die Wohnung für sechs Monate
gemietet und die Miete im voraus bezahlt. Außer für ihn gab es für
niemanden einen Grund, das Appartement zu betreten. Wenn es
jedoch jemand täte, wurde sich der Apparat selbst zerstören, wobei
der größte Teil des Obergeschosses mit m die Luft fliegen würde.
Die drei Manner gingen hinunter zum Wagen und fuhren zurück
zum Strand
Nachdem er die Leute abgesetzt hatte, fuhr der Kämpfer wieder
in die Stadt, um das Trojanische Pferd in den nächsten Wochen zu
überwachen Die Kommandos legten unverzüglich mit ihren
»Schweinen« ab, denn sie wollten nicht bei Tagesanbruch in liby-schen
Gewässern erwischt werden. Sie erreichten die »Vögel« und
rasten mit voller Geschwindigkeit zu einem Treffpunkt, wo sie von
den Flugkörper-Schnellbooten wieder an Bord genommen wurden.
Bereits Ende März empfingen die Amerikaner Nachrichten, die
von dem Trojanischen Pferd ausgestrahlt wurden. Der Apparat war
nur zu Tageszeiten mit starkem Funkverkehr aktiviert. Der Mossad
sandte eine lange Reihe von terroristischen Befehlen an verschie-dene
libysche Botschaften in der ganzen Welt (beziehungsweise an
die Volksbüros, wie sie von den Libyern genannt werden). Die
Nachrichten wurden von den Amerikanern dechiffriert, sie schie-nen
ihnen hinreichende Beweise dafür zu liefern, daß die Libyer
hinter terroristischen Aktivitäten in der ganzen Welt steckten, und
bestätigten die entsprechenden Berichte des Mossad.
Die Franzosen und Spanier gingen dieser Informationsfülle nicht
auf den Leim. Ihnen kam es seltsam vor, daß die Libyer, die in der
Vergangenheit bezüglich ihres Funkverkehrs sehr vorsichtig gewesen
waren, aus blauem Himmel heraus plötzlich ihre Aktionen
ankündigten. Sie fanden es auch verdächtig, daß die Berichte des
Mossad in einer Sprache verfaßt waren, die den chiffrierten liby-schen
Botschaften auf merkwürdige Weise glich. Sie argumentierten,
daß für den Fall, daß diese Informationen stimmten, der
Angriff auf die Diskothek La Belle am 5. April in West-Berlin hatte
verhindert werden können, weil zwischen der Anweisung und der
Durchführung des Anschlags genügend Zeit gewesen sei, um einzu-greifen.
Und da dies nicht geschehen sei, konnte--er nicht auf das
Konto der Libyer gehen, und die neuen Informationen seien ihrer
Ansicht nach ein Schwindel.
Sie hatten recht. Die Information war ein Schwindel, und der
Mossad hatte keinen Anhaltspunkt dafür, wer die Bombe ins La
Belle warf, die einen Amerikaner tötete und zahlreiche weitere
verwundete. Aber der Mossad war mit so vielen der europaischen
Terroristen-Organisationen verbandelt und wußte, daß es in der
unheilvollen Atmosphäre in Europa nur eine Sache der Zeit war, bis
ein Bombenattentat geschah, bei dem es ein amerikanisches Opfer
gab.
Die Mossad-Spitze rechnete fest mit dem amerikanischen Ver-sprechen,
einen Vergeltungsschlag gegen jedes Land zu führen, das
nachweislich den Terrorismus unterstützte. Das Trojanische Pferd
lieferte den Amerikanern den Beweis, den sie brauchten. Der
Mossad benutzte auch Gaddafis Psychopathen-Image und seine
Erklärungen - die tatsächlich nur für den inneren Gebrauch gedacht
waren -, um die richtige Atmosphäre für einen Schlag gegen Libyen
zu erzeugen. Es darf nicht verschwiegen werden, daß Gaddafi im
Januar die Große Syrte zu libyschem Terntonalgewässer erklart
hatte. Die gedachte Linie zwischen dem westlichen und dem
östlichen Eckpunkt des Golfes nannte er »Todeslinie«, was ihm
nicht gerade ein moderates Image verlieh. Die Amerikaner fielen
Hals über Kopf auf die List herein und zogen die etwas widerstre-benden
Engländer mit sich.
Die Trojanische Operation konnte als Erfolg verbucht werden.
Sie führte zu dem Luftschlag, den Präsident Reagan versprochen
hatte. Der amerikanische Angriff hatte für den Mossad ein dreifa-ches
Ergebnis. Er brachte einen Deal zur Entlassung der amerikani-schen
Geiseln im Libanon zum Scheitern, wodurch die Hisbollah m
den Augen des Westens Feind Nummer eins blieb. Er war auch eine
Botschaft an die gesamte arabische Welt, der noch einmal verdeut-
licht wurde, wo die Amerikaner im arabisch-israelischen Konflikt
standen. Und drittens ging das Büro daraus als großer Held hervor,
der die USA mit lebenswichtigen Informationen für den Kampf
gegen den Weltterrorismus versorgt hatte.
Nur die Franzosen und die Spanier fielen auf den Mossad-Trick
nicht herein. Sie waren entschlossen, sich bei diesem aggressiven
Akt nicht auf die Seite der Amerikaner zu stellen und erlaubten den
amerikanischen Bombenflugzeugen nicht, auf ihrem Weg zum
Angriff auf Libyen ihr Territorium zu überfliegen. Damit zeigten sie
deutlich, daß sie mit der Aktion nicht einverstanden waren.
In der Nacht zum 15. April 1986 warfen einhundertsechzig
amerikanische Flugzeuge über sechzig Tonnen Bomben über Li-byen
ab. Die Angreifer bombardierten den internationalen Flugha-fen
von Tripolis, die Bab-al-Azizia-Kaserne, die Marinebasis Sidi
Bilal, die Stadt Bengasi und den Militärflughafen Banina außerhalb
von Bengasi. Die Flugzeuge kamen aus England und von Flugzeug-trägern
im Mittelmeer. Aus England waren 24 F-lll aus Laken-heath
gestartet, 5 EF-111 aus Upper Heyford und 28 Tankflugzeuge
aus Mildenhall und Fairford. Sie wurden unterstützt von 18 A-6
und A-7 Kampf- und Kampfunterstützungsflugzeugen, 6 F/A-18
Jägern, 14 EA-6B elektronischen Störflugzeugen und anderen un-terstützenden
Systemen. Die Marineflugzeuge kamen von den Flug-zeugträgern
»Coral Sea« und »America«. Auf libyscher Seite gab es
annähernd vierzig zivile Opfer, einschließlich der Adoptivtochter
Gaddafis. Auf amerikanischer Seite wurden ein Pilot und sein
Waffensystemoffizier getötet, als ihr Flugzeug explodierte. Nach
der Bombardierung brach die Hisbollah die Verhandlungen über
die Geiseln ab, die sie in Beirut gefangenhielt, und richtete drei von
ihnen hin, einschließlich des Amerikaners Peter Kilburn. Anderer-seits
wurden die Franzosen für ihre Nichtbeteiligung an dem An-griff
durch die Entlassung eines französischen Journalisten, der in
Beirut als Geisel festgehalten wurde, belohnt, wie man später
erfuhr. (Wie der Zufall so spielt, hatte eine verirrte Bombe bei dem
Luftangriff die französische Botschaft in Tripolis getroffen.)

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