- Dax-Konzerne haben Reserven aufgezehrt - Popeye, 01.02.2003, 17:39
Dax-Konzerne haben Reserven aufgezehrt
-->Dax-Konzerne haben Reserven aufgezehrt
Nach massivem Substanzverlust in 2002 haben fast alle stille Lasten in der Bilanz / Equinet-Studie
bf. FRANKFURT, 31. Januar. Die 30 Unternehmen im Deutschen Aktienindex Dax haben in den ersten drei Quartalen 2002 ihre stillen Reserven aufgebraucht und zudem stille Lasten in Gesamthöhe von 20,6 Milliarden Euro aufgehäuft. Das schreibt die Frankfurter Investmentbank Equinet AG in einer Studie. Wichtigster Grund für den massiven Substanzverlust war die Aktienbaisse, die den Wert von Aktien im Handelsbestand sowie von Beteiligungen dezimierte. Die größten stillen Lasten hatten Ende des dritten Quartals Siemens mit 5,6 und die Deutsche Telekom mit 3,8 Milliarden Euro, gefolgt von den drei Großbanken Commerzbank, Deutsche Bank und Hypo-Vereinsbank mit jeweils gut 2 Milliarden Euro. Nur vier der Unternehmen wiesen noch stille Reserven aus.
Unter Umständen können die stillen Lasten im laufenden Jahr den Gewinn je Aktie mindern, warnt Equinet-Analyst Jochen Rothenbacher. Das könnte dann die entsprechenden Aktienkurse unter Druck bringen. Potential für solche negativen Überraschungen sieht er insbesondere bei der Deutschen Post und RWE. Auf der Hut sein sollten Anleger auch bei Eon und BASF, deren Angaben über die stillen Lasten unvollständig seien. Da der Dax Ende Dezember ungefähr auf dem gleichen Niveau wie Ende September gelegen habe, dürften sich die stillen Lasten im vierten Quartal nicht wesentlich verändert haben.
Wie sich den Bilanzen entnehmen läßt, ist das Eigenkapital der 30 Dax-Unternehmen in den ersten neun Monaten von 408 auf 351 Milliarden Euro abgeschmolzen. Die beiden wichtigsten Gründe dafür seien erstens der Rekordverlust der Deutschen Telekom von 24,5 Milliarden Euro gewesen, zweitens ein bilanzieller Wertberichtigungsbedarf von insgesamt 43,4 Milliarden Euro, heißt es in der Studie. Hätten die Unternehmen diese Wertberichtigungen in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung (GuV) verbuchen müssen, hätten sie in den ersten neun Monaten 2002 einen Gesamtverlust von 45,9 Milliarden Euro erlitten.
Nach den neuen IAS-Regeln müssen Unternehmen nun auch Differenzen aus der Fremdwährungsumrechnung offenlegen. Daraus seien in den ersten drei Quartalen 2002 stille Lasten in Höhe von 11 Milliarden Euro entstanden, schreibt Rothenbacher. Ferner müssen zum Verkauf bestimmte Wertpapiere nun zu jedem Bilanzstichtag zu Marktpreisen bewertet werden. Etwaige Wertänderungen müssen dann in der GuV verbucht werden, wenn die Änderung als dauerhaft gilt, oder wenn die Wertpapiere verkauft werden. Ob eine Wertänderung als dauerhaft oder nur vorübergehend eingestuft wird, ist eine Ermessensfrage, die die Wirtschaftsprüfer von Fall zu Fall beantworten müssen.
Vorübergehende Wertänderungen können die Unternehmen als"Other Comprehensive Income" oder"Neubewertungsrücklage" ergebnisneutral in der Bilanz ausweisen. Steigt der Wert des Aktienportefeuilles, werden stille Reserven gebildet und das Eigenkapital nimmt zu - und umgekehrt. Wie Rothenbacher festhält, haben einige Unternehmen, darunter Deutsche Telekom, Eon, BASF und SAP, keine ausreichenden Daten veröffentlicht. Bei den übrigen Dax-Unternehmen ergab sich in den ersten drei Quartalen ein happiger Substanzverlust von insgesamt 32,0 Milliarden Euro.
Die größten Kapitalvernichter, gemessen am Neubewertungsbedarf, waren die Allianz mit 10,0 Milliarden Euro, gefolgt von der Hypo-Vereinsbank (HVB) mit 7,5 Milliarden Euro sowie der Deutschen Bank und der Münchner Rück mit 6,5 und 5,3 Milliarden Euro. Allerdings dürften diese vier Unternehmen auch am schnellsten wieder stille Reserven aufbauen, wenn die Aktienkurse wieder steigen, schreibt Rothenbacher. Für die Münchner Rück dürfte diese Schwelle bei einem Dax-Stand von 2800 Punkten liegen, hat Rothenbacher überschlägig errechnet, für die Allianz bei 3000 Punkten, für die HVB bei 3300 und für die Deutsche Bank bei 3600 Punkten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.02.2003, Nr. 27 / Seite 19

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