- Zur Lage des Finanzministers II - Popeye, 04.02.2003, 06:36
Zur Lage des Finanzministers II
-->Umsteuern unter Zwang
Von Manfred Schäfers
Hans Eichel hat die Kontrolle über die Finanzpolitik endgültig verloren. Die Wähler in Niedersachsen und Hessen haben ihm beherzt ins Steuer gegriffen, da sie einen Kurswechsel erzwingen wollen. Sie haben der SPD die Union als Korrektiv zur Seite gestellt. So wollen sie die rot-grüne Geisterfahrt beenden, die nach der Bundestagswahl im vergangenen Herbst begann, schnell an Tempo gewann und nur abwärts führt. Die Bürger sehen ihren Gehaltszettel und spüren die Konsequenzen einer solchen Politik: steigende Arbeitslosenzahlen, aufgeschobene Investitionen, einbrechender Konsum.
Schulden abbauen und Steuern senken, beides verläßlich und planbar. Dafür stand Eichel, dafür stand sein Bild von den Leitplanken. Erste Kratzer gab es, als die gesetzlich vorgesehene Steuersenkung um ein Jahr verschoben wurde. Seit der Bundestagswahl geht es in die falsche Richtung. Es begann mit einem finanzpolitischen Tohuwabohu: Das Bundesdefizit lief aus dem Ruder, Eichel mußte einen Nachtragshaushalt vorlegen, die Neuverschuldung fiel etwa 50 Prozent höher aus als geplant, und die Defizitobergrenze aus dem Stabilitätspakt wurde überschritten. Parallel erlebten die Bürger eine wirre Debatte um eine Einschränkung des Ehegattensplittings, um die Wiederkehr der Vermögensteuer oder eine höhere Zigarettensteuer zugunsten der klammen Krankenkassen.
Diese Belastungen kamen zwar nicht, aber dafür sollten die Bürger an anderer Stelle kräftig zur Kasse gebeten werden: Zum Jahreswechsel sind die Sozialabgaben und die Ã-kosteuer gestiegen, weitere Verschärfungen des Steuerrechts stehen drohend im Raum. Dies verschleiernd ist von einem Steuervergünstigungsabbaugesetz die Rede. Doch enthält der Entwurf vor allem neue Belastungen. Eine würde die Dienstwagennutzer treffen, aber das Paket enthält viel mehr: Es reicht von der Kürzung der Eigenheimzulage über höhere Mehrwertsteuersätze für grenzüberschreitende Flüge bis hin zur Mindeststeuer für Unternehmen.
Die Union will nun generell Steuererhöhungen verhindern. Das klingt gut. Wer wie SPD und Grüne die Verlustübernahme beim Mantelkauf weiter einschränkt, verhindert Sanierungen. Wer wie sie die Mehrmütterorganschaft nicht anerkennt, blockiert Gemeinschaftsunternehmen. Und wer wie sie den Verlustabzug begrenzt, entzieht Unternehmen, die gerade eine Krise überwunden haben, wertvolle Liquidität. Das hieße, mehr Unternehmen gehen pleite. Nicht Überschuldung, sondern Zahlungsunfähigkeit ist der wichtigste Grund für den Gang zum Insolvenzgericht. Und generell gilt: In der Krise nähren höhere Steuern die Krise. Schon die Debatte schadet.
Die Union will allein das unkontrollierte Abrufen angesammelter Steuerguthaben beschränken. So will sie die Körperschaftsteuerausfälle in berechenbaren Grenzen halten. Das haben zwar auch SPD und Grüne vor, so daß man sich über diesen Punkt verständigen können sollte. Das brächte wenige Jahre einige hundert Millionen Euro in die öffentlichen Kassen. Da ist etwas anderes wichtiger: Die öffentliche Hand bekäme größere Planungssicherheit. Deshalb kann man das machen. Aber um Haushalte zu sanieren, reicht das bei weitem nicht.
Eichels Finanzpaket sollte rund 17 Milliarden Euro in die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden spülen. Das ist nun ungewisser denn je. Bei der höheren Besteuerung der Dienstwagen ist die Sache schon klar: Die Union tritt auf die Bremse. Das hat sie versprochen. Aber was ist mit der Eigenheimzulage? Die von SPD und Grünen verabredeten Korrekturen sind finanziell gewichtig. Im ersten Jahr der vollen Wirkung der Reform würde dies die öffentlichen Haushalte um knapp fünf Milliarden Euro entlasten. Heute zahlt die öffentliche Hand doppelt soviel für Eigenheimzulage - bei steigender Tendenz. Wenn die Union dies weiterhin ablehnt, müßte sie eine größere Gegenrechnung aufmachen.
Einiges haben SPD und Grüne mit guten Gründen schon selbst geändert. Die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen gehört dazu. Außerhalb von bestimmten Spekulationsfristen sind sie bisher steuerfrei. Eichel wollte sie - sogar rückwirkend - dem persönlichen Einkommensteuersatz unterwerfen. Der Protest war zu Recht gewaltig. Mit einem niedrigen Pauschalsatz sucht er nun nach mehr Akzeptanz. Ob da die Union mitspielt?
Konfliktstoff birgt auch die Zinsbesteuerung. Eichel will Zinsen einseitig definitiv mit 25 Prozent belasten. Wer einem höheren Einkommensteuersatz unterliegt, käme dann besser weg. Wer darunter liegt, soll sich die gezahlte Steuer erstatten lassen können. Flankiert werden soll das vom zeitlich befristeten Angebot, nicht versteuertes Geld aus dem Ausland straffrei und steuergünstig zurückzuholen. Wer schnell reagiert, soll nach den Plänen von SPD und Grünen nur 25 Prozent des Kapitals an den Fiskus abführen müssen. Später sollen es 35 Prozent sein. Auch die Union hat sich für eine solche Brücke zurück in die Legalität ausgesprochen. Aber bei den Sätzen hat sie noch Zweifel, einzelne Stimmen warnen, die vorgeschlagenen seien nicht attraktiv genug. Einen Reibungspunkt gibt es in diesem Zusammenhang gewiß. Während die SPD - anders als die Grünen - an flächendeckenden Kontrollmitteilungen festhalten will, hat dies die neue schwarze Gegenmacht schon kritisiert.
Die Union sitzt nun mit ihrer dicken Mehrheit im Bundesrat bei den Steueränderungen am langen Hebel. Doch mit allem, was sie ablehnt, werden die Löcher in den Etats größer. Den bequemen Weg einer Mehrwertsteuererhöhung haben sich alle Parteien vergangene Woche im Bundestag verbaut - zum Glück! Das hätte vor allem die Schattenwirtschaft gefördert. Ohne beherztes Streichen von Subventionen und Kürzungen in allen Etats geht es nicht. Wer heute nicht spart, muß morgen mehr Zinsen zahlen und höhere Steuern verlangen. Das war bis zur letzten Bundestagswahl Konsens. Nun besteht die Chance, daß SPD und Grüne mit Hilfe der Union den Weg zurück auf den Pfad der Konsolidierungstugend finden - ohne weitere Steuererhöhungen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.02.2003, Nr. 29 / Seite 15

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